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KALENDERGESCHICHTEN/024: 12-2012   Grimbart Wohlgemut - Endlich wieder zu Hause (SB)



Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick
Endlich wieder zu Hause

Gretchen und Grimmy sahen dem Uhu hinterher. Die Vorratstasche baumelte hin und her, doch der Uhu hielt sie fest in seinen Krallen. Da mussten sie sich sputen, denn obwohl der Uhu sich alle Mühe gab, langsam zu fliegen, war er immer noch zu schnell für die beiden Vierbeiner.

Freundlicherweise kehrte der große Vogel immer wieder zurück, um nachzusehen, ob Dachs und Eichhörnchen ihm noch folgen konnten. Auf diese Weise legten sie eine ziemlich lange Wegstrecke zurück. Grimmy war schon etwas aus der Puste und hätte am liebsten eine kleine Rast eingelegt. Doch Gretchen war so aufgeregt und neugierig, dass sie ihn immer wieder zum Weiterlaufen ermunterte.

"Wenn wir weiter so schnell laufen, muss ich aber doch bald mal etwas essen. Ich habe riesigen Hunger, weißt du?", japste er zu Gretchen hinüber, die immer an seiner Seite, aber doch auch immer ein Stückchen vor ihm hopste und sprang.

"Grimmy, so weit kann es doch gar nicht mehr sein...", versuchte sie ihn zum Durchhalten zu überreden. "Doch, doch, ich habe das Gefühl, als wäre mein Bau noch total weit weg. Komm, lass uns anhalten und etwas essen, bitte!", verlangte der hungrige Dachs.

"Ist gut, sag Bescheid, wenn du etwas entdeckt hast, das dir schmecken könnte", lenkte sie etwas unwillig ein." Aber der Uhu muss Bescheid wissen, damit er auch auf uns wartet."

Als der Uhu das nächste mal wieder nach den beiden Ausschau hielt, winkte Gretchen ihm zu. Er flog etwas tiefer hinab, dann rief sie so laut sie konnte: "Grimmy möchte was essen, wartest du bitte auf uns?"

Ohne zu antworten flog der Uhu einen Bogen und landete. Dicht vor dem Boden, ließ er die Tasche ins Laub fallen, denn er brauchte seine Füße, um sich sicher auf einem Ast nieder zu lassen. Sofort schnüffelte Grimmy die Gegend ab und stieß dabei auf eine große Zahl etwas gammeliger Äpfel. Aber die Birnen, die in der Nähe lagen, sahen besser aus. Also machte er sich zuerst über sie her. Dann sortierte er auch noch leckere Apfelstücken aus und verspeiste sie. Grimmy war ein ziemlich schneller Esser, er verschluckte sich, hustete und kaute weiter. Schließlich hatte er sein Mahl beendet, bei dem er von dem Uhu und Gretchen bestaunt wurde. "Schon fertig, bin satt, können weiter", verkündete er und kaute noch an dem letzten Bissen.

Der Uhu lächelte. "Na, das ging ja schnell, dann nichts wie los, wir wollen doch vor der Dunkelheit ankommen...", sprach 's und hob sich in die Lüfte. Dann schoss er hinab und ergriff aus dem Flug heraus die Tasche mit seinen Krallen...

Grimmy und Gretchen eilten wieder hinter ihm her. Sie kamen rasch voran und nach einer Weile rief der Uhu ihnen zu: "Ich kann den Dachsbau sehen. Jetzt ist es nicht mehr weit!"

"Oh, toll, Grimmy, hast du gehört, wir sind fast da. Oh je, bin ich gespannt, ich hab noch nie einen Dachsbau gesehen, noch nie, und jetzt, ja, ja, und jetzt, bald wohne ich in einem...", schwärmte Gretchen und rannte vor und wieder zurück, hüpfte und sprang hin und her. "Mmmh, ja", meinte der Dachs etwas verhalten.

"Freust du dich denn gar nicht?", besorgt stoppte sie, setzte sich kurz vor ihn in den Weg und sah in an.

