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KALENDERGESCHICHTEN/022: 10-2012   Grimbart Wohlgemut - Wintervorräte (SB)



Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick
Gretchen sammelt Wintervorräte

Gretchen robbte ganz nahe ans Ufer des kleinen Teiches, weil sie die Biberbabys begrüßen wollte. Ihre Weggefährten waren indess anderweitig beschäftigt. Biber Biber freute sich über sein zurückgewonnenes Gewässer und schmunzelte, weil er Grimmy dabei ertappte, wie dieser sich gierig auf eine Birne stürzen wollte. "Du hast wohl andauernd Hunger, was, Grimmy?", lachte Biber Biber. "Oh, ja, ständig", bestätigte der schon ziemlich groß gewordene Dachs und schnappte sich mit einem Happs die süße Frucht. "Mmh, mmmh, lecker", schmatze er. Der Uhu schaute ihnen beiden eine Weile zu. Dann aber meinte er: "Also, wenn wir nicht in der ganz dunklen Nacht zu deinem Dachsbau laufen wollen, sollten wir uns flugs auf den Weg machen."

"Ja, da hast du wohl recht. Wirst du wieder voraus fliegen und wir hinterher?", erkundigte sich Grimmy. "Ja, ja, fliegt ihr nur hinterher, famose Idee, einfach famos", schüttelte sich der Uhu vor Lachen, weil er sich einen fliegenden Dachs und ein fliegendes Eichhörnchen in Gedanken ausmalte. Erst wollte Grimmy dem Uhu böse sein, weil der ihn wohl absichtlich missverstanden hatte, aber dann gluckste er fröhlich: "Ich meine natürlich laufen, wir laufen - du fliegst."

Grimmy drehte sich in Richtung Teich und rief: "Gretchen, komm, wir brechen auf. Es geht nach Hause, beeile dich." Er bekam keine Antwort. Nach einer Weile versuchte er es noch einmal: "Hallo, Gretchen, was ist mit dir? Warum antwortest du nicht?"

"Grimmy, Grimmy, komm mal schnell, ganz schnell her", japste sie da aufgeregt, "hier ist jemand im Teich!" Grimmy stürmte los und reckte seinen Kopf über das Ufer. "Wo denn, Gretchen? Ich kann niemanden sehen."

Aufgeschreckt von dem lauten Gewusel am Rand des Teiches, schwammen die kleinen Biber zu ihrer Mutter. Still und aufmerksam beobachtete diese das Eichhörnchen und den Dachs, blieb aber mit ihren Kleinen in sicherer Entfernung.

"Oh, gerade war er noch hier", beteuerte Gretchen, "hier direkt im Ufergras im Wasser, ganz sicher. Ich verstehe das nicht, wo ist er hin?" - "Wer denn, bitte schön, wen meinst du denn?", wollte Grimmy wissen. "Na ja, den, den, ich weiß nicht was ... den Fisch?", vermutete Gretchen unsicher, denn sie wusste beim besten Willen nicht, wen oder was sie da gesehen hatte. Gewissenhaft suchte sie im Wasser nach ihrer Entdeckung, streckte sich weiter vor, um besser sehen zu können ...

"Halt, Gretchen, pass auf, nicht weiter, du wirst noch ins Wasser fallen, komm wieder zurück", rief Grimmy ihr streng zu. "Aber, aber, ich habe ihn gesehen", stammelte das Eichhörnchen bloß verwirrt.

"Das glaube ich dir ja, aber nun ist er fort. Und wir müssen uns auf den Weg machen. Der Uhu ist schon etwas ungeduldig! Nun komm schon, er zeigt uns den Weg nach Hause", forderte Grimmy sie auf. "Aber, aber ...", weiter kam Gretchen nicht. Die Wasseroberfläche im Teich kräuselte sich und gab leise Blub-Blub-Töne von sich. Nun, genau genommen war es wohl der Flusskrebs, der diese Geräusche verursacht hatte. Jetzt streckte er seinen Kopf aus dem Wasser und blickte sich um.

"Sieh, Grimmy, sieh da, das ist er!", rief Gretchen aufgeregt und auch Grimmy konnte nun den Gast im Teich erkennen.

"Guten Abend, könntet ihr mir vielleicht sagen, wo ich hier gelandet bin. So etwas Verrücktes habe ich noch nie erlebt, also ne nich, noch nie", beteuerte der Fremde.

"Guten Abend. Leider kenne ich Sie gar nicht. Wie ist Ihr Name?", erkundigte sich Grimmy so höflich wie möglich, denn irgendwie war er von der ungewöhnlichen Erscheinung beeindruckt.

"Oh, Verzeihung, ich vergaß mich vorzustellen. Ich heiße Bonjour, bin von edlem Geblüt und stamme aus der Familie derer von Edelkrebs", holte der Krebs das Versäumte nach.

