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KALENDERGESCHICHTEN/107: 11-2019   Der kleine Elefant - wo ist er geblieben? ... (SB)


Der kleine Elefant steht unter einem Baum, davor die Melonenschale mit dem Wundertrunk - Buntstiftzeichnung: © 2019 by Schattenblick


Obwohl Mama Maja unglaublich froh war, dass ihr Baby Nico und der kleine Elefant Roland wieder unversehrt zurückgekehrt waren, schimpfte sie mit ihnen - sie hätten sich nicht einfach davon stehlen dürfen. Nachdem Roland ihr und den anderen Elefanten jedoch ihr gesamtes Abenteuer erzählt hatte, war sie etwas milder gestimmt. Nico versprach von nun an, allein wachsen zu wollen, doch bat er seine Mutter, dem kleinen Elefanten die Wunderpflanze zu geben, denn sein sehnlichster Wunsch sei es, auch groß zu werden. Mama Maja willigte ein, wurde aber bei der Beschaffung des Grases zufällig von der Gräfin und Johann beobachtet. Die beiden schlichen hinter ihr her und entdeckten schließlich den kleinen Elefanten inmitten der Herde.

Es war Johann nicht gelungen, die Gräfin aufzuhalten. Sie war auf ihren kleinen Elefanten zugeeilt, und sie begrüßten sich herzlich. Die Elefanten wollten ihn zuerst vor der merkwürdigen alten Dame beschützen. Alle Menschen bedeuten für Elefanten eine Bedrohung und Mama Maja und ihre Familie konnten ja nicht wissen, dass sie eine gute Bekannte von Roland war, von der keine Gefahr für ihn ausging. Dennoch stellte sich Mama Maja alsbald dicht neben Roland, denn sie blieb noch misstrauisch. Die Gräfin hatte sie erst gar nicht bemerkt, so sehr war sie in ihrer Freude gefangen, den kleinen Elefanten wiedergefunden zu haben. Nun schritt auch der Mann mit der merkwürdigen Kleidung auf die Elefantenfamilie zu und blieb dicht hinter der Dame stehen.

"Du scheinst mit diesen Menschen vertraut zu sein, Ronny, stimmt das?", flüsterte Mama Maja.

"Oh, ja, entschuldige bitte, ich muss das erklären. Sie haben mir ein Zuhause gegeben und sich um mich gesorgt. Ich hatte es wirklich gut bei ihnen und keinen Grund zum Klagen gehabt", erklärte Roland ihr.

"Ah, ich verstehe, sie haben dich dann also auch aus dem Steinland hierher gebracht, stimmt 's?", fasste Mama Maja ihre Überlegungen zusammen.

"Ja, genau, und dann habe ich die Affen getroffen und bin mit ihnen gegangen, fand den Weg zu der Gräfin und zu Johann nicht mehr, hatte Angst und war sehr traurig. Dann aber brachten mich die Affen zu euch, ja, so war das", erinnerte sich Roland.

Johann und die Gräfin redeten aufgeregt miteinander, doch kein Elefant verstand auch nur ein Wort. Nur Roland hätte es gekonnt, doch der war in das Gespräch mit Mama Maja vertieft und hörte nicht, was die beiden besprachen.

"Und was wollen sie jetzt von dir? Wollen sie dich wieder mit ins Steinland nehmen?", besorgt fragte die große Elefantin den Kleinen, den sie schon lange in ihr Herz geschlossen hatte, "Aber willst du denn jetzt überhaupt noch groß werden?"

"Oh, gewiss, da bin ich mir ganz sicher. So, und nun werde ich zuhören was sie besprechen", sprach er und lauschte seinen beiden vertrauten Menschen.

"... und was ihm alles hätte passieren können, ich mag mir das gar nicht vorstellen. Oh, Johann, was haben wir für ein Glück, dass wir ihn gesund und munter antreffen", seufzte die Gräfin.

"Ja, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Aber was haben Sie nun vor? Wollen wir den Kleinen mitnehmen?", Johann schien sich diese Frage selbst erst jetzt zu stellen.

"Nun, unser Plan war ja nach den Verhandlungen mit den Einheimischen, die anderen kleinen Tiere aus Deutschland hierher zu holen und sie bei ihren großen Artgenossen unterzubringen, falls das überhaupt möglich wäre. Das hat der große Harpyien-Vogel auf wundervolle Weise für uns erledigt, alle sind jetzt gut untergebracht. Aber wir haben noch gar nicht darüber nachgedacht, was mit unserem Ronny geschehen soll. Was ist, wenn er hier bleiben möchte?"

