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DA/666: Gewerkschaftstour - Nähfabriken in Asien


DA - Direkte Aktion
anarchosyndikalistische Zeitung der Freien ArbeiterInnen Union (FAU-IAA)

Gewerkschaftstour - Nähfabriken in Asien
Ein Meilenstein transnationaler Vernetzung

Von Mo, 20. Januar 2020


Nach einem guten halben Jahr Vorbereitungszeit hat vom 07. bis 29. Oktober 2019 die GewerkschaftsTour - Nähfabriken in Asien stattgefunden. Durchgeführt wurde sie von Dian Septi Trisnanti (FBLP) und Chamila Paramananda Kalandarige (Dabindu Collective). Die beiden haben in 14 Städten (Hamburg, Hannover, Köln, Münster, Marburg, Dresden, Halle, Jena, Kaiserslautern, Stuttgart, Freiburg, Paris, Madrid und Barcelona) Vorträge gehalten.

Dian ist für die feministische Gewerkschaft Inter-Factory Workers' Federation (FBLP) in Indonesien aktiv. In der FBLP organisieren sich überwiegend Näherinnen gegen sexualisierte Gewalt (Gender-Based-Violence), machen sich für die Entfristung von Arbeitsverträgen stark und setzen sich für die Anerkennung von Menschen der LGBTQ Community am Arbeitsplatz sowie gesamtgesellschaftlich ein. Das Dabindu Collective betreibt zwar gewerkschaftliche Arbeit, ist jedoch keine anerkannte Gewerkschaft in Sri Lanka. Die Organisation hat ihren Schwerpunkt in der Freihandelszone Katunayake sowie der Nordprovinz Sri Lankas und ermutigt ebenfalls Näherinnen, sich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen stark zu machen.

Die FBLP hatte Anfang bis Mitte 2019 eine intensive Auseinandersetzung mit einem Fabrikbesitzer in einem Industriepark im Norden Jakartas. Die Fabrik wurde geschlossen und die Aufträge auf einen anderen Standort in Indonesien verlagert. Dort sind die Löhne noch niedriger und die Menschen noch verzweifelter. Die Näherinnen haben zunächst gegen die Schließung und danach um eine angemessene Entschädigung gekämpft. Zumindest beim Zweiteren waren sie weitestgehend erfolgreich.

In Hamburg intensivierte sich in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit der FAU mit der FBLP. Es gab u.a. Kundgebungen vor H&M und Ralph Lauren-Filialen sowie einen intensiven Mailverkehr mit dem letzten Auftraggeber der besagten Fabrik (Hanesbrands Inc. in North Carolina, welches über das Tochterunternehmen Hanes Germany GmbH u.a. Ketten wie Rewe und Rossman beliefert).

Durch die Planungen entstand die Idee, eine Tour auf die Beine zu stellen. Eine Tour, bei der Menschen in Europa mehr über die Arbeit der FBLP sowie die Arbeits- und Lebensbedingungen der Näherinnen erfahren, die die Klamotten in den Regalen diverser Textilhandelsunternehmen in Europa herstellen. Aber auch, um Menschen innerhalb der Wertschöpfungskette miteinander zu verbinden.

Wie verlief die Tour? - Rückmeldungen von den einzelnen Austragungsorten

Die Kommunikation mit Dian und Chamila war zunächst eher holprig. Dadurch verzögerte sich teilweise die Planung. Die Visa wurden spät beantragt, weshalb es auch erst spät eine gewisse Planungssicherheit gab. Die Visa mussten - auch hier in Deutschland - organisiert, Absprachen mit den einzelnen teilnehmenden Syndikaten getroffen und finanzielle Mittel koordiniert werden. Die Koordination während der Tour lief weitestgehend reibungslos. Besonders hilfreich war, dass die beiden ein Handy mit deutscher SIM-Karte bekommen haben. So konnten austragende Syndikate jederzeit mit den Referentinnen in Kontakt treten und sie wiederum mit den Ansprechpersonen vor Ort.

Die Anzahl der Besucher*innen schwankte von Stadt zu Stadt zwischen 20 (Münster) und 100 (Freiburg) Personen; im Durchschnitt waren es etwa 50. Da die Tour in 14 Städten stattgefunden hat, haben also etwa 700 Menschen an den Veranstaltungen teilgenommen. Einige Syndikate haben berichtet, dass Leute extra aus andere Städten angereist sind, um bei Veranstaltungen dabei zu sein.

