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WISSENSDURST/031: Himmelsleiter Wissenschaft - ein Weg mit Kompromissen ... (SB)


Elektroautos `tanken' Strom - aus den Kohlekraftwerken?




Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Stefan und Ben dachten an ihre umfangreichen Nachforschungen über die verschiedenen erneuerbaren Energiequellen und sahen dabei etwas enttäuscht aus. Die Erkenntnis, die sie im Verlauf ihrer Untersuchungen gewonnen hatten, dass überhaupt keine Energie erzeugt werden kann, ohne zuvor und währenddessen große Mengen an Energie beziehungsweise an Rohstoffen zu verbrauchen, hatte sie sehr nachdenklich werden lassen. Wenn sie alles in einem großen Rahmen betrachteten, gelangten sie sogar zu der Erkenntnis, dass man genau aus diesem Grund gar nicht von `Energiegewinnung' sprechen kann.

Nun aber gibt es eine neue Entwicklung in Deutschland, die die beiden nur schwer verstehen können. Sie beunruhigt der Trend, unbedingt in ungeheurer Zahl Elektroautos zu bauen und auf die Straßen bringen zu wollen - am besten sogar selbstfahrende mit umfassender Kommunikations- und Steuerungstechnik. Und das scheint von so großer Bedeutung zu sein, dass die Käufer von E-Autos mit einer Prämie von 4000,-- Euro belohnt werden.

Ben: "Ich frage mich, warum es für unsere Regierung so wichtig ist, dass Elektroautos gebaut und verkauft werden, so wichtig, dass sie den Käufern eine große Summe Geld schenken. Es gibt doch schon fast nichts mehr, was ohne Strom funktioniert, warum müssen immer noch mehr Stromverbraucher produziert werden?"

Stefan: "Oh je, ich erinnere mich gerade an ein Gespräch mit meiner Oma. Obwohl sie noch nicht so wahnsinnig alt ist, ich glaube 60 oder 65, ist sie in einem Dorf aufgewachsen, in dem es keine Autos gab, keine Traktoren und sie selbst hatten kein fließend Wasser. Das mussten sie sich mit einer Pumpe aus dem Brunnen hochpumpen und in Eimern ins Haus tragen. Sie fand es ganz normal, dass sie keine Toilette mit Spülung hatten, sondern ein sogenanntes "Plumpsklo". Stell dir vor, keine Heizung - außer einem Ofen, in der Küche einen Herd, der mit Holz und Kohle befeuert und auf dem gekocht wurde, kein Telefon, keinen Fernseher. Nur ein Radio und elektrisches Licht hatten sie, das aber auch noch oft genug ausfiel, weil Stürme die Leitungen beschädigten. Meine Oma hat laut gelacht, als sie mein ungläubig, erstauntes Gesicht sah und gegluckst: "Und Computer gab es nicht mal in der Vorstellung!" Allerdings sagt sie auch, dass sie die vielen Dinge, die erfunden wurden und die die täglichen Arbeiten erleichtern, nicht missen möchte, aber sie sich doch sehr darüber im Klaren ist, welchen Preis wir dafür zahlen.

Ben: "Was meint sie damit?"

Stefan: "Na ja, zuallererst bedrückt sie die gewaltige Umweltzerstörung und weiter habe ich sie dann nicht mehr gefragt?"

Ben: "Schwer vorzustellen, so ein Leben fast ohne Strom. Hört sich an, wie aus grauer Vorzeit. Allerdings zeigt das, wie schnell die Entwicklung von elektrischen Geräten und dem steigenden Strombedarf vonstatten gegangen ist - innerhalb eines Menschenlebens von quasi Null auf Hochgeschwindigkeit. Wie gesagt, ich begreife den Hype auf die Elektroautos nicht. Wir hatten uns doch schon mal damit beschäftigt [1] und festgestellt, dass sie gar nicht so umweltfreundlich sind, wie es angepriesen wird."

Stefan: "Ich hab 's, Ben. Es geht ja darum, den CO2-Ausstoß zu verringern. Dazu müsste der Strom doch vollständig aus erneuerbaren Energien stammen. Das ist aber nicht der Fall. Ich glaube, der größte Teil der Elektrizität in Deutschland wird in Kohlekraftwerken erzeugt, ein Drittel aus *Wind-, Sonne-, Biogas-, Wasserkraftwerken - ich glaube das sind sie - und ungefähr 14 Prozent aus Atomstrom. Bislang fährt vielleicht das E-Auto ohne Abgase, aber der Strom den es braucht, der verursacht den CO2-Ausstoß."

Ben: "Und du meinst, wenn man das nicht hinkriegt, also, die Erzeugung von Strom durch 100 Prozent erneuerbare Energien, dann erhöht sich erstmal der CO2-Ausstoß durch die vielen neuen Elektroautos?"

Stefan: "Könnte doch sein. Vielleicht läuft aber auch alles darauf hinaus, dass wieder Atomkraftwerke ans Netz gehen sollen! Wenn immer mehr E-Autos, E-Bikes, elektrische Rollschuhe oder `Elektrisch-betriebene-was-auch-immer' gebaut und verkauft werden, dann hat man auf diese Weise eine Not geschaffen. Alle wollen Strom für ihre Geräte und dann müssen wieder die Atomkraftwerke angestellt werden, denn die alternativen Energieanlagen stellen noch nicht ausreichend Elektrizität bereit und Kohlekraft geht nicht, wegen des CO2-Ausstoßes!"