"Es scheint so, als sei er bereits von den großen Elefanten gut aufgenommen worden", stellte Johann fest. Was, liebe Gräfin, schlagen Sie denn nun vor? Wie verhalten wir uns?"

"Ich denke, es ist das beste, wenn wir hier in der Nähe unser Lager aufschlagen und ihn und die Elefantenherde eine Weile beobachten. Sollten wir bemerken, dass er sich hier sehr wohl fühlt, müssen wir uns wohl oder übel von ihm verabschieden. Ansonsten nehmen wir ihn wieder mit nach Hause", schlug die Gräfin vor.

Da das nun beschlossen war, drehte sich die Gräfin wieder dem kleinen Elefanten zu und sprach leise zu ihm: "Ronny, ich bleibe noch in deiner Nähe. Johann und ich werden hier in der Gegend unser Zelt aufschlagen und erlauben uns die großen Elefanten zu beobachten. Vor allen Dingen möchte ich herausfinden, ob sie gut zu dir sind. Und falls du lieber bei ihnen bleiben willst, na, ja, vielleicht denkst du noch mal darüber nach und morgen werde ich dich dann fragen, wo du dein Leben in Zukunft verbringen willst. Wir machen uns jetzt auf den Weg und sei gewiss, wir sind ganz nah bei dir. Wenn du einen Kummer hast, dann komme einfach zu uns." Sie streichelte ihn noch am Kopf und kraulte ihn hinter dem Ohr, dann verließ sie gemeinsam mit Johann ihn und die Elefantenfamilie.

"Na, was haben deine Menschen besprochen?", wollte Mama Maja wissen. "Sie bleiben noch in der Nähe und ich soll mir überlegen, ob ich mit ihnen gehen oder bei euch bleiben will." - "Na, und - was sagst du?", erwartungsvoll blickte sie den kleinen Elefanten an.

"Ich möchte so gern groß werden. Also, wenn du erlaubst möchte ich unbedingt von der Wunderpflanze trinken." - "Ja, sicher, das hatte ich dir ja zugesagt. Das gilt auch noch. Morgen ganz früh, wirst du den Saft zu dir nehmen können."

Roland freute sich und Nico gesellte sich zu ihm und plapperte los, doch der kleine Elefant blieb schweigsam. Er war aufgeregt und nachdenklich zugleich. Am nächsten Morgen weckte Mama Maja ihn und führte ihn zu einem bestimmten Platz. Dort trank er den wundersamen Saft, der wohlig prickelnd in seinen Bauch gelangte.

"Nun fasse dich etwas in Geduld, Ronny. Sei beruhigt, bald schon wird die Wirkung beginnen und dann geht alles ziemlich schnell. Solange aber musst du dich hier hinter dem dicken Baum verstecken. Roland tat alles so, wie sie es ihm erklärte. Die Zeit wurde ihm lang und er meinte tagelang hinter dem Baum gestanden zu haben, bis er endlich merkte wie der Baumstamm immer schmaler und kleiner wurde.

"Wie soll ich mich denn hinter diesem kleinen Bäumchen verstecken?", beschwerte er sich. Als der Baum ihn nun gar nicht mehr verdeckte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: "Nicht der Baum schrumpft, ich bin riesengroß geworden!" "Juhuu, ja, juhuu, ich bin groß!", lachte er laut und freute sich. Er lief zu den anderen Elefanten, die noch in der Morgensonne dösten und weckte sie mit seinem fröhlichen Jauchzen. Nico schlug die Augen auf und konnte es kaum fassen: "Bist du das, Ronny?"

"Ja, ja, Nico, es hat funktioniert. Na, wie sehe ich aus?"

"Toll, einfach riesig!", staunte Nico, "komm, wir gehen zur Wasserstelle, da kannst du dich selbst betrachten."

Eilig liefen der große kleine Elefant und Nico zum Wasser. Als Roland sein Spiegelbild sah, wurde ihm ganz merkwürdig zumute. Mama Maja eilte herbei und beglückwünschte ihn zu der gelungenen Verwandlung. "Tja, der einzige Nachteil an deiner Größe ist wohl, dass du viel, viel mehr essen musst, als vorher", verschmitzt lächelte sie ihn an.

An diesem Morgen suchten die Gräfin und Johann ihren kleinen Elefanten vergeblich.

Fortsetzung folgt ...


zum 1. November 2019


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