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GUTE-NACHT/3450: Knopf, Knöpfchen und Auge fallen auf den Boden (SB)



K N O P F ,   K N Ö P F C H E N   &   A U G E

fallen auf den Boden


Mitten in der Nacht wachte Schwiegermutter auf. In dem Sessel war es ihr doch recht unbequem geworden. Sie stand auf, streckte sich und gähnte. Noch immer lief der Fernseher. Schwiegermutter schaltete ihn aus. Sie war noch so benommen und müde, daß sie es unterließ, ihren Kittel am Kleiderhaken im Flur aufzuhängen. Langsam ging sie ins Badezimmer, hatte aber vergessen, was sie dort wollte - vielleicht wäre ja Zähneputzen angesagt? Normalerweise hätte sie anschließend ihren Kittel im Flur an die Garderobe aufgehängt. Doch jetzt mitten in der Nacht, schaltete sie nur noch die Lichter aus und schlich in ihr Schlafzimmer. Den Kittel zog sie aus und ließ ihn einfach vor ihrem Bett niederfallen. So müde war sie. Auch die anderen Kleidungsstücke ließ sie einfach fallen. Zum Glück kamen diese nicht auf dem Kittel zum Liegen.

Als der Kittel auf den Boden hinunterfiel, wachten Knopf und Auge in der linken Kitteltasche auf. Knöpfchen hatte sich ja in der rechten Kitteltasche in ein Taschentuch gewickelt. Und so träumte er weiter von spannenden Abenteuern. Vielleicht flog er gerade und war abgestürzt, als der Kittel zu Boden fiel. Doch das schien Knöpfchen nichts auszumachen, er schlief unbeirrt weiter. Knopf und Auge hingegen waren jetzt wach und merkten sofort, daß irgendetwas anders war. Sie rollten hin und her, und ihnen wurde klar, daß sie jetzt die Möglichkeit bekommen hatten, aus der Kitteltasche heraus zu kommen.

"Knöpfchen!", rief Knopf. Aber von Knöpfchen kam keine Antwort. "Komm Auge, wir wollen zu Knöpfchen hinübergehen und ihn wecken. In der Kitteltasche war es recht dunkel. Doch als die beiden aus der Tasche hinausrollten, wurde es heller. Der Mond schien durch das Fenster. Schwiegermutter war so müde gewesen, daß sie nicht einmal die Gardinen zugezogen hatte, und das vergaß sie eigentlich nie. Knopf und Auge erkundeten die Umgebung. Knopf rief erneut nach seinem Freund. Doch Knöpfchen hörte noch immer nicht. Seine Abenteuer wurden wohl wilder, denn er stöhnte im Schlaf. Daran konnten sich Auge und Knopf orientieren, und sie kullerten dem Stöhnen entgegen.

Diesmal hatten sie Glück. Der Eingang zur zweiten Kitteltasche lag leicht geöffnet da. Auge und Knopf rollten vorsichtig hinein. "Knöpfchen, wach auf! Wir sind es, deine Freunde!" Mit einem lauten Schrei wachte Knöpfchen auf. Er hatte geträumt, er sei in der Waschmaschine hin und her geschleudert worden. Die große Maschine, die Knöpfchen am gestrigen Waschtag durch das kleine Loch in der Kitteltasche gesehen hatte, beeindruckte schon mächtig, hatte Knöpfchen aber auch sehr geängstigt.

Den beiden Knöpfen und Auge wurde jetzt bewußt, sie waren endlich wieder beieinander. Dieses Problem war also gelöst. Doch wie sollte es jetzt weitergehen? Würde Schwiegermutter den Kittel morgen wieder anziehen? Sollten sie hier zusammen in Knöpfchens Kitteltasche verweilen, bis sie eine Idee hatten, was weiter geschehen mochte? Wo waren sie sicher?

Auge hatte eine Idee: "Wir bleiben hier in der Schürzentasche, und wenn Schwiegermutter den Kittel morgen abend an die Garderobe hängt, klettern wir in eine ihrer Manteltaschen. Wenn sie dann wieder aus dem Haus geht, nimmt sie uns einfach mit." Knöpfchen hatte einen Einwand. Er war wohl etwas abergläubisch. Nach diesem Traum wollte Knöpfchen nicht in der Kitteltasche bleiben: "Wenn sie nun morgen wieder wäscht und dann den Kittel nimmt und ihn ohne uns zu fragen in die Waschmaschine steckt? Dann wird mein Traum war, und das wäre mir gar nicht recht. Mir ist ganz schön schwindelig in der großen Rolle gewesen." Knopf beruhigte Knöpfchen: "Da kannst du ganz unbesorgt sein. Sie wird uns nicht in die Waschmaschine stecken. Erinnere dich an Auges Geschichte. Schwiegermutter hatte ja auch Auge aus der Hosentasche geholt, bevor sie diese in die Waschmaschine stopfte." - "Ja, das stimmt", bestätigte Auge, "sie kontrolliert immer erst alle Taschen der Kleidungsstücke, bevor sie diese in die Waschmaschine steckt." - "Trotzdem will ich endlich aus dieser engen Höhle raus", protestierte Knöpfchen. "Was schlägst du vor?", fragte Auge Knopf, der noch keine rechte Idee hatte. "Mhm, hierbleiben oder einen anderen Platz suchen, das ist die Frage." Doch die Frage erübrigte sich. Denn der Mond war weiter herumgewandert und schien Schwiegermutter genau ins Gesicht. Sie erwachte davon, wollte aufstehen und die Gardinen zuziehen, weil sie so einfach nicht weiterschlafen konnte.

Sie setzte sich aufrecht ins Bett, streckte einen Fuß unter der Bettdecke hervor und dann den zweiten und ließ die Füße vor das Bett plumpsen, während sie dabei mit Schwung versuchte aufzustehen. "Aua!", schrie Schwiegermutter plötzlich, "worauf bin ich denn da getreten?" Schnell hatte sie sich wieder auf die Bettkante gesetzt und die Nachtischlampe angeknipst. Vor dem Bett lag ihr Kittel. Den hob sie auf und fuhr in die Kitteltaschen. In der linken Kitteltasche fand sie Wäscheklammern. "Kein Wunder", dachte Schwiegermutter bei sich, "daß die immer weniger werden, wenn sie sich in all meinen Kleidertaschen verstecken." Dann faßte sie in die rechte Kitteltasche. Zuerst holte sie das Taschentuch hervor. Dann faßte sie noch ein zweites Mal hinein und zerrte Auge, Knopf und Knöpfchen vors Nachtischlampenlicht. Knöpfchen wehrte sich und wäre beinahe noch von Schwiegermutters Hand gekullert.

Da lagen nun die Drei und die alte Dame wunderte sich. Sie konnte sich gar nicht erinnern, zwei Knöpfe und noch dazu einen besonders merkwürdigen Knopf in ihre Kitteltasche gesteckt zu haben. Schwiegermutter schüttelte den Kopf, legte die drei Knöpfe auf den Nachttisch und hängte den Kittel über einen Stuhl, der neben ihrem Bett stand, ging zum Fenster, schloß die Gardinen und trottete zum Bett zurück. Sie schlüpfte wieder unter die Decke, knipste die Nachtischlampe aus, grübelte noch einmal über die Knöpfe nach und wünschte sich selbst für den Rest der Nacht noch eine:

"Gute Nacht."

Knopf und Knöpfchen - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 11. August 2011