Ben: "Oder eben doch, ich meine, wenn einfach gesagt wird, dass es anders nicht geht. Man droht dann damit, ansonsten Atomkraftwerke wieder anzuschalten, oder gar nicht erst stillzulegen ... , weil eben soviel Energie gebraucht wird. Aber warum nur soll der Energieverbrauch bei uns unbedingt gesteigert werden? Es sind ja nicht nur die E-Autos, auch all die anderen Geräte, die neuerdings erfunden und gebaut werden, die nur mit Strom funktionieren?

Na ja, sie werden gekauft, sonst macht das keinen Sinn, sie herzustellen. Und warum kaufen wir all die elektrischen Geräte - weil sie bequem sind, weil sie jeder hat. Also, zum Beispiel Smartphone, Tablet und all unsere Geräte, die mit Akku laufen ... Erinnerst du dich noch an den Stromausfall in unserem Stadtteil, da ging gar nichts mehr ..."

Stefan: "... und genau da war mein Akku leer. Ich habe da das erste Mal richtig gemerkt, dass wir total abhängig vom Strom sind, irgendwie völlig blockiert?"

Ben: "Kein Radio, kein Fernsehen, keine Heizung - boah, war das kalt -, kein Licht, die Kühltruhe hat sich abgetaut, die Waschmaschine stand mitten im Programm still, und meine Mutter hat gleich gesagt, dass es kein warmes Essen gibt und sie auch keinen Tee oder Kaffee kochen kann, was sie besonders geärgert hat."

Stefan: "Genau, da haben wir beide doch mit deinen Eltern bei Kerzenlicht Brettspiele gespielt, `Mensch ärgere dich nicht' und `Mühle'. Ein Glück, dass ihnen so etwas eingefallen ist. Ach, und mein Gang zur Toilette mit Kerzenlicht, oh je. Da hat dein Vater doch noch gesagt, dass wir sparsam mit dem Wasser umgehen sollen, denn wenn der Strom länger weg bleibt, gibt 's auch kein Wasser mehr ..."

Ben: "Daran und an vieles andere hatte ich bis dahin nicht gedacht. Eigentlich ist es doch total erschreckend so abhängig von der Elektrizität zu sein."

Stefan: "Aber genau das ist es! Wenn man sich überlegen würde, ob man wirklich nicht in der Lage ist, sich die Zähne ohne Strom zu putzen, die Eier ohne Eierkocher zu kochen, ob man das Messer einfach so benutzt ohne elektrischen Antrieb und vieles mehr, dann würde weniger von dem Zeug verkauft und produziert werden."

Ben: "Ja, schon, aber ich glaube, um auf das E-Auto zurückzukommen, dass wirklich große Stromverbraucher hergestellt werden sollen, damit von vielen Menschen viel Strom verbraucht wird. Wie hoch mag der Stromverbrauch sein, wenn alle Autos mit Verbrennungsmotoren durch E-Autos ersetzt werden? Ich hab' gehört, dass einige Politiker sogar fordern, die herkömmlichen Autos zu verbieten. Was geschieht dann mit ihnen?" Und was bedeutet das überhaupt, wenn ab jetzt viele Millionen E-Autos neu gebaut werden, ich meine an Energie- und Rohstoffverbrauch?"

Stefan: "Und da sind wir wieder bei der Frage: Warum? Also, ich könnte mir vorstellen, dass die Stromanbieter immer mehr Strom verkaufen wollen? Und alle Menschen müssen ihn kaufen, weil sie ihn mittlerweile dringend brauchen, denn sonst funktioniert gar nichts mehr im Haus."

Ben: "Und noch mal zu den Autos? In der Stadt gibt es doch öffentliche Verkehrsmittel, da bräuchte man doch keine, weder E-Autos noch Benziner. Und wenn man weitere Strecken fahren will, kann man sich doch ein Auto leihen oder teilt sich eines mit mehreren Leuten, was weiß ich, es gibt bestimmt viele Möglichkeiten."

Stefan: "Irgendwie glaube ich auch, dass die Ingenieure in der Lage sein müssten, die Autos so zu bauen, dass sie extrem wenig Treibstoff verbrauchen und nur ganz wenig CO2-ausstoßen."

Ben: "Mag sein, so schnell werden wir keine Antwort bekommen. Ich hab das Gefühl, dass einiges schief läuft. Aber ich krieg' das nicht genau zu fassen, ich begreife vieles einfach nicht."

Stefan: "Geht mir auch so. Aber Stoff zum Nachdenken haben wir jedenfalls reichlich."


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.heise.de/tp/features/Einfach-nur-aufladen-reicht-nicht-3360617.html

https://www.oeko.de/presse/archiv-pressemeldungen/2016/gewerblich-genutzte-elektrofahrzeuge-im-kostencheck-neuer-onlinerechner/

http://www.strom-magazin.de/info/stromerzeugung-in-deutschland/


16. November 2016


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