Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


AUFBAU/462: Studentenproteste in Indien


aufbau Nr. 85, mai/juni 2016
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Studentenproteste in Indien


ANTIFASCHISMUS Die Reaktion ist in Indien weiterhin auf dem Vormarsch. Am folgenden Beispiel soll gezeigt werden, wie die hindu-faschistische BJP versucht, jegliche Opposition zu bekämpfen.


(agkkz) Im Februar kam es in ganz Indien zu grossen Protesten an Universitäten. Grund dafür war die Verhaftung von Kanhaiya Kumar, dem Präsidenten der Union der Studierenden an der Jawaharlal Nehru Universität (JNUSU) in Delhi. Mit vielen anderen Studierenden hat Kumar am 9. Februar an einem Protest teilgenommen und wird beschuldigt, "antinationale" Aussagen gemacht zu haben.

Die Konfrontation ist kein Zufall, sondern Ausdruck der reaktionären Offensive, welche in Indien seit geraumer Zeit vor sich geht. Der Wahlsieg der hindu-faschistischen Partei BJP 2014 ist dabei wohl das auffälligste Ereignis, genügt aber allein nicht, um die Macht dieser Bewegung zu verstehen. Mit diversen "Massenorganisationen" ist sie fest in der indischen Gesellschaft verankert. Auf der akademischen ist dies der gesamtindische Studentenrat, der ABVP (Akhil Bharatiya Vidyarthi Parishad). Durch den gemässigt klingenden Namen soll mensch sich nicht täuschen lassen. Auch linke Studierendenorganisationen geben sich in der Regel neutral klingende Namen. Diese ABVP spielte zum Beispiel bei der Verhaftung von Knhaiya Kumar im Februar eine wichtige Rolle. Doch alles der Reihe nach.

Der Konflikt begann damit, dass die Demokratische Studierendenunion (DSU) einen Protest ankündigte, um an die Ermordung von Mohammad Afzal Guru zu erinnern. Guru war ein Muslim aus Kashmir, der beschuldigt wurde an den Terrorattacken auf das indische Parlament 2001 beteiligt gewesen zu sein, dafür zum Tode verurteilt und 2013 in einer geheimen Hinrichtung ermordet wurde. Die rechte ABVP intervenierte daraufhin bei der Universitätsleitung, worauf diese den Protest verbot. Daraufhin solidarisierten sich diverse Studierendenorganisationen mit der DSU und führten den Protest am 9. Februar durch. Der Sicherheitsdienst der Universität beschlagnahmte die Mikrophone, begleitet von ABVP Mitgliedern, welche die Protestierenden bedrohten und einschüchterten. Später verhaftete die Polizei Kanhaiya Kumar auf dem Campus mit der Begründung, er habe "anti-nationale" Parolen gerufen.

Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. So stürmte die Polizei Studentenheime, auf der Suche nach weiteren "anti-nationalen" StudentInnen. Bei der Tage später stattfindenden Gerichtsverhandlung wurden UnterstützerInnen von Kumar von rechten Schlägern angegriffen. Mittendrin ein BJP-Abgeordneter des indischen Parlaments, der einen kommunistischen Funktionär zu Boden stiess und sich danach wie folgt zitieren liess: "Hätte ich eine Pistole gehabt, hätte ich geschossen." Nachdem bekannt wurde, dass Kumar zudem von BJP-nahen Anwälten im Gerichtsgebäude zusammengeschlagen wurde, sah sich der Indische Supreme Court dazu gezwungen verlauten zu lassen, dass es den Polizeivorsteher von Delhi persönlich verantwortlich mache für die Sicherheit von Kumar. Im Anschluss an diese Ereignisse wurde die JNU mittels Streik lahmgelegt und es kam im ganzen Land zu Protesten an den Universitäten.

Diese Ereignisse stehen exemplarisch für die Entwicklungen in Indien. Die BJP versucht auf allen Ebenen ihre politischen Feinde auszuschalten. Ihr Ziel sind nicht nur die klassenkämpferische Linke, sondern auch die reformistische Linke. So ist Kumar auch ein Funktionär der Studentenorganisation der Kommunistischen Partei Indiens und hat sich immer loyal zum indischen Staat gezeigt. Die Hindu-Faschisten versuchen dennoch, jede kritische Äusserung als "anti-national" und "pro-Pakistan" zu brandmarken und rechtfertigen damit ihre gewalttätigen Übergriffe. Mit ihrer nationalistischen Politik schaffen sie auch die Grundlage für ihre neoliberale Agenda und die festere Einbindung in die imperialistische Agenda der USA gegen China.

Die reformistische Linke kann sich noch auf eine breite progressive Öffentlichkeit abstützen, die auch grosse Teile der kulturellen Elite oder den Supreme Court umfasst. Wie lange diese Instrumente gegen den erstarkenden Faschismus noch wirksam sind, ist die grosse Frage. Diesen in die Defensive zu drängen dürfte wohl nur gelingen, wenn diejenigen mobilisiert werden, welche unter der neoliberalen Politik am meisten leiden. Doch klassenkämpferische Politik ist nicht die Stärke der Reformisten.

*

Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

*

Quelle:
aufbau Nr. 85, mai/juni 2016, Seite 13
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
Der aufbau erscheint dreimonatlich.
Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
Abo Inland: 30 Franken, Abo Ausland: 30 Euro,
Solidaritätsabo: ab 50 Franken


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang