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FUNGI/008: Pilze - Pilz oder Filz ... (SB)



Der Champignon ist wohl der bekannteste unter den Speisepilzen. Weltweit wird er am häufigsten und in den größten Mengen angebaut. Er landet als ganzes oder klein geschnitten in Soßen, auf Pizza oder wird zu leckerer Champignoncremesuppe verarbeitet. Die Zubereitungsarten sind vielfältig und so rechnet man, dass jeder Bundesbürger auf irgendeine Weise im Schnitt knapp 2 Kilogramm im Jahr davon verspeist. Um diesen Bedarf zu decken, muss der Champignon in großen Mengen gezüchtet werden. Dieser Pilzanbau hat schon den Charakter von industrieller Produktion. In riesigen Zuchthallen wachsen Champignons auf bestimmten Nährböden (Substraten) in mehreren Etagen. Dabei hat der Pilz ganz klein und unscheinbar seine Beliebtheitskarriere begonnen - es heißt durch Zufall.


Buntes Gemüse mit viel Champignons im Wok - Foto: 2010, by Bob Peters from Leeds, UK (4809) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Foto: 2010, by Bob Peters from Leeds, UK (4809) [CC BY 2.0
(http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons


Ein neuer Mitbewohner auf dem Mistbeet

Der Champignon trägt den Beinamen "Kompost-Pilz" und damit hat es folgende Bewandtnis. In der Zeit um 1630 wurden in Frankreich in den Gärten vieler Adliger Melonen gezüchtet und zwar auf eigens dafür angelegten Mistbeeten. Mist ist ein guter Dünger und in früheren Zeiten der einzige, und so wurden die Ausscheidungen von Mensch und Tier auf dem Misthaufen angesammelt, um dann bei Zeiten auf die Felder und Beete gebracht und untergegraben zu werden. Auf den mit Mist gedüngten Beeten (Mistbeeten) gediehen erlesenere Früchte, wie in Frankreich die Melonen, besonders gut. Irgendwann, so heißt es, müssen wohl aufmerksame Gärtner einen neuen Mitbewohner auf diesen Beeten entdeckt haben: den Champignon. Er wurde gleich mit geerntet. Vor der Zubereitung wurde der Pilz gewaschen und dieses Waschwasser, das noch Sporen und Myzelreste enthielt, wurde wieder auf die Mistbeete gegossen. Daraufhin sprossen dort weitere Champignons hervor, wuchsen und gediehen. In weiteren Beobachtungen und Versuchen gelangte man zu der Erkenntnis, dass sich diese Pilze auch in Kellerräumen anbauen ließen. Sie benötigen für ihr Wachsen kein helles Licht. Es folgte eine lange und wechselvolle Geschichte der Erforschung der besten Anbaumethoden, die sowohl schmackhafte Champignons hervorbringen wie auch hohe Ernteerträge mit sich bringen sollten.


Champignons in Hallen auf Regalen

In den modernen Zuchthallen erinnert wenig an Misthaufen oder -beete. Die heutigen Champignons werden auf sogenannten Substraten (Nährböden) gezogen, die sehr speziell sind. In den Hallen der Pilzfarmen wachsen sie zu Tausenden auf mehrstöckigen Regalen. Weil der Champignon keine Erde als Wachstumsgrundlage und Nährstofflieferant braucht, ist diese Art der Zucht überhaupt erst so einfach möglich. Alles, was die Champignons benötigen, ist ein gut abgestimmtes feucht-warmes Pilzklima und besagtes Substrat (Nährboden). Es besteht aus nährstoffreichem Pferde-, Kuh- oder Hühnermist und Gips, aber auch Stroh, Sägespäne oder Holzschnitzel können als Grundlage mit verwendet werden. Nach einer gewissen Zeit, in der die Mischung gut bewässert wurde und bereits Zersetzungsprozesse in Gang geraten sind, folgt die Pasteurisierung. Das bedeutet, dass das Substrat auf bis zu 80° C Grad erhitzt wird, um es zu desinfizieren. Schließlich sollen keine unliebsamen Keime darin gedeihen können. Dann erst gibt man die Pilzsporen hinein. Nach ca. 15 Tagen hat das Champignonpilz-Myzel das Substrat durchwachsen, dann dauert es noch einmal ungefähr 3 Wochen bis die Fruchtkörper eine gute Größe erlangt haben. In den modernen Pilzfarmen wird per Computersteuerung für ein ideales Klima gesorgt. Gerade während der Zeit, in der die Fruchtkörper wachsen, sollten Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt und Lichtmenge bestens aufeinander abgestimmt sein. Die Champignons werden relativ schnell erntereif und sind daher gut in größeren Mengen zu erzeugen.


