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WISSENSDURST/012: Fracking und viele Fragen (SB)


Eine umstrittene Technologie weckt ihre Neugier


Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Stefan und Ben schlenderten am Sonnabend Nachmittag in der Stadt herum. Irgendwie wussten sie noch nicht so genau, ob sie sich eine DVD ansehen oder ins Freibad gehen wollten. Zufällig gerieten sie in eine Demonstration. Sehr viele Menschen hatten sich versammelt und zogen in einem langen Tross in Richtung Rathaus. Neugierig lasen die beiden die Transparente: "Kein Fracking in Deutschland!" - "Stoppt Fracking!" - "Fracking - Nein Danke!" und ähnliche Parolen waren darauf zu sehen.

Ben: "Was haben wir denn jetzt schon wieder verpasst? Weißt du, was Fracking ist?"

Stefan: "Nee, nie gehört. Aber da hinten, da stehen Leute an
Info-Tischen, lass uns mal rüber gehen."

Ben: "Okay, bin ja gespannt."

Als sie dort ankamen, wurden sie Zeugen eines heftigen Austausches an Argumenten. Ein Herr in Anzug und Brille hatte sich sichtlich aufgeregt. Zum Glück blieb die Frau hinter dem Info-Tisch ruhig und sachlich. Sie hörte sich an, was der Herr zu sagen hatte, und unterbrach ihn nicht. Das ließ ihn allmählich ruhiger werden.

"Wir brauchen aber doch die Energie. Und wenn hier in unserem Land Gasreserven lagern, die wir nur zu fördern brauchen, dann müssen wir das doch nutzen", endete er seine Rede.

"Ja?", die Frau legte den Kopf schief, "und wenn wir das Ganze nun einmal ganz kaufmännisch durchdenken, also danach fragen, welchen Einsatz, welchen Aufwand wir betreiben müssen, um an diese Gaslager zu gelangen und in welchem Verhältnis der Nutzen dazu steht, ergibt sich ja vielleicht, dass der Aufwand viel zu groß ist. Zunächst wäre es doch erforderlich, die zu erwartende Energiemenge möglichst genau abzuschätzen. Sind diese Mengen wirklich so riesig, dass sich eine Förderung rechnet? Außerdem sollte man die Technologie, die zur Förderung nötig ist, untersuchen. Wie teuer ist sie? Wie sicher ist sie? Sind negative Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten, welche und wie viele Ressourcen werden verbraucht und so weiter ..."

Der Mann war zunächst sprachlos und es war deutlich, dass er keine Lust hatte, sich so weitgehend mit dem Thema zu beschäftigen. Er wendete sich mit den Worten ab: "Wir brauchen aber dieses Gas, damit wir unabhängig sind vom Öl, warum begreifen Sie das nicht?" Dann überquerte er den Rathausplatz und verschwand in der Menge.

Stefan und Ben sahen sich an und schüttelten gleichzeitig den Kopf. Das muss wohl lustig ausgesehen haben, denn die Frau hinter dem Info-Tisch lachte: "Na, sagt lieber gleich, ob ihr euch über mich oder den Herrn amüsiert."

Stefan: "Nee, nee, wir wundern uns nur, der hat Ihnen ja gar nicht zugehört."

Frau: "Oh, das ist mir vertraut. Viele Menschen beharren auf ihrem Standpunkt - da hilft auch keine noch so umfassende Aufklärung oder Gesprächsbereitschaft, leider."

Ben: "Also, wir wollten eigentlich gern wissen, was dieses Fracking ist. Wir sind nämlich total ahnungslos und deshalb, also nix-wissen heißt fragen ..."

Frau: "Tja, ich glaube, da kann ich euch weiterhelfen", bot sie gleich an und kramte ein paar Broschüren zusammen. "Bevor ich euch hier zutexte und ihr nur die Hälfte von dem behaltet oder versteht, was ich sage, lest das doch bitte erstmal", dabei reichte sie Ben den kleinen Stapel. "In der nächste Woche sind wir auf dem Marktplatz mit unserem Info-Tisch. Dann könnt ihr konkrete Fragen stellen. Wie wäre das?"