"Edelkrebs, oh, das klingt vornehm. Aber das macht nichts," beschloss Gretchen und fragte, "und wie, lieber Bonjour, bist du hierher gekommen und vor allem, was machst du hier?" Noch bevor er antworten konnte, grunzte Grimmy: "Aber Gretchen, er kann doch sein wo er will, sei doch nicht so neugierig."

"Ach, alles, gut, ich hab das nich so mit der Vornehmheit, die ist mir viel zu anstrengend. Also, wartet mal, ich versuche mal mich zu erinnern. Vor kurzem sonnte ich mich noch am Flussufer, dann setzte plötzlich eine starke Strömung ein und zog mich fort. Ich muss zugeben, war wohl ein wenig eingenickt und hab 's nicht gleich gemerkt - und dann war 's zu spät - und nun bin ich hier. Ach, ja, und wo bin ich hier?"

Inzwischen hatte sich auch Biber Biber hinzu gesellt und wollte gerade antworten, da ertönte ein lautes, ungeduldiges: "Uhuuuu, Uhuuu, Uhuuuu. Kommt ihr nun endlich? Ich habe noch familiäre Verpflichtungen, wie ihr wisst", brachte der wartende Uhu sich lautstark in Erinnerung.

Gretchen wandte sich an Grimmy und konnte gar nicht so schnell sprechen, wie sie gern gewollt hätte. In aller Kürze versuchte sie dem Dachs zu erklären, was sie schon den ganzen Tag über beschäftigt hatte: "Grimmy, du isst den lieben langen Tag, wahrscheinlich futterst du dir deinen Winterspeck an. Aber ich kann nicht so viel essen. Deswegen muss ich Vorräte sammeln, zum Beispiel Nüsse und sie für den Winter verbuddeln. Aber da gibt es ein Problem. Wenn ich sie hier verstecke und wir nun gleich weiterziehen in deinen Dachsbau, dann finde ich sie doch nie wieder. Außerdem trau ich mich gar nicht so weit fort. Was mach ich nur. Ganz ohne Essen werde ich verhungern ...", seufzte sie und einen Träne kullerte über ihre Wange. "Oh, daran habe ich überhaupt nicht gedacht", bekannte Grimmy, legte seinen Kopf schief und dachte nach ...

Abermals meldete sich der Uhu: "Also ihr Lieben, entscheidet euch, wollt ihr nun nach Hause oder nicht?" - "Oh, bitte, bitte Herr Uhu, kannst du nicht warten oder vielleicht noch einmal wiederkommen? Morgen vielleicht, wenn deine Familie satt ist und du natürlich auch. Wir müssen nämlich noch grübeln, also nachdenken, weil wir, weil ich ...", verhedderte Gretchen sich in ihrer Rede vor lauter Aufregung.

Der Uhu rief ihr ganz ruhig zu: "Soll mir recht sein, ich sorge jetzt fürs Abendessen, schlafe ein wenig und morgen sehe ich nach euch. Ihr habt Glück, dass ich ein so famos geduldiger Zeitgenosse bin, also dann", sprach er und flog los.

"Der ist aber wirklich sehr freundlich", flüsterte Grimmy und freute sich. "Hmm, ja", stimmte das kleine Eichhörnchen ihm zu und Biber Biber nickte. Er hatte ihr Gespräch mit angehört. "Du solltest Nüsse, Bucheckern, Tannenzapfen oder was du sonst noch gerne isst, einsammeln und mitnehmen", schlug er vor. "Ja, das hatte ich mir auch vorgenommen. Aber wie bekomme ich all das Gesammelte zum Dachsbau. Ich kann doch nicht immer hin und her laufen, für jede einzelne Nuss ...", schluchzte Gretchen. Sie war sehr verzweifelt. Sie wollte mit Grimmy gehen, aber verhungern wollte sie deswegen nicht. Was sollte sie bloß tun. Sie wusste keinen Rat - Grimmy leider auch nicht.

"Das ist doch ganz einfach. Du baust dir eine Tasche und ...", begann Bonjour Edelkrebs, und wurde sofort von Gretchen unterbrochen: "Eine was, bitte ...?" - "Eine Tasche. Dort kannst du alles hineinpacken und dann mit einem Mal nach Hause tragen."

"Weißt du, wo wir eine solche Tasche herbekommen?", erwartungsvoll sah sie den Flusskrebs an. "Äh, hmm, äh, also, ne, ne, weiß ich nich. Aber wir könnten ja eine bauen", schlug er begütigend vor. "Prima, weiß du wie das geht?", wollte Gretchen natürlich sofort wissen.

"Tja, ein Verwandter von mir, der Taschenkrebs, war Spezialist in Sachen Taschenbauen. Er hat es mir auch vor langer Zeit einmal erklärt. Nun, ja ... also gut. Ich muss mal überlegen." Bonjour sah wirklich extrem nachdenklich aus. Grimmy und Gretchen blieben ganz still. Sie wollten ihn auf keinen Fall stören. Es dauerte bis der Flusskrebs sich wieder zu Wort meldete. "Ja, so wird 's gehen. So machen wir 's!", bestimmte er. Gretchen und Grimmy sahen sich fragend an, weil sie gar nichts verstanden.

