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PFLANZEN/060: Wald erzählt - wenn die Bäume baden geh'n ... (SB)



Pflanzen haben nahezu alle Landmassen auf der Erde besiedelt. Sie sind zu erstaunlichen Anpassungsleistungen in der Lage. Doch auch in den Gewässern, ob in Süß-, Brack- oder Meerwasser, sind sie zu finden. Besondere Aufmerksamkeit soll hier jenen Gewächsen gelten, die im Salzwasser an den Küstengebieten der Meere wachsen. Eine ökologisch wichtige Rolle spielen die Mangroven. Die großen, weiträumigen Mangrovenwälder, die zum einen den Küstenstreifen befestigen und zum anderen einen Schutz gegen die Gewalt der Meeresbrandung bieten, sind nur in Gebieten mit Wassertemperaturen, die nicht unter ca. 20°C sinken, anzutreffen. Wozu diese Pflanzen in der Lage sind und welche Bedeutung sie für Umwelt und Klima haben, wird im Folgenden beleuchtet.


Ein Leben zwischen den Gezeiten, zwischen Land und Meer

Der Boden, der vom Wasser immer wieder überspült wird, ist nicht besonders fest und den meisten Pflanzen bietet er nicht ausreichend Halt. Der Mangrovenbaum hat jedoch besondere Wurzeln ausgebildet, die sogenannten Stelz- oder Brettwurzeln, die ihm auf dem weichen, sumpfigen Boden Standfestigkeit verleihen. Stelzwurzeln stützen den Stamm des Baumes. Brettwurzeln sind flach, breitflächig und in etwa sternförmig um den Stamm angeordnet und auch sie stabilisieren ihn. Schwebstoffe werden zwischen den vielen Wurzeln aufgefangen und sinken zu Boden. Damit tragen sie zur Befestigung des Untergrundes bei. Da die Wurzeln sich, je nach Gezeitenwechsel (Ebbe und Flut), teils lange Zeit unter Wasser befinden, haben sie eine spezielle Fähigkeit entwickelt. Sie können das Salz aus dem Meerwasser aufnehmen und auch wieder absondern. Auf diese Weise nutzen sie das entsalzene Wasser zum Wachsen.


Wurzeln und Blätter

Die Wurzeln sind, je nach Mangrovenart (Schwarz-, Rot- oder Weißmangroven) unterschiedlich salztolerant, das heißt, sie sind unterschiedlich gut in der Lage das Meersalz aufzunehmen und abzuscheiden. Daher sind sie nur entsprechend ihren Fähigkeiten an bestimmten für sie geeigneten Küstenregionen zu finden, wie beispielsweise an den Küsten Südamerikas, Afrikas und Südostasiens. Viele Mangroven bilden Atemwurzeln aus, die die Pflanze mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft versorgen. Sie ragen mehrere Zentimeter aus dem sauerstoffarmen Boden hinauf und sind mit feinsten Poren versehen, die nur für Gase, nicht aber für Wasser durchlässig sind. Während der Ebbe kann Luft in sie eindringen, mit der die Pflanze bei Flut mit dem nötigen Sauerstoff versorgt werden kann.


Oberhalb stehen die Laub tragenden Bäume, unter Wasser ihre vielen kräftigen Wurzeln - National Oceanic and Atmospheric Adminstration (public domain), via Wikimedia Commons

Mangroven: das Wurzelsystem unter Wasser
National Oceanic and Atmospheric Adminstration (public domain), via Wikimedia Commons


Andere Arten entledigen sich des überschüssigen Salzes über ihre Blätter, die mit speziellen Drüsen versehen sind, über die die Ausscheidung stattfindet. Eine andere Möglichkeit der Pflanze besteht darin, das Salz in den dickfleischigen (sukkulenten) Blättern anzusammeln. Diese Mangrovenart wird das angesammelte Salz los, wenn das Blatt zu Boden fällt.

Eine weitere Besonderheit dieser Pflanze ist die Vermehrungsart. Ihre Samen würden in dem sumpfigen, bewegten Wasser keinen Halt finden. Deshalb entwickeln sie sich an der Mutterpflanze bereits zu Keimlingen, die bei einer erreichten Größe von mehreren Zentimetern von ihr abfallen und sich in den Boden bohren. So verankert können sie den Gezeitenströmen standhalten und wachsen.