Stefan und Ben: "Okay, klingt vernünftig. Danke schön!",
verabschiedeten sie sich zu gleich.

Als sie schließlich in Stefans Zimmer landeten, räumten sie sich einen Platz auf seinem Bett frei und breiteten ihre Beute vor sich aus. Jeder nahm eine Broschüre in die Hand und begann zu lesen. Nach einer ganzen Weile sah Stefan zu Ben hinüber: "Alles klar?"

Stefan: "Eh, das ist ja Wahnsinn! Die können anscheinend um die Ecke bohren!" Stefan kratze sich am Kopf und Ben lachte, denn innerhalb kürzester Zeit waren seine Haare total verwuschelt.

"Hallo, Einstein", neckte Ben ihn.

Stefan grinste, der Vergleich mit Einstein war nicht der schlechteste. "Und wie kriegt man nun das Gas nach oben, ich meine, Öl ist flüssig, das begreife ich grad noch, das wird mit Pumpen hochgepumt, oder? Aber Gas - das entweicht doch sonstwohin? Wie fängt man das ein, äh, auf?", redete er aufgeregt weiter.

Ben: "Moment, eins nach dem anderen, erst müssen wir das Gas mal haben. Warte mal, hier steht was von Fracking-Flüssigkeit." Er sah kurz zu Stefan hinüber: "Ich lese das mal eben, Moment." Nach einer Weile: "So, ich glaube, ich verstehe, wie das funktionieren soll. Ich fasse zusammen: Wenn ein Gasförderunternehmen einen Platz ausfindig gemacht hat, an dem Gasreserven sein sollen, beginnen sie mit dem Bohren. Und das läuft so ab: Sie stellen einen Bohrturm auf, von dem aus sie tief in die Erde bohren, so ungefähr zwischen 500 und 2500 Meter. Unter Umständen kann auch eine tiefere Bohrung nötig sein, etwa 3000 - 4000 Meter. Wenn der Bohrer die Gesteinsschicht mit dem Gasvorkommen erreicht hat, wenden sie den Bohrer mit Hilfe einer speziellen Technologie in die horizontale Richtung, also quer.

Stefan: "Steht da vielleicht auch, warum horizontal gebohrt wird? Sonst bohrt man doch immer tiefer und tiefer."

Ben: "Mist, hier steht nur wie die Technik funktioniert, nicht warum man sie für dieses Gas, dieses Schiefergas, benutzen muss. Dabei fällt mir auf, ich weiß auch gar nicht was das Wort bedeutet."

Stefan: "Hä?"

Ben: "Ja, ich weiß weder was das Wort "Fracking" bedeutet, noch was Schiefergas ist. Das muss ja irgendwie anders sein, als normales Gas. Lass uns das doch zuerst mal raussuchen."

Sie blätterten die Broschüren durch, und tatsächlich fanden sie auch eine Erklärung. Sie hielten beide ihre Köpfe über das Papier und lasen still vor sich hin.

Stefan: "Okay, das Wort stammt aus dem Englischen Hydraulic Fracturing, was auf Deutsch hydraulische Frakturierung heißt. Die anderen Begriffe sparen wir uns jetzt mal, ich meine, so was wie Hydrofracking oder Fracking."

Ben: "Ja, nee, einigen wir uns lieber auf Fracking, das ist kürzer und die Frau am Info-Tisch hat das auch benutzt."

Stefan: "Okay, aber was bedeutet das Wort? Ach, hier, warte: to fracture heißt auf deutsch 'aufbrechen' oder 'aufreißen'. Gut, das wäre klar so weit. Aber nun wieder zurück zu der Querbohrung, dieser Horizontalbohrung. Warum wird die gemacht? Was wird aufgebrochen?"

