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AUFBAU/331: Interview zu Medien in Kuba - Die LeserInnen sind sehr kritisch


aufbau Nr. 70, sept/okt 2012
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Die LeserInnen sind sehr kritisch
MEDIEN IN KUBA - Interview mit einem Medienschaffenden



(rabs/agkkb) Während der Teilnahme an der internationalen Brigade José Martí hatten wir die Gelegenheit, ein Interview mit einem kubanischen Medienarbeitenden zu führen. Arsenio Rodríguez Pérez, unser Interviewpartner, ist Journalist für Radio Habana und Herausgeber der Zeitschrift Cuba Internacional.


rabs/agkkb: Wie entwickelten sich die Medien in Cuba während der Revolution?

Pérez: Vor dem Triumph gab es die klandestine Presse. Die Sozialistische Partei, 26 Julio, Directorio Revolucionario und andere Organisationen, die sich am Kampf gegen Batista beteiligten, gaben alle kleine Schriften heraus, die im Geheimen zirkulierten. Als die Befreiungsbewegung in der Sierra Maestra Fuss gefasst hatte, wurde ein Radiosender, Radio Rebelde, ins Leben gerufen. Mit diesem Sender wurde aus dem Osten der Insel für das ganze Land Informationen über die Revolution verbreitet. Nach dem Sieg übernahm die Revolution die nationalen Medien. Viele Besitzer von Zeitungen verliessen das Land, und die Revolution übernahm sie. Zudem wurde eine Zeitung von den SozialistInnen gegründet. Eine weitere Zeitung, La Revolución, wurde vom 26 Julio ins Leben gerufen. Diese beiden Zeitungen fusionierten zur nationalen Zeitung Granma, die bis heute existiert. Granma ist das offizielle Organ der kubanischen kommunistischen Partei. Daneben gibt es die Juventud Rebelde, die Zeitung der revolutionären Jugend. Und als dritte Zeitung mit nationaler Verbreitung die Periodico Trabajadores, die von den Gewerkschaften herausgegeben wird. Ausserdem gibt es spezialisierte Presse. Opciones fokussiert sich auf wirtschaftliche Themen. Ich selbst bin Herausgeber einer Zeitschrift mit dem Titel Cuba Internacional. Es gibt natürlich noch mehr Zeitschriften. Wegen der Blockade ist Papier in Kuba teuer, daher ist die Verbreitung von Zeitungen auch nicht so einfach. Eine weitere Möglichkeit, Informationen zu verbreiten, sind die Radios. Alle Provinzen verfügen über lokale Radio- und Fernsehsender und eine lokale Zeitung. Trotz der grossen ökonomischen Einschränkungen gibt es also eine relativ breit gefächerte Medienlandschaft. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, einer für Kuba wirtschaftlich sehr schwierigen Periode, musste zum Beispiel die Granma auf acht Seiten gekürzt werden, weil nicht mehr genug Papier vorhanden war. Viele kleinere Zeitungen verschwanden aus Mangel an Ressourcen. Und die Granma blieb als einzige täglich erscheinende Zeitung übrig. Ihre Auflage beträgt heute 400.000 Exemplare(1). Die Granma umfasst acht Seiten, freitags kommt jeweils eine erweiterte Ausgabe mit 16 Seiten heraus. Die meisten anderen Zeitungen umfassen auch 8 Seiten. Aus den Parteiorganen entwickelten sich die heutigen Medien, und sie entwickeln sich auch weiter.

rabs/agkkb: Wie ist das Verhältnis von kubanischen mit ausländischen Medien?

Pérez: Kuba verfügt über eigene Informationsquellen. Die täglich erscheinenden Medien, sei es gedruckt, Radio oder Fernsehen, empfangen sämtliche verfügbaren ausländischen Medien. Hier ist das Internet eine grosse Hilfe. Die kubanischen Medien versuchen, aus allen zur Verfügung stehenden Quellen eine eigene kritische Haltung herauszuarbeiten.

rabs/agkkb: In europäischen Medien wird oft der Vorwurf erhoben, die kubanischen Medien seien einer Zensur unterworfen. Kannst du dazu Stellung beziehen?

Pérez: Zensur gibt es nicht. Kuba ist unter ständiger Bedrohung, und das Land wird blockiert. Wir wollen natürlich dem Feind die Arbeit nicht abnehmen. Daher ist es möglich, dass in kubanischen Medien hin und wieder der Fehler begangen wird zu behaupten, alles sei gut. Natürlich ist nicht alles gut. Die verschiedenen Medien bieten die Möglichkeit, Kritik anzubringen, aber ich würde mir mehr kritische Stimmen wünschen. Die Zeitung der Partei widmet einmal pro Woche zwei Seiten den Meinungen der LeserInnen. Und diese sind sehr kritisch.

rabs/agkkb: Wie schätzt du die Bedeutung einer Zeitung wie dem aufbau für einen revolutionären Prozess ein?

Pérez: Solche kleinen Zeitungen sind der Samen. Dieser Samen wird wachsen, und ein starker Baum werden. Auch wenn eine kleine Zeitung unwichtig scheint, ist sie es nicht. In den kapitalistischen Ländern ist die alternative Presse, wie wir sie nennen, die einzige Informationsquelle abseits von offizieller Propaganda. Die kapitalistischen Medien verbreiten immer, was sie wollen und was ihren Interessen entspricht. Die Presse ist nie wirklich frei. Obwohl es möglich ist, alles zu drucken, haben nicht alle die finanziellen Mittel, um ihre Ideen zu verbreiten. Die BesitzerInnen der Medien drucken, was ihnen passt.

(1) Die Leute werden aufgefordert, Zeitungen auszutauschen, um ihre Verbreitung zu fördern.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 70, sept/okt 2012, Seite 9
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2012