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KALENDERGESCHICHTEN/021: 09-2012   Grimbart Wohlgemut - Ein Biberbau ohne Wasser (SB)

Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick
Ein Biberbau ohne Wasser

Der Biber, Gretchen und Grimmy saßen dicht beieinander. Da sich Grimmys Magen laut knurrend meldete, schlug er vor, sich auf die Suche nach Essbarem zu begeben.

"Was isst du eigentlich am liebsten?", wollte Gretchen von iber Biber wissen.

"Ja! Soll ich dir vielleicht etwas mitbringen, oder möchtest du mitkommen?", erwartungsvoll schaute Grimmy den neuen Bekannten an.

"Nein, nein, ich bleibe erst einmal hier. Mir schmerzen die Füße, lange Wanderungen über Land sind nichts für mich. Ich halte mich lieber im Wasser auf", erklärte der Biber.

Ungeduldig mischte Gretchen sich wieder ein: "Ja, und was isst du nun am liebsten?"

"Holz, ich meine die leckere Rinde ist natürlich das Köstlichste daran. Also, ich könnte dir Bäume nennen, deren Äste und Zweige einfach delikat, einfach, ja ..."

"Ist schon gut, genauer wollte ich es nicht wissen", bedankte sich das Eichhörnchen für die Auskunft und dachte bei sich: "Iss was dir schmeckt, nur mich bitte nicht!"

"Gut, dann bleibt ihr beide hier und ich schau' mal, was ich so finde, um meinen Hunger zu stillen", verabschiedete sich der Dachs und tappte los.

Da waren der Biber und Gretchen allein mit sich. Es wäre Gretchen lieber gewesen, wenn Grimmy nicht fortgegangen wäre. Irgendwie fühlte sie sich in seiner Nähe sicher, ohne ihn schutzlos.

Glücklicherweise entpuppte sich der Biber aber als ein lustiger und aufgeweckter Zeitgenosse. Nachdem er eine Weile an einem Ast genagt hatte, drehte er sich zu Gretchen und meinte: "Ich kann das alles nicht verstehen. Ich meine, wo ist das Wasser hingeflossen? Stell dir vor, ich schwimme abends in meine Burg, mache es mir mit Frau und Kindern gemütlich und als ich wieder aufwache ist kein Wasser mehr da. Verstehst du. Denk nur mal, du schläfst auf deinem Baum, wachst auf und der Baum ist weg - hä, wie ist das denn?"

Gretchen musste bei dieser Vorstellung laut lachen. Als sie sich wieder beruhigt hatte, japste sie: "Ja, ich glaub, ich kann deine Überraschung gut verstehen. Aber was willst du nun unternehmen?"

"Genau, genau, das ist das Problem. Ich weiß es nicht. Frau und Kinder warten auf mich an unserer Biberburg, die jetzt auf dem Trockenen liegt. Ich möchte so schnell wie möglich wieder bei ihnen sein. Entweder finde ich den Grund für das Verschwinden des Wassers und kann es wieder zurück leiten, oder wir müssen uns ein neues Gewässer suchen", dabei stöhnte er laut auf. "Mit drei Biberbabys im Schlepptau wird das ganz schon schwierig!"

"Oje, das ist ja, das ist ja ...", Gretchen fand keine Worte, "da muss uns etwas einfallen!" Sie setzte sich wieder hin und grübelte und grübelte.

Biber Biber kaute lustlos an einem neuen Ast und schien ebenfalls in Gedanken vertieft.

Plötzlich hörten beide ein leises, merkwürdiges Geräusch. "Schwuuuh, schwuuuh, schwuuh", kam vom Himmel über ihnen. Gleichzeitig schauten der Biber und das Eichhörnchen hoch in die Luft und erblickten den Uhu. Der grüßte mit einem gedehnten "Uhuuuuu, uhuuuuu" und setzte zur Landung an.

Gretchen drängte sich näher an Biber Biber, so wie sie es sonst bei Grimmy tat und grüßte den Uhu freundlich: "Hallo, schon zurück? Hast du etwas herausgefunden? Hast du Grimmys Dachsbau entdeckt? Ist es noch weit bis dorthin? Warte, warte, ich muss Grimmy rufen, er soll selbst hören, was du zu berichten hast ...", überstürzte Gretchen sich in ihrer Rede, drehte sich um und wollte schon nach Grimmy rufen, wurde aber jäh von dem Uhu unterbrochen.

"Halt, nun mal langsam, kleines Eichhörnchen. Lass mich doch erst einmal landen, ich bitte dich. Ich bin zwar ein famos guter Flieger, wahrlich famos gut, aber nichts desto trotz bin ich etwas außer Atem, bin nicht mehr der Jüngste."

Der Uhu trat nun von einem Fuß auf den anderen, kratzte etwas Erde auf, testete nochmal den Boden und begann damit, seine Flügelfedern zu richten. Im Anschluss begutachtete er den Sitz seines Brustgefieders, zupfte hier und dort, trat nochmal mit dem einen, dann mit dem anderen Fuß auf und hob schließlich den Kopf in Richtung Biber und Eichhörnchen.

"Also, ich kann dir verkünden, dass ich den Dachsbau mit dem großen Ast über dem Eingang tatsächlich entdeckt habe und ..."

Weiter kam der Uhu nicht, denn aus der Ferne rief Grimmy: "Hallo, hallo, wartet bitte, ich bin gleich da, warte Uhu, ich will selbst hören, was du zu berichten hast." Völlig gehetzt und aus der Puste erreichte Grimmy die kleine Versammlung stolpernd und hoppelnd, bis er schließlich stehen blieb und sich auf den Boden plumpsen ließ.