"Besorgt mir ein großes Blatt. Es darf nicht zu trocken sein. Am besten eines, das am Ufer gelegen hat und noch etwas feucht ist. Dann brauchen wir noch Grashalme, getrocknet wäre am besten, ja trocken und sie dürfen nicht zerreißen", zählte Bonjour auf. "Wie wäre es, wenn Biber Biber und ich Blatt und Grashalm suchen und Gretchen in der Zwischenzeit schon ihre Lieblingsspeisen einsammelt und hierher bringt?", schlug Grimmy vor, "denn bald wird es ganz dunkel und bis morgen sollten wir fertig sein. Der Uhu wird sich vielleicht nicht noch einmal zum Warten überreden lassen. Also, am besten wäre es, wenn wir startklar sind, wenn er kommt."

Alle waren einverstanden. Plötzlich erschrak Grimmy: "Oh je, nein. Ich kann nicht hier bleiben! Auf keinen Fall lasse ich Gretchen noch einmal allein. Ich gehe lieber mit ihr und helfe ihr beim Essen sammeln. Dabei kann ich sie beschützen!" - "Aber nicht naschen", neckte ihn das kleine Eichhörnchen und war froh, dass Grimmy mitkommen wollte. "Gut", meinte Biber Biber, "dann machen Bonjour und ich uns ans Werk." - "In Ordnung", stimmte der Flusskrebs zu.

Gretchen und Grimmy trappelten los, und Biber Biber lief am Ufer entlang auf der Suche nach einem geeigneten Blatt. Es dauerte nicht lange, bis er ein großes, schon leicht braunes, aber sehr weiches, gefunden hatte. Er zog es zu Bonjours Platz hin, legte es ab und sah ihn fragend an. "Ja, prima, das wird gehen", gab der Krebs ihm zu verstehen, "und jetzt noch lange Grashalme."

Der Biber kehrte um und suchte auf der Wiese nach geeigneten, langen Grashalmen, brachte sie Bonjour und wartete ab. Der Flusskrebs krabbelte um das Blatt herum, besah es sich von allen Seiten, dabei summte er leise vor sich hin.

Biber Biber konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie so eine Tasche aussehen sollte. "Was hast du nun mit dem Blatt vor", erkundigte er sich vorsichtig. Doch Bonjour antwortete nicht. Stattdessen hob er eine seiner großen Scheren und schnitt die Kanten des Blattes gerade. Nachdem er zufrieden sein Werk begutachtet hatte, klappte er einen Teil des Blattes über das andere, piekste mit der Scherenspitze Löcher an den geraden Rand des Blattes und zog mit seiner anderen Krebsschere den Grashalm durch die Löcher. Er war sehr beschäftigt und sehr vertieft in seine Arbeit. Der Biber staunte nur und verhielt sich ganz still.

"So. Fertig!" Stolz präsentierte der Krebs die Tasche. Biber Biber begutachtete sie und war beeindruckt. "Da also kann Gretchen ihre Vorräte hinein verstauen, ah, ja, mmmh, toll", murmelte er und schritt um das kleine Wunderwerk herum. "Toll", beglückwünschte er Bonjour.

Plötzlich hörten sie das Rascheln von Blättern, dann erblickten sie den Dachs und das Eichhörnchen. Die beiden Vorratssammler sahen wirklich komisch aus. Mit allen Vieren stupste Grimmy die Nüsse, Zapfen und Bucheckern vor sich her. Gretchen hatte sich schrecklich viele Nüsse in die Arme gepackt und mit ihrem Bauch stützte sie die Fracht. Nur richtig laufen konnte sie deswegen nicht mehr. Sie watschelte und schwankte von einer Seite auf die andere.

Bonjour und Biber Biber lachten, taten dies aber nur ganz leise, denn sie bemerkten, dass der Transport dieser Vorräte ziemlich anstrengend für Gretchen und Grimmy war. Als die beiden Sammler das Ufer erreicht hatten, zeigte Biber Biber auf die neue Tasche und Bonjour erklärte, wie sie funktioniert. Grimmy und Gretchen hatten die gesammelten Vorräte ins Gras fallen lassen und nun machten sie sich daran, alles in die Tasche zu stopfen.

Es war mittlerweile dunkel geworden und sie konnten kaum noch etwas erkennen. Alle legten sich im Kreis um die Tasche herum und ruhten sich aus. Gretchen fielen vor Müdigkeit und Erschöpfung die Augen zu. Doch dann blinzelte sie noch einmal zu Grimmy hinüber und murmelte: "Du, wer trägt denn diese schwere Tasche? Ich bin ... ich kann ... ob ich das kann ... du, meinst du, ob ich ...". Sie sprach nicht weiter. Sie schlief tief und fest. Grimmy lächelte, antwortete aber nicht, weil er sie nicht stören wollte und weil er auch noch keine Antwort wusste.

1. Oktober 2012