"Doch, natürlich, aber weißt du, ich bin ja so lange nicht dort gewesen. Vielleicht erkennt mich meine Mama gar nicht. Ich war ja noch ganz winzig klein, als ich mich verlaufen hatte...", erklärte Grimmy mit nachdenklicher Miene.

"Also ich würde dich immer wieder erkennen, ob nun klein oder groß, dick oder dünn, auf jeden Fall immer...", tröstete Gretchen ihn und dann liefen sie weiter.

Das kleine Eichhörnchen sprang wieder nach vorn, wieder zurück und wieder nach vorn und dann blieb es ganz plötzlich stehen, trat einen Schritt zurück und blickte erstaunt auf den Boden. Lauter Stacheln ragten dort zwischen dunkelbraunem, feuchtem Laub hervor - und dann bewegten sich diese Stacheln auch noch! Als Grimmy näher kam, flüsterte Gretchen: "Da, sieh mal, das Laub hat Stacheln, die sich bewegen, lass uns lieber wo anders längs laufen, das ist mir unheimlich." Kaum hatte sie das ausgesprochen, da lugten auch noch zwei dunkle, runde Augen hervor und einen schnuppernde Nase reckte sich empor.

"Wenn das kein Igel ist, dann...", Grimmy beendete seinen Satz nicht, denn der Igel meldete sich zu Wort: "Hallo, keine Sorge, ihr braucht nirgendwo anders längs laufen, ich bin schon weg..." Während er das sagte, drehte er sich auch schon in eine andere Richtung und tat ein paar Schritte, dann setzte er sich wieder und zitterte am ganzen Körper.

Neugierig reckte Gretchen ihre Nase vor und betrachtete den armen Igel, der, so schien es ihr, sehr traurig war. "Hallo Igel, was ist mit dir, warum bibberst du so, frierst du etwa?", erkundigte sie sich.

"Ja, und ich weiß mir keinen Rat mehr. Mein wunderschöner, großer Laubhaufen, unter dem ich mich den Winter über zur Ruhe begeben wollte, er ist weg, einfach weg", schniefte er. "Und einen neuen kann ich nicht mehr bauen, es gibt kaum noch Laub, und mein Haufen war so groß und warm und gemütlich, und nun ist er weg, ich versteh' das nicht, einfach nicht mehr da", schluckte er schwer.

"Genau wie bei mir", berichtete Gretchen, "mein schöner Holzhaufen, in dem ich wohnte, er war auch eines Tages einfach verschwunden, nicht ein einziger Baumstamm war übrig geblieben."

"Wirklich? Und was ist jetzt mit dir, wo wirst du den Winter verbringen, hast du einen neuen Holzhaufen gefunden?", wollte der Igel von ihr wissen.

"Nein, nein, ich habe noch was viel Tolleres. Ich wohne jetzt bei Grimmy, ja, in einem richtigen Dachsbau mit ganz vielen Wohnhöhlen, und Grimmy sagt, daß die ganz gemütlich sind", schwelgte das Eichhörnchen in ihren Vorstellungen.

"Ach ja, wirklich? Und wer ist Grimmy?", erkundigte sich der Igel, der nun neugierig geworden war. Denn das hörte sich wirklich gut an, eine Wohnhöhle, eine gemütlich Wohnhöhle. Er malte sich aus, wie schön es wäre, dort Schutz vor dem bitterkalten Winter zu finden.

"Oh, ja, der da ist Grimmy", dabei zeigte sie mit ausgestreckter Pfote in seine Richtung. Grimmy grüßte freundlich, sah aber nur kurz zum Igel hinüber, um dann wieder gen Himmel zu blicken und nach dem Uhu Ausschau zu halten.

"Gretchen, gleich haben wir es geschafft, wir dürfen jetzt nur den Uhu nicht aus den Augen verlieren!" Dabei trippelte er schon ein paar Schritte weiter, dann sah er den Uhu und rief: "Schnell, Gretchen, nun komm schon, wir müssen uns beeilen!"

"Halt, Grimmy, warte, wir können doch den armen Igel nicht einfach hier zurücklassen, er friert!", schimpfte das Eichhörnchen.

Abrupt blieb Grimmy stehen: "Ja, entschuldige, vor lauter Aufregung hab ich ihn ganz vergessen."

