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DAS BLÄTTCHEN/1129: Holger Teschke über Rügen und Hiddensee


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
14. Jahrgang | Nummer 18 | 5. September 2011

Holger Teschke über Rügen und Hiddensee

von Kai Agthe


Holger Teschke, der als Schriftsteller und Regisseur in Berlin tätig ist sowie Schauspiel und Theaterregie am Mount Holyoke College in South Hadley, Massachusetts, unterrichtet, hat als Autor von Essays, Features und Hörspielen eine erkennbare Vorliebe für maritime Themen. Ein Medium dafür ist die Zeitschrift mare. "Zu seinen Lieblingsthemen", so lesen wir dort, "gehören die Deutschen in der Südsee, Wale in der Ostsee sowie jedwede Literatur über Krebse und Schalentiere." Die Neigungen stehen freilich ganz im Gegensatz zu den in mare publizierten Beiträgen. Holger Teschke porträtierte unter anderem mit John Steinbeck und Bertolt Brecht zwei Autoren, die eine Affinität zur See hatten, und die Möwe in ihrer Rolle als "Allesfresser und Sehnsuchtsvogel". Auch mehrere Bücher über die Insel Rügen hat er in den letzten Jahren veröffentlicht. Daran anknüpfend, legt er nun in einer landeskundlichen Reihe des Hamburger Hoffmann und Campe Verlags ein schmales Bändchen über "Rügen und Hiddensee" vor.

Prädestiniert für das Thema ist Teschke nicht nur, weil er 1958 in Bergen auf Rügen geboren wurde, sondern weil er, dem von Generation zu Generation aufs Neue erschallenden Ruf der Inseljugend "Runter von Rügen!" folgend, zwei Jahre als Maschinist auf einem Fischkutter die weite Welt befuhr. In dieser Zeit entdeckte er die Liebe zur Literatur und zum Theater, studierte in Berlin Schauspielregie und war unter anderem als Dramaturg am Berliner Ensemble tätig.

Mit den Augen des gebürtigen Rüganers erleben wir die größte deutsche Insel und das ihr westlich vorgelagerte kleine Eiland. Es sind Inselbesuche im Raum und in der Zeit. Das hier immer wieder anklingende Leitthema ist der Wunsch, einen Gesprächspartner zu treffen, der ihm die Ursprünge der Sage von der Seejungfrau auf dem Waschstein erläutern könne. Und so verschränken sich in dem Text Fakten und Fiktionen. Denn dank der Nixe Sundine ist es dem Autor möglich, historischen Persönlichkeiten zu begegnen, die, gleich ob Einheimische oder Gäste, mit Rügen und Hiddensee eng verbunden sind. Und so plaudert der Reisende etwa mit Gotthard August Kosegarten, dem eher durch seine Uferpredigten als durch seine Dichtungen bekannt gewordenen Altenkirchener Theologen und Schriftsteller; mit Wolfgang Koeppen, der zwar nach Greifswald gehört, aber als junger Mensch im Theater Putbus auftrat; mit Elizabeth von Arnim, der Verfasserin des Reiseromans "Elizabeth auf Rügen"; und ferner mit dem Hiddenseer Sommerfrischler und "Kuddeldaddeldu"-Dichter Joachim Ringelnatz. Letzteren lässt er denn auch sagen: "Räucherfisch und Ostseeluft, das ist besser als jede Kur."

Die lange Geschichte zu beschreiben und die landschaftlichen, also touristischen Vorzüge der beiden Inseln zu loben, heißt nicht, dass Teschkes Buch unkritisch wäre. So warnt er zum Beispiel eingangs davor, dass, wenn die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre weiter anhält, "die Verdrängung der Insulaner durch eine zahlungskräftige Schickeria und Zerstörung der einzigartigen Naturlandschaften durch immer größere Ferienanlagen und breitere Straßen" die Folge wäre. Es liegt aber zuerst in der Hand der Rüganer, derlei Auswüchse nicht zuzulassen. Andererseits lebt man hier, wie an der gesamten Ostseeküste, seit 100 Jahren nicht schlecht von den Gästen. "Man verlässt sich", so der Inselkenner, "seit Generationen darauf, dass die Urlauber sowieso kommen, egal wie dünn der Kaffee und wie dick die Mettwürste sind."

Holger Teschkes Buch ist auch dann eine schöne Einstimmung auf den Urlaub, wenn dieser den Leser nicht nach Rügen und Hiddensee führen sollte.

Holger Teschke: Rügen und Hiddensee, Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, 125 Seiten, 15,- Euro


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Quelle:
Das Blättchen Nr. 18/2011 vom 5. September, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 14. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath, Heinz Jakubowski
... und der Freundeskreis des Blättchens
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2011