Das größte Bündnis im Rahmen der Tour ist vermutlich in Freiburg entstanden: Hier haben sich fünf lokale Gruppen zusammen getan, die sich sogar mit Lohnabhängigen von H&M abgesprochen und eine Aktion vor einer H&M Filiale in diesem Zusammenhang auf die Beine gestellt haben. Ein längeres Interview mit den Referentinnen für die Zeitschrift IZ3W war auch noch drin. Das Syndikat der FAU in Dresden hat seine Veranstaltung aufgezeichnet (hier gerne reinhören [1]).

Wie die Kurzberichte der einzelnen Syndikate zeigen, war die Tour ein voller Erfolg. Viele Syndikate haben angemerkt, dass das Thema die lokale Zusammenarbeit mit anderen - insbesondere feministischen - Strukturen in vielen Städten befördert hat. So gab es für mehrere Veranstaltungen Kooperationen u.a. mit den lokalen Frauen*streikbündnissen. Sie haben auch berichtet, dass das Publikum in der Regel überwiegend weiblich war. Überhaupt bietet das Thema Schnittpunkte zu anderen Teilen der Gesellschaft, die sonst weniger Berührungspunkte mit Anarchosyndikalismus haben. In einigen Städten kamen durch die Veranstaltungen Vernetzungen mit der Clean Clothes Campaign (CCC) und in Marburg insbesondere mit TIE (transnational information exchange) zustande. Die Tour hat ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit der transnationalen Vernetzung unter gewerkschaftlichen Basisgruppen geschaffen. Wie ein Genosse aus Halle schreibt:

"Gemeinsam Aktionen zu planen und diese dann koordiniert einzusetzen, kann die Handlungsmacht von Grasswurzelstrukturen erheblich bevorteilen und nachhaltig dazu führen, dass wir uns gegenseitig in unseren Strategien und Plänen unterstützen können."

Auch die zentral zur Verfügung gestellte Infrastruktur (Handy, Zeitpläne, Materialien, Visa, Zugtickets, Notizen von Referentinnen etc.) hat sich bewährt und wurde in den Rückmeldungen positiv hervorgehoben.

Teilweise wurde bemängelt, dass einige organisatorische Dinge, wie das Bestellen und Bearbeiten der Flyer zeitlich eher hätte geschehen sollen. Das ist richtig, jedoch hatten wir erst zwei Wochen vor geplantem Tourbeginn die Bestätigung, dass Chamila ihr Visum erhält. Außerdem sei es teilweise schwierig gewesen eine Übersetzung (Singhalesisch - Deutsch bzw. Englisch) für Chamila zu organisieren.

Letztendlich entstanden, trotz der finanziellen Unterstützung von Café Libertad Kollektiv e.G., recht hohe Kosten für jedes einzelne Syndikat. Aus Dresden kam die Anmerkung, dass bereits bestehende Bündnispartner*innen der eingeladenen Organisationen (in diesem Fall Clean Clothes Campaign) vorher hätten kommuniziert werden können, um diese ebenfalls gezielt zu den Veranstaltungen einzuladen. Außerdem hätten die Präsentationen im Vorfeld lektoriert werden sollen. Bei genügend Vorlaufzeit können diese Aspekte bei einer nächsten Tour sicherlich berücksichtigt werden.

Rückmeldungen seitens der Referentinnen

Auch Dian und Chamila wurden zu ihren Eindrücken von der Tour befragt. Sie haben Folgendes berichtet.

Q: What went well, what could have been done better? This question refers to the coordination efforts before the events as well as during the actual events. Did you encounter any particular challenges?

Dian (FBLP): Before, we have Global May Day action and solidarity for Hansae case which are positive efforts to bring us together in common issues and International solidarity. The solidarity, in case, brought positive achievement for the workers of Hansae (the company paid the compensation). The Global May Day action also gave positive aspects in developing a network internationally.
The tour itself was good for sharing experiences among workers in Europe and Asia, that can bring the next steps for the solidarity network in the future, especially for garment workers. The challenge is how to develop and strengthen the network, as the strategy to pressure brands to take up responsibelities for the workers they exploite and how to eliminate the impunity of brands and suppliers. All of these need a strong solidarity network and strong unions on the ground level. Also, how the international solidarity can support the building of unions on the ground level.

