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ANALYSE & KRITIK/458: Campingplatz La Revolución - Die besten Orte für den Sommer


ak - analyse & kritik - Nr. 562 - 17.6.2011
zeitung für linke Debatte und Praxis

Campingplatz La Revolución

Die besten Orte für den Sommer


Wohin soll's diesen Sommer gehen? Spanien? Griechenland? Tunesien? Schwierig, schwierig, in den Mittelmeerländern locken jede Menge neuer Urlaubsziele politisch interessierte Reisende! Das Wintercamp auf dem Tahrir-Platz ist zum Modell für den arabischen Frühling und nun für einen Protest-Sommer in Europa geworden. Nicht nur in Madrid und Barcelona, auch in Athen wird wild gezeltet. Und die missglückten Camping-Versuche in Paris, Hamburg und Berlin müssen nicht die Letzten gewesen sein.

Hinter dem Überspringen der Bewegungen und Aktionsformen über das Mittelmeer steckt die Erfahrung, dass "soziale und politische Teilhabe auch in Europa uneingelöste Versprechen sind", wie Raul Zelik in der taz schrieb. Dazu hat die deutsche Politik, die Krise auf dem Rücken ihrer Nachbarn zu lösen, einiges beigetragen. Privatisierungen, Entlassungen, Kürzungen gibt es bei wirtschaftlichem Leiden in Deutsch-Europa auf Rezept. Und wenn die Medizin nicht wirkt, noch einmal mehr vom Gleichen.

Die Politik nach dem Motto "Nach mir die Sintflut" hat nun eine ebensolche hervorgebracht: eine riesige Welle des Protests. Das Prekariat Europas schlägt in den Städten seine Zelte auf.

Wenn das Zeltlager als Ort der Revolte zurückkehrt, sollten auch die Traditionen revolutionären Reisens wiederbelebt werden. Vorbilder gibt es genug, in Theorie und Praxis: Flanieren und sich alles gut anschauen, schlug einst Walter Benjamin vor, umherschweifen und als Postboten der Revolution wirken, forderte Mao. Die Wanderungen revolutionärer Ideen und Taten waren jedenfalls schon immer eng mit den Reisen ihrer TrägerInnen verknüpft.

Also worauf noch warten? Auf geht's! Damit aus TouristInnen Reisende in Sachen Revolution werden und aus dem Sommerurlaub eine Schule der Bewegung, werfen wir einen Blick auf die besten Campingplätze der Saison. Seien Sie neugierig, und entdecken Sie ihren eigenen Lieblingsplatz!


Acampada Sol, Madrid - Place to be für Plaudertaschen

Schon im 18. Jahrhundert war die Puerta del Sol für ihre Klatschlokale berühmt - jetzt gibt es jeden Tag Versammlungen und Diskussionen zu allen Themen. Wer das Gespräch sucht, ist hier goldrichtig. Das "Tor der Sonne" ist ein Tor zur Freiheit geworden. Jetzt plant das Camp den Gang in die Fläche: Die Zelte sollen in die Stadtteile verlagert werden. Witzig: Das Denkmal an König Carlos III. thront über der Szenerie. Tipp: Lassen Sie sich im Massagezelt verwöhnen!


Plaza Catalunya, Barcelona - unglaublich relaxt

Verrückt nach Fußball: Vor dem Finalspiel Barcelona gegen Manchester zog die Security marodierend über den Platz im Herzen Barcelonas und verletzte zahlreiche Gäste. Der unberechenbare Sicherheitsdienst hat diese Campsite zu einem Magneten für Abenteuerlustige gemacht. Aber die Dauercamper auf dem Catalunya nehmen's gelassen. Vielleicht macht gerade das den Charme der Location aus. Tipp: Seien Sie immer auf Überraschungen gefasst.


Tahrir, Kairo - die Mutter der neuen Campingwelle

Lassen Sie sich mitreißen: Ein Besuch auf dem bekanntesten Campingplatz der Saison ist Pflicht für Kairo-Besucher! Vor allem freitags ist immer was los. Seit Februar funktioniert auch das Internet einwandfrei. Aber seien Sie auf der Hut vor Soldaten, trotz anfänglicher Begeisterung inzwischen echte Camping-Muffel. "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche." Tipp: Besuchen Sie unbedingt ein Konzert von Ramy Essam, dem Sänger der Revolution!


Syntagma, Athen - im Heimatland der Demokratie

Wer auf dem Syntagma seine Zelte aufschlägt, campt mitten im politischen Herzen Athens, dem Heimatland der Demokratie, mit Blick aufs Parlament. Die allabendlichen Schimpfattacken gegen die "Volksvertreter" sind ein Erlebnis der besonderen Art. Nur ein paar Stufen weiter unten ändert sich die Atmosphäre: Diskussionen zwischen jung und alt über die Zukunft der Demokratie. Tauchen Sie ein in die Stimmung absoluter Offenheit und Solidarität! Tipp: Deutschlandfahnen lassen Sie besser daheim.


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Quelle:
ak - analyse & kritik, Ausgabe 562, 17.06.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2011