"Hallo, Grimmy", grüße der Uhu, "ich habe gute Neuigkeiten für dich, ich habe den großen Ast mit dem Dachsbau, äh, umgekehrt, ach, ja, also, ich habe den gesuchten Dachsbau gefunden."

"Oh, wie toll, das ist ja prima, also ...", Grimmy wusste vor lauter Freude gar nichts mehr zu sagen. Am liebsten hätte er den Uhu umarmt, so glücklich war er. Aber der Uhu war doch etwas zu groß dafür. Deshalb ließ Grimmy es bleiben und stellte die für ihn wichtigste Frage: "Und wie kommen wir dorthin?"

Doch bevor der Uhu antworten konnte, mischte sich der Biber voller Ungeduld ein: "Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Biber Biber. Da ich gerade gehört habe, dass du hier in der Gegend umher geflogen bist, um Grimmys Zuhause zu finden, möchte ich gern wissen: Hast du vielleicht auch einen Teich gesehen, der verschwunden ist?"

"Wie bitte, ich verstehe nicht - ich soll etwas gesehen haben, das gar nicht da ist?", vergewisserte sich der Uhu, denn er war nicht sicher, ob der Biber das wirklich so gemeint hatte.

"Oh, entschuldige, so kannst du das natürlich nicht verstehen", räumte der Biber ein und erzählte seine ganze Geschichte.

Aufmerksam hörte der Uhu zu. "In der Tat, ich habe einen rauschenden Bach gesehen, der in einen kleinen Teich mündet. Das war zu Beginn meines Erkundungsfluges. Auf meinem Rückflug habe ich dann nur noch gesehen, dass der Bachlauf durch einen Damm umgeleitet wurde."

"Oh, wer außer mir baut denn noch Dämme? Und warum?" Der Biber konnte sich keinen Reim darauf machen. Aber er war nun ganz zuversichtlich: "Auf Dämme bauen verstehe ich mich genauso wie darauf, sie zu durchbrechen. Und genau das werde ich, damit das Wasser wieder um meine Biberburg fließt."

"Nun, darf ich nochmal fragen, wie wir zu meinem Bau kommen?", leicht besorgt drängte sich Grimmy wieder in das Gespräch.

"Ja. Ich hatte mir gedacht, dass es wohl am besten sein wird, wenn ich voraus fliege und ihr mir folgt. Übrigens, Biber, wir kommen genau an diesem Damm vorbei. Dann kannst du mit dem Dammbruch beginnen. Ja, das ist famos gut ausgedacht von mir, wirklich famos gut. Und wisst ihr auch warum, weil wir dort eine kleine Pause einlegen können und danach geht 's auf zum Dachsbau", endete der Uhu seine Ansprache und hielt Ausschau nach bewundernden Blicken der anderen.

Die aber standen mit offenen Mündern und großen Augen da, bis endlich Gretchen ihre Sprache wiederfand: "Toll, Uhu, einfach riesig toll! Also, worauf warten wir noch?"

"Genau, genau, worauf warten wir noch", tönte der Biber wie ein Echo. Und Grimmy jauchzte: "Ja, auf geht 's, flieg voraus Uhu!"

"Moment, ich habe erst noch meine Pflichten als Uhu-Vater zu erfüllen. Meine Kleinen haben Hunger und meine Frau auch. Zuerst muss ich dafür sorgen, dass sie satt werden, dann komme ich zurück und wir begeben uns auf den Weg", bestimmte der große Vogel.

Obgleich alle etwas enttäuscht waren, widersprach niemand. Nur Gretchen konnte sich nicht zurückhalten: "Wie lange dauert das denn?"

"Nicht lange, bin sehr bald zurück, nicht weglaufen!", rief er zu ihnen hinunter, denn er hatte sich schon mit wenigen Flügelschlägen in den Himmel erhoben.

*

Tatsächlich brauchte er nicht lange und wurde freudig begrüßt, als er zurück kam. Er flog wie besprochen voraus, und die kleine Reisegesellschaft unter ihm trappelte hinterher. Sie mussten sich ganz schön anstrengen, denn der Uhu flog schnell. Doch er gab Acht, dass er stets in ihrer Sichtweite blieb. So erreichten sie ziemlich erschöpft den neuen Damm, durch den Biber Bibers Teich trockengelegt worden war. "Der sieht aber merkwürdig aus, so einen habe ich noch nie gesehen. Naja, macht nichts. Solange er aus Holz ist, kein Problem", sprach er und nagte drauflos. Jede Müdigkeit und Erschöpfung schien von ihm gefallen.

Staunend standen Grimmy, Gretchen und der Uhu daneben und sahen zu, wie der Biber Stück für Stück den Damm zerlegte. Nach einer Weile, floss bereits das Wasser durch ein noch kleines Loch. Biber Biber wütete wie ein Ungeheuer, als wäre der Damm ein großer, gefährlicher Gegner, den er zu besiegen hätte. Dann strömte das Wasser in großen Mengen und würde den Teich mit der Biberburg wieder auffüllen. Der Biber quietschte vor Freude und rief nach seiner Frau und den Kinder. "Schnell!", rief der Biber seinen neugewonnenen Freunden zu, "kommt mit zu meiner Burg!"

Zwar hatte Grimmy es eilig, auch nach Hause zu gelangen, aber die drei folgten Biber Biber dennoch zu seiner Burg. Dort plantschten die Kinder schon fröhlich mit ihrer Mutter im Wasser.

In ihrer Freude bemerkte niemand den Neuankömmling, der sich kaum sichtbar am Rande des Gewässers aufhielt. Nur Gretchen, die ganz nah am Wasser im Ufergras hockte, wunderte sich über eine in Bewegung befindliche Merkwürdigkeit und konnte sich nicht entscheiden, ob sie bleiben oder wegrennen sollte.


zum 3. September 2012