Viele weiße, reife Champignons auf dunklem Nährboden (Substrat) - Foto: 2005 (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Foto: 2005, [Public domain], via Wikimedia Commons

Andere ebenfalls sehr beliebte Pilze, wie beispielsweise der Shiitake benötigen für das Durchwachsen des Substrats 15 bis 20 Wochen. Dann dauert es noch ca. eine Woche, bis sie geerntet werden können. In Deutschland werden hauptsächlich Champignons angebaut, aber auch Austernseitlinge, Shiitake und Kräuterseitlinge.


Unerwartete Probleme für die Pilzfarmen

Lange Zeit war es für die Pilzfarmen kein Problem, genügend Mist von den umliegenden Bauernhöfen zu bekommen. Stroh mit Dung vermischt, fiel in Mengen an und die Bauern waren froh, ihre Misthaufen abtransportieren zu können. Sie selbst bringen mittlerweile Kunstdünger auf ihre Felder und haben von daher kaum Eigenbedarf an Mist. Es ist auch nicht verwunderlich, dass der größte deutsche Geflügelproduzent nebenher auch eine Pilzzucht angelegt hat. Die Lieferung von Hühnermist als Rohstoff für das Substrat auf dem die Pilze wachsen, ist bei dieser Pilzfarm kein Problem. Da haben es mittlerweile andere Betriebe schwerer. Denn seit einigen Jahren wird der Mist samt Stroh in Biogasanlagen zu Strom gewandelt. Heute können Landwirte ihren Mist gut und gerne an die Betreiber solcher Anlagen verkaufen. Wer hätte gedacht, dass Mist einmal so wertvoll werden würde? Es wurden eigens Firmen gegründet, die Substrate (Nährböden) herstellen, die sie lohnenswert an Pilzfarmen verkaufen. Ein Bio-Pilz-Züchter beispielsweise berichtet, dass das Substrat das teuerste in seiner Pilzzucht ist. Er kauft es von einem Bio-Substratwerk in Mengen von 100 bis 140 Tonnen. Für die Pilzfarmer ist es trotzdem günstiger und bequemer das vorgefertigte Substrat zu kaufen.

In Deutschland kommen Champignons im Freiland auf Komposthaufen, in Gärten oder Parks vor. Dabei handelt es sich um Wildformen. Es wird angenommen, dass der Pilz eigentlich in Asien, Nordafrika, Europa und Nordamerika beheimatet war, dann aber weltweite Verbreitung gefunden hat. Wieder einmal zeigen Pilze, dass sie sehr anpassungsfähig sind und auch mit eingeschränkten Lebensbedingungen, wie auf Substraten in Hallen und Regalen, zurecht kommen und der Mensch als Verbraucher dies gut zu nutzen weiß.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://ww.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/lantwirtschaft-warum-die-deutschen-champignons-in-polen-wachsen-12796966.html

http://www.shiitake.de/infos_allg/champingnon/index.html

http://www.shiitake.de/infos_allg/austernpilz/index.html

https://www.gartentipps.com/chamignons-anbauen-so-wirds-gemacht.html

http://www.bioland.de/im-fokus/artikel/article/-a45b6d0212.html



25. Juli 2017


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