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PONYFREUND/007: Satteln ohne Qual (SB)


Satteln ohne Qual

... ohne Streß für Pferd und Reiter


Tag Leute,

könnt ihr euch vorstellen, daß manche meiner Kameraden in Mietställen oder Ponyhöfen geradezu kopfscheu werden, wenn sie dieses blöde, schwere, steife Ding erblicken, das die Menschen - na, wie heißt es noch - Sattel nennen. In manchen Pferdebetrieben ist unsereiner leider bloß ein besserer Tennisschläger oder Rollschuh, der zur Benutzung der Reitanlage mitverliehen wird. Da geht's dann den ganzen Tag: Rummms, Sattel rauf, rummmms, Mensch rauf, hoppel, hoppel hoppel, rumms, Mensch runter, Sattel runter ... und kaum, daß der Kollege noch Luft schnappen kann: Rumms, Sattel wieder rauf...
Das ist doch zum junge-Hunde-Fohlen - und das als Hengst! Welcher Ponyfreund kann so ein Pferdeleben gutheißen? Noch zumal ein derart rabiater Umgang mit unserem empfindlichen Pferderücken, der eigentlich überhaupt nicht zum Reiten gedacht ist (oder wer sollte auf einem Wildpferd reiten, hä?), sehr bald seine Spuren hinterläßt (über Satteldruck habe ich ja schon in
PONYFREUND/003: Mit Striegel & Kardätsche - Striegeln nach Vorschrift?"
berichtet).

Dabei läßt es sich mit den richtigen Menschen, die es zu schätzen wissen, daß wir ihnen zuliebe gewisse Zugeständnisse machen, ganz gut auskommen. Meine Sabine zum Beispiel geht ausgesprochen sanft und lieb mit meinem Rücken um. Sie hat so eine Art, mir die Kruppe und den Widerrist zu kraulen ... und ehe ich noch aus meinem Wohlbehagen erwache, liegt der Sattel schon am richtigen Platz. Sie springt auch dann noch nicht sogleich in den Sattel, wie das manche unvorsichtige Reiter tun sollen, sondern sie läßt mir immer - auch wenn wir täglich trainieren - ausreichend Zeit, mich an sein Gewicht zu gewöhnen und meine Bewegungen auf die zu erwartende Zusatzbelastung - sprich `Reiter' - einzustellen. Wir gehen also immer erst ein Stück zu Fuß und dann erst sitzt sie auf. All das ist keine übertriebene Vorsicht, sondern erfüllt ihren Zweck. Um das Reitergewicht überhaupt tragen zu können, muß die Pferdewirbelsäule nämlich in eine bestimmte Wölbung nach oben gebracht werden, damit der Rücken trotz Reiter elastisch bleibt. Darüber werden Sabine und ich jedoch später noch mehr erzählen, denn das bedarf einiger Erklärungen.

Heute sollte euch genügen, daß der Pferderücken allmählich steif wird, daß also regelrecht Wirbel zusammenwachsen, wenn ein Pferd ständig ohne diese Vorbereitung schwere oder ungeschickte Reiter tragen muß. Denn ein Pferderücken ist - wie ich schon sagte - eigentlich wirklich nicht zum Reiten gedacht. So, nun soll Sabine auch mal zu Wort kommen, ich red' mir hier das Maul schaumig, und sie ist schließlich der Reiter ...


*


In den letzten Folgen haben Silver und ich das Putzen und Aufzäumen beschrieben. Als nächstes ist nun das Auflegen des Sattels an der Reihe. Auch wenn ich davon ausgehen kann, daß mein Pferd gründlich geputzt ist, kontrolliere ich immer noch einmal die gesamte Auflagefläche des Sattels, die sogenannte Sattellage, indem ich sanft darüberstreiche und auf kleine Verletzungen oder Schorf achte. Besonders Pferde, die im Freien gehalten werden oder sich vielleicht auch mal eine Rauferei mit ihren Weidegefährten gönnen ("Hört, hört ...", S.) können z.B. unter ihrem dicken Winterfell unbemerkt Verletzungen haben, die auf keinen Fall weiter belastet werden dürfen, sonst entsteht der gefürchtete Satteldruck. Diese zusätzlichen Streicheleinheiten genießt jedes Pferd und ihr entwickelt ein Gefühl dafür, ob und wann sich euer Pony oder Pferd wohl fühlt. Jetzt können wir mit dem Satteln beginnen.

Während der Vorbereitungen ist der Sattel ordentlich auf einem entsprechenden Sattelhalter aufgehängt. Es können natürlich auch der Weidenzaun oder das Gatter sein, wenn Ihr im Freien sattelt. Achtlos auf den Boden geworfen, kann nicht nur das Leder zerkratzt werden, sondern unter Umständen bleiben auch dabei Strohhalme und Dreckpartikelchen an der Unterseite hängen, die später die Haut in der Sattellage wundscheuern können.

Zunächst muß man dafür sorgen, daß die Bügel an den Riemen hochgezogen sind und der Sattelgurt über die Sitzfläche des Sattels geschlagen ist - so sollte ein Sattel übrigens immer aufbewahrt werden. Soll eine Satteldecke verwendet werden, wird diese zuerst aufgelegt und zwar so, daß sie gut über den Widerrist reicht. Dann hebt man den Sattel mit beiden Händen an Vorderzwiesel und Sattelkranz an, d.h. vorn und hinten, hebt ihn vorsichtig auf den Pferderücken - nicht mit Schwung hochwerfen - und schiebt ihn leicht mit dem Haarstrich, nie gegen den Strich, zur Rückhand (die Hinterbeine) hin in die Sattellage. Das ist die tiefste Stelle des Pferderückens. Achtet darauf, daß auch die Satteldecke glatt liegt und vorn am Widerrist genügend Luft ist.