Q: What came out of the tour for you (e.g. concrete networking or future plans/ideas)?

Dian (FBLP): We can build communication intensively among garment unions on the Asian level and connect it with the workers or groups in Europe which discuss the strategy aspect of garment workers struggle for their rights, against brands and suppliers.
A lot of moments that bring us closer to working together, such as international days against women's violence, international women's day, may day or any opportunities to connect struggles on the ground level with international solidarity. These moments can be the steps for more strategic steps in the future, such as the strategy to build a network within South East Asia to struggle for South East Asian floorwage.

Chamila (Dabindu Collective) schreibt in diesem Zusammenhang:

I would like to thank you for the opportunity that was given to me first and foremost. I would like to bring to your concerns that the lucky chance that was rendered to me was one of a kind because this was the first time where we obtained the ability to connect with the FAU directly. What was being done earlier was that we only visited Europe and triggered and supported campaigns to be held from one village to another. Nevertheless, through this experience we built new connections with the members of the organization. We also find it a morale booster that the Clean Clothes Campaign contributed towards this exposure as well.

Furthermore, the Dabindu Collective also found it worthy of working with TIE Asia which revitalized our connections with them. We are also thankful for the opportunity given by radio channels who in turn supported us to raise concerns on trade union issues through interviews. We highly appreciate the demonstration done in front of the H&M retailer shop in Freiburg.

Finally, this program was a good commencement for trade unions to connect within the global supply chain. At present, organizations namely CCC/AFW, TIE Asia, Ethical Trading Initiative, War on Want, Labour Behind Label are occupied in fighting to ensure social protection, social dialogue and social dignity. My recommendation is that the connection with them should be developed to make the global supply chain and brands initiative further successful.

Wie Weiter?

Während eines Gesprächs mit Dian und Chamila nach der Tour, haben wir über Perspektiven gesprochen. Wir streben an, insbesondere im Rahmen des Frauen*kampftages am 08. März, sowie dem Global May Day 2020, gemeinsam Aktivitäten zu koordinieren. Des Weiteren haben wir darüber gesprochen, für Ende Februar 2020 ein Treffen zwischen einzelnen Näher*innengewerkschaften im asiatischen Raum auf die Beine zu stellen. Die Vorbereitung sind hierfür mittlerweile in vollem Gange. Die Internationale Konferenz von Gewerkschaften in der Bekleidungsindustrie wird am 21. - 22. Februar 2020 in Colombo vom Dabindu Collective gemeinsam mit der FAU veranstaltet werden.

Eine intensivere Zusammenarbeit mit Organisationen wie TIE (transnational information exchange) soll eine effektivere Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen gewerkschaftlichen Gruppen innerhalb der Wertschöpfungskette in Zukunft befördern. Auch eine Kooperation mit der Internationalen Konföderation der Arbeiter*innen (IKA) wird seitens der FBLP und des Dabindu Collective in Erwägung gezogen.

Die Tour hat dazu beigetragen, Theorie praktisch werden zu lassen. Der direkte Austausch hat neue Potentiale zukünftiger Zusammenarbeit erschlossen und für alle Seiten neue, wertvolle Erfahrungen gebracht. In dem Sinne kann man sie als Meilenstein transnationaler Vernetzung für alle involvierten Syndikate und Organisationen, insbesondere die FAU, FBLP sowie dem Dabindu Collective, bezeichnen.

Die NähfabrikenTour wurde organisiert von fauhh12, einem Mitglied der FAU Hamburg, mit Unterstützung vom Café Libertad Kollektiv (finanziell) sowie Genossen in Stuttgart (Erstellung der Flyer) und Münster (Hilfe bei Online-Auftritt).

Vielen Dank an alle, die mit ihrer Unterstützung die Tour ermöglicht haben!

Nachfragen zur Tour gerne an: fauhh12@fau.org.


Anmerkung:
[1] https://archive.org/details/presentation_20191114


URL des Artikels bei "DA - Direkte Aktion":
https://direkteaktion.org/gewerkschaftstour-naehfabriken-in-asien/

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Quelle:
DA - Direkte Aktion
Redaktion: da-kontakt(ätt)fau.org
Herausgeber: Geschäftskommission der FAU
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Telefon: +49 (0) 151 555 595 63
E-Mail: geko(ätt)fau.org
Internet: https://direkteaktion.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2020

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