"Kann er nicht einfach mitkommen, vielleicht ist noch Platz in deinem Bau?", schlug Gretchen vor.

"Gut, wir werden sehen, also...", stoppte Grimmy, denn er wusste nicht, wie er den Igel ansprechen sollte, "wie heißt du überhaupt?"

"Winnie", antworte der Igel leise.

"Also gut, Winnie, wenn du magst komm einfach mit. Vielleicht ist noch eine Wohnhöhle für dich frei, versprechen kann ich es dir nicht. Weißt du, ich war nämlich schon lange nicht mehr zu Hause und weiß selbst nicht, wie es dort aussieht", klärte er den Igel auf. Alle drei liefen im Eiltempo hinter dem Uhu her und dann endlich konnten sie den großen, dicken gebogenen Ast sehen, der über dem Eingang von Grimmys Bau lag. Dann gab es kein Halten mehr für den Dachs. Er stürmte den kleinen Abhang hinunter, stolperte und kullerte das letzte kleine Stückchen bis vor den Eingang. Dort blieb er kurz liegen, rappelte sich wieder auf und lugte in das Innere der dunklen Röhre.

"Wer macht denn hier so einen Lärm?", schimpfte eine kräftige Stimme. Doch niemand zeigte sich. Grimmy erinnerte sich, dass seine Mutter ihm wieder und wieder gesagt hatte, er solle niemals einfach den Bau verlassen, ohne vorher zu prüfen, ob die Luft rein ist.

Vielleicht gehörte die Stimme seiner Mutter und nun schnupperte sie erst einmal, bevor sie sich hinaus wagte. Genau so war es denn auch. Einen Augenblick später ertönte ein freudiges Rufen: "Grimmy, Grimmy, bist du das? Sag doch was, bist du das? Ich rieche dich, du musst Grimmy sein", wurde sie nun lauter.

"Ja, ja, Mama, ich bin 's", japste der Dachs. Da kroch seine Mutter aus dem Stollen hinaus. Das war eine herzliche Begrüßung und sie dauerte eine Weile. Immer wieder, sagte sie ihm, wie groß und prächtig er geworden sei, und gleichzeitig sollte er alles erzählen, was er erlebt hatte, und warum er damals nicht wieder zurück in die Schlafhöhle gekommen war und noch vieles, vieles mehr, was sie wissen wollte.

Endlich beruhigten sie sich. "Mama, ich habe unterwegs Gretchen kennen gelernt. Sie hat mir damals geholfen, ich durfte in ihrem Holzhaufen wohnen und auch dort essen. Ohne sie hätte ich bestimmt nicht wieder zurück gefunden", erklärte Grimmy. "Aber der Holzhaufen war eines Tages fort und so machten wir uns auf den Weg, und ... aber ich glaube, das erzähle ich dir alles in Ruhe ein andermal."

Zögernd trat Gretchen ein paar Schritte nach vorn und grüßte freundlich. Dann aber konnte sie sich nicht mehr zurückhalten: "Also, ich bin ganz durcheinander, ich freu mich so, Grimmy hat gesagt, dass ich bei ihm bleiben darf, hier bei ihm wohnen darf ... ich hab auch was zu essen mitgebracht ... und ich ..."

Bevor Gretchen weitersprechen konnte, unterbrach Grimmys Mutter sie. "Ja, aber natürlich kannst du hier wohnen. Langsam wird es schon ein bisschen eng, denn auch der Fuchs wohnt immer noch bei uns und mittlerweile auch seine Kinder, aber es wird schon gehen."

Als der Igel, der sich noch im Hintergrund gehalten hatte, dies hörte, schniefte er leise. Er war enttäuscht, denn nun schien es so zu sein, dass doch kein Platz mehr für ihn im Bau sein würde. Traurig drehte er sich um und wollte schon fortgehen, fand es aber doch unhöflich, sich nicht von Grimmy und Gretchen zu verabschieden. Denn immerhin hatten sie ihm ja helfen wollen. Er trippelte vorsichtig ein paar Schritte vor und sprach: "Vielen Dank, ihr beiden, ich glaube, es ist Zeit für mich zu gehen, um mich nach einer Unterkunft umzusehen."

