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GUTE-NACHT/3660: Im Advent - Ach, Olga (SB)



Drei Tage vergingen, ohne daß jemand - naja, die Kinder Marlene oder Simon, vielleicht auch Opa oder Oma - das Schaf Molly vermißt hätten. Noch immer saß Molly auf der Holzbank beim Kräuterbeet. Obwohl die letzten Tage die Kaninchen auch gefüttert werden mußten und dies geschah, war es eben nur Opa, der in den Schrebergarten kam. Am Kräuterbeet hatte er nichts zu schaffen. Das war Omas Angelegenheit. Und jetzt im Winter war hier nicht viel zu holen.

So hockte Molly auf der Holzbank, und ihr Blöken wurde überhört. Es wurde auch nicht besser, als der erste Schnee fiel. Jetzt sah die Holzbank und Molly gleichermaßen weiß aus. Keiner erkannte mehr ein Schaf auf der Bank, da hätte er sich schon draufsetzen müssen. Zum Glück war Molly ein Schaf aus echter Schafwolle, die noch ihr natürliches Lanolin enthielt. Dieses Fett bewirkte, daß Molly nicht durchweichte.

Auch wenn Schafe sehr geduldig sind, langsam wurde es Molly doch langweilig. Da sie immer nur die gleiche Umgebung um sich herum erblickte, schloß Molly die Augen und träumte. Die vergangenen letzten Tagen mit all ihren Begegnungen erlebte sie noch einmal in rückwärtiger Zeitfolge. So befand sie sich auf Marlenes Arm, die sie von Omas und Opas Zuhause mitgebracht hatte. Bei Oma und Opa hatte sie auf dem Sofa gesessen. Dort war es warm und gemütlich. Nicht so gemütlich war es bei den Kindern Marlene und Simon zuhause, deren schimpfende Mutter Molly in die Waschmaschine gestopft hatte. Zum Glück war Mama damals so verärgert gewesen, daß sie das Waschpulver vergessen hatte. Das war jetzt Mollys Glück, denn Wasser allein machte Molly nur sauber, löste aber nicht ihren tollen Schutz gegen jedes Wetter heraus.

Davor war Molly im Park gestrandet, wo sie einem Obdachlosen als Kopfkissen diente. Wie war sie noch einmal in den Park gelangt. Ach ja, Kinder hatten mit ihr Fußball gespielt. Das war nicht nett. Sie hatten Molly beim Briefkasten gefunden, wo Olgas Mama das Schaf vergessen hatte, als sie die Briefe einwarf.

"Oh ja, Olga", stöhnte Molly im Schlaf, "wie kommen wir nur wieder zusammen?" Und in ihrem Kopf hörte Molly das Lied, das Olga immer für sie gesungen hatte:

"Ach, Molly liebe Molly mein,
wann können wir wieder beisammen sein?
Am Montag.
Ach wenn es doch bal wieder Montag wär`
und ich bei meiner Molly wär`,
ja Molly wär."

Wenn Olga den Namen Molly sang und auch bei dem Wort Montag, ging sie immer in die Knie. Molly, auf Olgas Arm, ging so auch mit in die Tiefe und wieder in die Höhe.

Molly sang die ganzen Wochentage hindurch und bei jedem Namen und jedem Wochentag gingen beide nach unten. Beim Sonntag angekommen, war Olga dann wirklich außer Puste. Sie schmiß sich dann auf`s Bett und strahlte Molly an.

"Ach, Olga liebe Olga mein, wann können wir wieder beisammen sein ...?", diese Frage stellte sich Molly inbrünstig und sie hoffte, daß ihr bald eine Antwort einfiel ...

Gute Nacht!

zum 18. Dezember 2018


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