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AUFBAU/326: Syrien - Die Allianz der Heuchler


aufbau Nr. 70, sept/okt 2012
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Die Allianz der Heuchler



SYRIEN Deutsche und amerikanische Thinktanks bereiten eine NATO-Aggression vor. Die Schweiz mischt durch Waffen, Geld und Kriegsdiplomatie mit.


(rabs) Aus den friedlichen Demonstrationen gegen das syrische Regime hat sich unter aktivem Zutun der imperialistischen Mächte und Saudiarabiens ein grausamer Bürgerkrieg entwickelt. Die säkulare und linke Opposition hat sich längst zurückgezogen und den Platz für international zusammengesetzte Söldnergruppen geräumt. Vor die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub gestellt, ziehen nicht wenige heute das Assad-Regime einem ultrareaktionären wahabitischen Gottesstaat nach saudischem Muster vor. Wohin dies führt, zeigt sich beispielsweise im Jemen. Die Totalvermummung der jemenitischen Frauen entspricht keineswegs der Tradition dieses Landes. Sie wurde durch das wahabitische Saudiarabien in den letzten Jahren durchgesetzt. Im Nordjemen besassen die Frauen bereits ein Jahr vor den Schweizerinnen das, Stimmrecht. Ohnehin mit den Männern gleichgestellt waren die Frauen im sozialistischen Südjemen.


Ein klassischer Stellvertreterkrieg

Der syrische Bürgerkrieg hat sich längst zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt. Die Türkei und Saudiarabien versuchen, mit dem Sturz Assads, den Einfluss Irans in der Region zurück zu drängen. Israel wünscht sich zwar den Sturz des im Grunde berechenbaren Assad keineswegs herbei, giesst aber nichts desto trotz unentwegt Öl ins Feuer. Immer konkreter werden israelische Angriffspläne auf den Iran, und offensichtlich soll diese längst geplante Kriegsfront nun eröffnet werden. Für die US-Regierung war die Destabilisierung Assads ohnehin nur der Auftakt zum Sturz der iranischen Regierung. Russland und China werden ihrerseits alles daran setzen, den US-Imperialismus und seine verbündeten Mächte daran zu hindern, weitere Vasallenregimes in der Region zu installieren. Wer auf einen Sturz der syrischen Regierung durch eine NATO-Intervention setzt, spielt ganz bewusst mit dem Risiko eines dritten Weltkrieges.


Portrait zweier Kriegstreiber

Offensichtlich traut aber niemand der zerstrittenen und vor allem im Ausland ansässigen syrischen Opposition neoliberalen Stils zu, die Macht nach einem allfälligen Sturz von Assad zu übernehmen. Anfangs März initiieren daher die deutsche Stiftung für Wissenschaft und Politik SWP, finanziert durch das Auswärtige Amt und das United States Institute of Peace USIP, ein Thinktank des US-Kongresses, das Propagandaprojekt "The Day After (TDA)". Unter der Führung der beiden Thinktanks sollen die mit den imperialistischen Mächten zusammenarbeitenden Teile der Opposition auf den "Tag danach" vorbereitet werden. Unverhohlen fordert die SWP die NATO auf, "in enger Absprache mit den Arabischen Staaten und humanitären Organisationen Vorbereitungen" für eine militärische Intervention zu treffen. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Gesinnungswandel der SWP-Projektleiterin Muriel Asseburg (Projektname: "Elitenwandel und neue soziale Mobilisierung in der arabischen Welt"). Im vergangenen August kritisierte sie die NATO-Intervention in Libyen noch als Fehler "in einen bewaffneten Machtkampf zwischen verschiedenen Gruppierungen in einem Land" einzugreifen. Heute tritt sie in Syrien umso energischer genau dafür ein. Hinter einem scheinbaren Positionswechsel steht das Interesse des deutschen Imperialismus, in diesem Krieg beim anschliessenden Aufteilen der neuen Pfründe nicht hinten anstehen zu müssen. Ins gleiche Kriegshorn stösst die USIP in den US-Medien.

Das Terrain ist medial vorbereitet und US-Aussenministerin Hillary Clinton nimmt die Parole vom "Tag danach" anlässlich ihres sommerlichen Treffens mit dem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu auf. Sie kündigt erstmals offiziell an, "den Sturz des syrischen Regimes" zu beschleunigen. Clinton droht Syrien mit einer Flugverbotszone, was de facto einer NATO-Aggression zur Durchsetzung des Verdikts gleichkommt. Pikantes Detail: Im medialen Windschatten dieser Kriegspropaganda versucht der türkische Ministerpräsident Erdogan, mit einer blutigen Militäroffensive, von der PKK besetzte ostanatolische Städte und Dörfer zurück zu erobern.


Schweizer Kriegsdiplomatie

Eher unklar ist die Motivation des Schweizer Aussenministeriums, das sich ebenfalls finanziell am Projekt "The Day After" beteiligt. Wie immer hat sich die Schweiz allerdings klar auf der Seite der imperialistischen Kriegstreiber positioniert. Bereits im August vergangenen Jahres ruft das Aussenministerium den Botschafter aus Damaskus zurück, im Mai wird die syrische Botschafterin in der Schweiz zur "persona non grata" erklärt.

Sehr erwünscht sind dagegen Waffengeschäfte mit notorischen Kriegstreibern wie Saudiarabien, Katar oder den Arabischen Emiraten. Nach den Gewehrpatronen in Libyen tauchten nun in Syrien Schweizer Handgranaten der Firma RUAG auf. Kein Grund zur Beunruhigung. Das SECO hat umgehend eine Untersuchungskommission gebildet, welche am Lieferort der Waffen, den Arabischen Emiraten, zusammen mit den dortigen Behörden der Sache nachgeht. Und, die Emirate wurden auch umgehend mit einem zweiwöchigen Lieferstopp für Kriegsmaterial bestraft. Im Falle der Waffenlieferungen nach Libyen traf Katar der eidgenössische Bannstrahl mit einem Lieferstopp von sechs Monaten. Nach dem Rekordjahr 2011 mit Waffenverkäufen in der Höhe von 873 Millionen Franken gibt es für das im Waffengeschäft engagierte Kapital, RUAG, Pilatus, Mowag und Rheinmetall Airdefence in der Tat wenig Gründe zur Zurückhaltung. Oder, um es mit Bert Brecht zu sagen: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.


KASTEN
 
Jeffrey Feltman - der Mann fürs Grobe

Gleich zu Beginn der Unruhen in Syrien ernannte US-Aussenministerin Hillary Clinton den Staatssekretär für den Nahen Osten, Jeffrey Feltman, zum Kontaktmann zur syrischen Opposition. Feltman verfügt über beste Beziehungen zum saudiarabischen Regime und gilt als Mann fürs Grobe. Er leitete das Büro der Übergangsregierung im Irak und war für Spezialaufgaben in den US-Botschaften in Haiti, Tunesien, Israel und dem Libanon tätig. Nur wenige Tage nach dem Sturz von Ben Ali reiste Feltman nach Tunesien, um den US-Einfluss auf das künftige Regime zu sichern. Zahlreiche DemonstrantInnen empfingen ihn mit Parolen wie "Go home, Feltman" und "gegen die Einmischung von Feltman in die tunesische Revolution". Auf Druck der USA wurde der Scharfmacher anfangs Juni dieses Jahres zum politischen Berater des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon ernannt. Damit geben die USA direkt den Takt für die UN-Politik im Nahen Osten an.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 70, sept/okt 2012, Seite 3
HerausgeberInnen:
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Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2012