Mangroven - Schutzraum für Mensch und Tier

Dass die Mangroven in der Lage sind, in diesen Land-Wasser-Grenzregionen zu wachsen, hat viele Vorteile für Mensch und Tier. Zwischen den Wurzeln suchen kleine Fische, Krebse oder Garnelen Zuflucht. Mangroven bieten nicht nur Schutz, sondern auch Nahrung für viele Tiere, wie Krebse und für nahezu 3.000 Fischarten. Für diese Tiere sind sie Lebensraum und Kinderstube. Garnelen beispielsweise beginnen ihr Leben im offenen Meer. Das Weibchen legt ca. 100.000 Eier ab und innerhalb von 24 Stunden schlüpfen die Larven. Etwa zwei Wochen dauert es, bis sie in die küstennahen, nährstoffreichen Gewässer schwimmen, wo sie sich im Schutz der Mangrovenwälder zu ausgewachsenen Garnelen entwickeln.

Die Bewohner der Küstenregionen leben hauptsächlich vom traditionellen Fischfang. Sie sind auf den Fortbestand der Mangrovenwälder angewiesen, da die Mangroven die Brutstätte für viele Weichtiere, Krebstiere, Insekten und Fische sind. Ohne diesen Lebensraum würde beispielsweise der Fischbestand stark verringert werden oder ganz ausfallen. Auch für die Garnelen bedeutet das Fehlen des Mangrovenwaldes das Ende.

Von der einheimischen Bevölkerung dieser Regionen wird das Mangrovenholz als Bauholz genutzt, zu Holzkohle verarbeitet oder direkt als Brennholz verwendet. Die Rinde einiger Mangrovenbäume wird regional als Gerbstoff eingesetzt. Auch Heilmittel werden aus Teilen des Mangrovenbaums hergestellt.

Seit vielen Jahrhunderten lebten die Küstenbewohner von und mit dem Mangrovenwald, ohne dass er merklichen Schaden genommen hat. Erst die fortschreitende, großflächige Zerstörung der Mangrovenwälder seit Mitte des 20. Jahrhunderts, zeigt mehr und mehr die katastrophalen Auswirkungen. Wie wichtig der Mangrovenwald für den Schutz der Menschen und Tiere, die in den Küstenregionen leben, ist, zeigt ein Vergleich. Im Jahr 1991 starben bei einer schweren Sturmflut ca. 1.000 Menschen. Dort wurden Mangrovenwälder bereits weitreichend vernichtet. Eine vergleichbar schwere Sturmflut im Jahr 1960 forderte keine Menschenleben - zu der Zeit war der Mangrovenbestand noch erhalten. Das zeigt, wie effektiv diese Wälder die Wucht der Wellen brechen können.


Der Mangrovenwald als Klimaretter in Gefahr?

Es wird davon ausgegangen, dass die Mangrovenwälder 3 bis 5 mal mehr Kohlenstoff pro Hektar speichern können als Tropenwälder an Land. Über viele Jahrtausende wurden dort gewaltige Mengen an kohlenstoffhaltigen Substanzen (z.B. verrottete Blätter) abgelagert. Durch die natürliche Kohlenstoffspeicherung können die Mangrovenwälder sich positiv auf das Klima auswirken. Das kann jedoch schnell kippen, wenn Mangrovenwälder abgeholzt werden, weil sie der Landwirtschaft (Reisanbau), der Aquakultur (Garnelenzucht) oder dem Anlegen von Soja- und Palmölplantagen weichen müssen. Beim Abholzen, Verbrennen und einer massiven Bodenbearbeitung werden die gespeicherten Kohlenstoffe als Kohlendioxid oder Methan wieder frei und an die Atmosphäre abgegeben. So wird aus dem eigentlichen Klimaretter eine Bedrohung für das Klima.

Dies ist nur ein kleiner Einblick in die weitreichende Bedeutung der Mangrovenwälder für die Menschen, die Tiere, die Pflanzen und das Weltklima. Die Rettung dieser Wälder ist ebenso wichtig, wie der Zerstörung der Regenwälder Einhalt zu gebieten.

Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.spektrum.de/magazin/eine-mangroveninsel-vor-belize/823005

https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/wurzelausscheidungen/71085

https://www.pro-regenwald.de/hg_wald/mangroven


26. Juli 2021

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 165 vom 31. Juli 2021


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