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AUFBAU/340: Erdölhandel bleibt Cowboy-Kapitalismus


aufbau Nr. 71, januar 2013
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Erdölhandel bleibt Cowboy-Kapitalismus

DREHSCHEIBE SCHWEIZ Das Augenmerk richtet sich vermehrt auf die Rohstoffhändler, die ihren steuergünstigen und lauschigen Firmensitz in der Schweiz einrichten.



(az) Die Geschichte des Rohstoffhandels, der über die Drehscheibe Schweiz läuft, ist noch nicht sehr alt. Sie beginnt 1956 und hat sich erst in den letzten Jahren sprunghaft entwickelt. Die Erklärung von Bern (EvB) hat in einem umfassenden, gut aufbereiteten und sehr anschaulichen Buch Zahlen, Fakten und Fallbeispiele vorgelegt und versucht damit den langweiligen Daten ein Gesicht zu geben. Wer sich mit dem Rohstoffhandel in der Schweiz auseinandersetzt, sollte es haben. Ärgern kann man sich allerdings über die Schlussfolgerungen, die sich im Untertitel widerspiegeln: "Das gefährlichste Geschäft der Schweiz". Denn mit gefährlich meint die EvB das Reputationsrisiko, also den möglichen Image-Verlust. Die Schweiz riskiere (sinngemäss), international schief angesehen zu werden. Das könnte tatsächlich mit Fug und Recht geschehen. Doch wäre das eine relevante Grösse, dann hätte die Schweiz schon länger ein Problem. Die Erfahrung zeigt, dass die liberale Schweiz die kriminellen Energien der Unternehmer konsequent fördert und notfalls auch schützt.


Wir schauen zu unserem Geld

Steuerhinterzieher Marc Rich floh aus den USA nach Zug. Hier baute er ohne Hindernisse jene Firma auf, die in den letzten Jahren einiges an schlechten Schlagzeilen generierte, das heutige Glencore. Aber für einen Rohstoffhändler ist das undramatisch, die Waren werden sowieso gekauft. Weder bemüht sich Glencore um Medienarbeit, noch um Beliebtheit. Jetziger oberster Chef Ivan Glasenberg ist als Weisser im Südafrika der Apartheid gross geworden. Als dieses in den 80er Jahren international boykottiert wurde, verkauften nur noch Marc Rich und sein Zögling Glasenberg Erdöl nach Südafrika - dafür zu völlig überteuerten Preisen, was sie stinkreich machte. Den Cowboy-Stil hat Glasenberg beibehalten. Als anlässlich des Börsengangs 2011 ein Journalist der Financial Times meinte, die nun notwendige Offenlegung der Buchhaltung würde den Konzern zu korrekteren Geschäftspraktiken zwingen, entgegnete Glasenberg gewohnt arrogant: "Dass einige Aktien nun öffentlich sind, wird absolut keinen Einfluss auf das Geschäft haben. Investoren müssen sich bewusst sein, dass wir mehr zu unserem Geld schauen werden als zu ihrem." Hier spricht ein Kapitalist, der sich Offenheit erlauben kann.

Die EvB hat also völlig Recht, wenn sie davon ausgeht, dass sich die Rohstoff-Giganten nicht mit Öffentlichkeit unter Druck setzen lassen. Aber soll man sich deshalb ans Parlament wenden? Der Nationalrat hat eine Kommission zur Behandlung der Petition "Recht ohne Grenzen" eingesetzt. 50 Organisationen und Verbände forderten darin Massnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung der im Ausland tätigen Schweizer Konzerne, zudem die Möglichkeit zu klagen, sollte es dennoch zu solchen kommen. Die Kommission entschied aber, zur Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards seien lieber die Instrumente des Dialogs und der Freiwilligkeit zu wählen. Absurder geht's fast gar nicht, als hätten bisher böse Kräfte die Konzerne daran gehindert, freiwillig gute Arbeitsbedingungen zu bieten. Indessen vermerkt der Bundesrat, es würde tatsächlich ein Reputationsrisiko bestehen, sollte es wirklich zu Umweltverschmutzung und Verletzung der Menschenrecht durch Konzerne mit Sitz in der Schweiz kommen. Aber da er nichts derartiges beobachtet, ruft er zu Ruhe und Ordnung auf.


Das Recht des Stärkeren

Die Schweiz bleibt also der sichere Hafen des internationalen Kapitals, auch nach dem Fall des Bankgeheimnisses. Strafrechtsprofessor Mark Pieth der Uni Basel sieht das ganz gleich. Auf die Frage, weshalb die Schweiz so attraktiv sei für Rohstoffhändler, antwortete er: "Die Kombination von tiefen Unternehmenssteuern mit, vielen kantonalen Sonderregeln und einem so fitten wie liberalen Finanzplatz. Hinzu kommen die Hilfsfaktoren Stabilität und Lebensqualität". Er betont ausserdem, dass sich Rohstoffhandel anbiete, um Geld zu waschen. Man könne zwar nicht wissen, wie viel, aber gewiss sei es viel. Wir sprechen vom globalen Rohstoffhandel, einem Business von ca. 3.000 Mrd. Franken. Davon laufen 15 bis 25 Prozent über die Schweiz und die Tendenz ist steigend. Als die Schweiz 2002 das Geldwäschereigesetz auch auf die Branche anwenden wollte, drohte Glencore sofort mit der Abwanderung nach London. Die grossen Erdölgiganten in Genf wie Vitol reagierten wahrscheinlich diskreter, doch sicherlich vehement. Das ist besonders absonderlich, weil das Gesetz seit 1999 rechtskräftig ist, aber nicht angewendet wird. Es steht ausser Diskussion, dass die Rohstoffproduzenten in vielen Ländern der Welt das Sagen haben. Verwunderlich nur, dass viele das Gefühl haben, das sei hierzulande anders.


Buchtipp:
Erklärung von Bern (Hg.). Rohstoff: Das gefährlichste Geschäft der Schweiz. (2. Auflage), Zürich 2012.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 71, januar 2013, Seite 6
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2013