"Aber du wolltest doch hier bleiben", wunderte sich das Eichhörnchen.

"Ja, schon, aber Frau Dachs hat gerade gesagt, dass es schon eng wird im Bau", erklärte Winnie Igel. Grimmy konnte das gar nicht mit anhören: "Mama, das ist Winnie. Er hatte sich schon einen schönen, warmen, großen Laubhaufen zurecht gemacht, aber dann, auf einmal, war der weg, ganz und gar verschwunden und Winnie wusste nicht mehr ein noch aus. Er friert so sehr, dass wir ihm helfen müssen!", ereiferte sich der Dachs.

"Oh je, Grimmy, das ist ja furchtbar. Kommt erst mal alle mit in den Kessel, dort wärmen wir uns auf und beratschlagen, wie wir weiter vorgehen werden. Ich bin sicher, dass wir für alle ein Plätzchen finden werden. Aber eines sage ich gleich: Streiten und Schimpfen gibt 's bei mir nicht und niemand frisst irgendeinen, der hier wohnt, auf. Ist das klar!" Jetzt klang ihre Stimme energisch und auch furchteinflößend.

Fast gleichzeitig gelobten alle, weder zu streiten oder zu schimpfen und schon gar niemanden zu fressen. Dann stiegen sie hinab in den Kessel, das Wohnzimmer der Dachsfamilie. Er war gepolstert mit weichem Gras und trockenen Blättern. Auch war es dort mollig warm. Als sie alle versammelt waren, blieb wahrlich kein Platz mehr frei. Aus einem der oberen Schlafhöhlen, lugte der Fuchs hervor und lächelte freundlich.

Plötzlich rief Gretchen: "Meine Tasche, oh je, ich habe meine Tasche noch gar nicht. Der Uhu muss sie noch haben. Grimmy, wir haben dem Uhu gar nicht tschüß gesagt und uns gar nicht bedankt", stellte Gretchen bestürzt fest. Dabei zwängte sie sich schon wieder in Richtung Höhleneingang und krabbelte die Röhre hinauf. Grimmy erklärte es seiner Mutter und lief Gretchen hinterher. Draußen wartete der Uhu und nickte gütig: "Ich habe alles gesehen und gehört - ihr wisst ja, famos gute Augen, famos gute Ohren!"

"Oh, danke, Uhu, vielen, vielen Dank für alles", dabei ließ Grimmy sich auf sein Hinterteil fallen und schmunzelte. Auch Gretchen bedankte sich bei dem Uhu auf ihre ganz eigene Art. Sie hüpfte auf seinen Rücken und rutschte an seinem großen Flügel vorne wieder runter: "Uhu, du bist der beste und liebste Uhu, den ich kenne, vielen, vielen Dank."

Dem Uhu war das etwas peinlich. Also machte er es kurz und verabschiedete sich mit dem Versprechen, ab und zu mal hier vorbei zu fliegen und nach ihnen zu sehen. Gretchen und Grimmy krabbelten mehr oder weniger geschickt wieder die Röhre hinunter in den Kessel. Diesmal hatte das kleine Eichhörnchen seine Tasche im Schlepptau.

Nachdem sie solange hin und her überlegt hatten, bis für alle eine Wohnhöhle gefunden war, fiel alle Sorge von ihnen ab. Jetzt erst merkten sie, wie müde und erschöpft sie von den ganzen Abenteuern waren. Gretchen kuschelte sich, wie gewohnt an Grimmy und schlief schon, bevor sie ihren neuen Schlafplatz erreichen konnte, auf den sie sich doch so gefreut hatte.

"Mama, wir schlafen heute hier, morgen bringe ich Gretchen in ihre Wohnhöhle. Ich glaube, sie wird sich erst mal ausschlafen müssen. Und dann erzähle ich dir auch, was wir alles erlebt haben."

Und so verlebten Grimmy, Gretchen, Winnie Igel, Familie Fuchs und natürlich die gesamte Familie Dachs einen langen, kalten Winter geborgen und sicher in dem Dachsbau. Draußen fielen leise die ersten Schneeflocken.

1. Dezember 2012