Der Sattel muß genau in der Sattellage liegen, darf also weder zu weit nach hinten in Richtung Nieren rutschen, noch vorne auf die Schulter drücken. Das hört sich komplizierter an als es ist. Bei den meisten Pferden rutscht der Sattel schon von selbst an den richtigen Platz. Nur bei jungen, pummeligen Pferden, die noch ihren Fohlenspeck haben, oder bei Pferden, die lange Zeit nicht geritten wurden und an "falschen" Stellen Fettpolster angelegt haben, kann es größere Schwierigkeiten geben, die richtige Lage für den Sattel zu finden. Dann empfiehlt es sich immer, einen erfahrenen Reiter zu fragen, ehe man den Gurt strammzieht.

Das alles macht man gewöhnlich von links, was z.B. bei größeren Pferdebetrieben den Vorteil hat, daß die Tiere sich an ein bestimmtes Ritual gewöhnen können und daß die Riemen und Schnallen an den Sätteln und am Zaumzeug immer auf der entsprechenden Seite offen sind. Silver würde sagen, es dient der Massenabfertigung in Mietställen. Eigentlich haben diese ganzen Vereinbarungen jedoch einen militärischen Ursprung. Im Krieg mußten die Tiere wissen, was auf sie zukommt, wenn zum Aufsatteln geblasen wurde und alles mußte am rechten Fleck sein, damit es entsprechend schnell ging und jeder Mensch und jedes Pferd jederzeit ausgetauscht werden konnten.

Gut, der Sattel liegt in der richtigen Lage. Jetzt gehe ich um mein Pferd herum und ziehe den Gurt vorsichtig herunter. Nun zurück auf die linke Seite, unter dem Pferd nach dem Gurt greifen und locker "festgurten". Dafür führt man ihn unter das Sattelblatt und befestigt ihn lose an den dafür vorgesehenen Gurtstrupfen oder -laschen. Richtig festgeschnallt werden soll der Gurt erst nach dem Aufsitzen des Reiters aus dem Sattel und ein weiteres Mal, wenn das Pferd eine Weile gegangen ist.

Pferde, bei denen der Gurt sofort sehr stramm angezogen wird, können "Sattelzwang" bekommen - das heißt, sie krampfen oder werfen sich sogar auf den Boden. Das ist für Pferde ein unglaublicher Schock und nicht minder für den beteiligten Reiter.
Um es gar nicht erst zu Verkrampfungen kommen zu lassen, soll mein Pferd vor dem Aufsitzen erst einmal entspannt ausschreiten. Dadurch wird, wie Silver schon sagte, die Rückenmuskulatur und Bauchmuskulatur angeregt und vorbereitet. Ponys haben außerdem die Neigung, ihren Bauch regelrecht aufzublasen. Nach ein paar lockeren Schritten werden sie wesentlich "schlanker" und ein Sattelgurt, der gerade noch im letzten Loch zu fassen war, kann richtig nachgezogen werden. Allerdings erst nach dem Aufsitzen. Vor dem Festschnallen ein letzter Check. Sitzt alles richtig, liegt der Gurt etwa eine Handbreit vom Ellenbogengelenk des Pferdes entfernt? Drückt nichts?

Das Nachgurten aus dem Reitersitz muß man mit einem geduldigen Pony üben oder sich von einem Freund helfen lassen, denn es ist für einen Anfänger nicht unbedingt leicht, dabei das Gleichgewicht zu behalten. Hierauf kommen wir jedoch im nächsten PONYFREUND zurück, wenn es endlich ans Aufsitzen und losreiten geht.


Beim Absatteln und Abtrensen wird einfach in umgekehrter Reihenfolge verfahren. Gleich nach dem Absitzen werden die Steigbügel in den Riemen hochgeschoben und die Schlaufen noch einmal durch die Steigbügel gesteckt. Wie das genau gemacht wird, müßt Ihr Euch zeigen lassen. Wer das einmal gesehen hat, vergißt es nicht mehr.

Zunächst wird der Sattel abgenommen. Gurt lösen, vorsichtig auf der anderen Seite herunterlassen, daß nicht die Schnallen an die Pferdebeine schlagen. Den Sattel am Widerrist leicht anheben und vom Rücken ziehen. Dann den Gurt, den man ebenfalls über den Pferderücken hinterherzieht, wieder über die Sitzfläche des Sattels legen und den Sattel wieder auf den entsprechenden Ständer hängen. Anschließend werden Satteldecke oder Unterlage abgenommen und über den Sattel gelegt. Vor allem sollte man kontrollieren, ob der Sattel irgendwo gescheuert hat; dies passiert besonders leicht an den Vorderbeinen des Pferdes direkt hinter dem Ellenbogen oder am Widerrist. Muß der Sattel ein Stück getragen werden, legt man ihn am besten über den Unterarm.


*


So, nun ist aber Schluß. Wenn Sabine so in ihr Fahrwasser gerät, dann kann ich sie immer nur noch mit roher Gewalt vom Fachsimpeln abhalten. Jetzt ist es aber wirklich Zeit für meine Gutenacht-Möhre und einen dicken Ballen Heu.

Bis bald mal, Euer Silver



Erstveröffentlichung im Jahr 2000

6. April 2009