Beide lasen weiter. Nach einer Weile meinte Ben: "Ich glaub', ich hab 's. Also, das Gas sammelt sich normalerweise unter der Erde in größeren Mengen an. Dort kann man einfach in die Tiefe bohren, bis man auf so ein Gasreservoir trifft. Aber das Gas, das mit dem Fracking gefördert werden soll, befindet sich in den kleinsten Zwischenräumen von Schiefergestein - deshalb wohl auch Schiefergas. Und um das da raus zu bekommen, musste eine bestimmte Technologie entwickelt werden - eben die, eben das Fracking."

Stefan: "Und die sieht wie aus? Ich verstehe nämlich noch nicht, warum denn hier horizontal gebohrt wird."

Ben: "Also, erst mal wird ganz normal in die Tiefe gebohrt, in der das Gas vermutet wird. Dann steht hier, dass das entstandene Bohrloch mit Stahlrohren ausgelegt wird, die wiederum mit Zementschichten ummantelt werden."

Stefan: "Mal ganz praktisch, wie kriegen sie denn so ein Rohr dort hinein, das ist doch viel zu lang, oder?"

Ben: "Tja, das soll man sich vorstellten wie - moment - teleskopartig? Also, ich denke, das Rohr hat mehrere Rohre in sich, die dann eins nach dem anderen ausgefahren werden können und weiter und weiter in die Tiefe reichen. Dann wird ein weiteres Stahlrohr hinuntergelassen, als Ummantellung und dazwischen wird eine Zementschicht gegossen. Hier auf dem Bild gibt es vier Stahlrohrschichten mit drei Zementschichten. Wow, was für ein Aufstand."

Stefan: "Ist doch gut, soll ja die Trinkwasserschichten schützen, glaub' ich."

Ben: "Ja, stimmt. Weiter. Wenn das alles fertig ist, fräst sich der Bohrer in die horizontale Richtung weiter in das Gestein. Und nun kommt 's. Jetzt wird von oben hinab eine Perforationskanone bis in den unteren Bereich gelenkt und die haut Löcher in das Stahlrohr - sie perforiert das Stahlrohr. Mann, muss da eine Power hinter sitzen ..."

Stefan: "Und wozu sind die Löcher da?"

Ben: "Stefan, jetzt wird es abenteuerlich. Das glaubst du nicht."

Stefan: "Oh, doch, ich kann ja auch lesen. Moment, ich muss nur mal die Abschnitte durchsehen. Ah, ja, hier steht es. Jetzt kommt nämlich die Frac-Flüssigkeit ins Spiel - und warte, bevor du fragst, die besteht aus Wasser, Sand und ein paar Chemikalien. Diese Mischung wird nun mit irrsinnigem Druck in das Bohrloch gedrückt, wodurch sie durch die Löcher in dem Stahlrohr ins Gestein gepresst wird und dabei dort Risse verursacht. Kleine, feine Risse." Stefan schüttelte den Kopf und meinte: "Also, ich bin bestimmt kein Bergmann, aber wenn ich in Gestein schlage, um, was weiß ich, einen Schacht zu bauen, dann muss ich den doch abstützen, damit er nicht einstürzt. Das Gewicht der Steine fällt doch sofort in die Lücke. Wird das dort nicht genau so sein, ich meine natürlich, werden die Risse nicht wieder zusammengedrückt?"

Ben: "Guter Gedanke, wirklich gut, ich weiß aber keine Antwort. Lass uns mal weitersuchen."

Mutter: "Stefan, Ben, kommt mal runter, gibt Abendessen!"

Ben: "Verflucht, wie spät ist das denn? Wir haben doch grad erst angefangen ..." Er sprach nicht weiter, raffte seine Sachen und rief beim Hinausgehen: "Hab versprochen heute bestimmt pünktlich zum Abendbrot zu Hause zu sein. Wir sehen uns morgen. Tschüß!"

Fortsetzung folgt ...

Die Grafik zeigt die für das Fracking notwendige vertikale und horizontale Bohrung durch die Erd-, Grundwasser- und Gesteinsschichten - Grafik: © 2013 by Schattenblick

Grafik: © 2013 by Schattenblick

17. Oktober 2013