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GUTE-NACHT/3297: Der kleine Nachtwächter wird aufgesucht (SB)


Gute Nacht Geschichten

"Aah!", gähnt der kleine Nachtwächter und steigt langsam aus seinem Bett. Sein Blick fällt auf die Laterne. Ein bißchen wehmütig wird ihm schon. Denn vor Tagen lebte dort drinnen Frau von Zitterspinne. Ab und zu, besonders wenn der kleine Nachtwächter durch die Straßen der Stadt spazierte, zog sie es vor, oben auf der Laterne wie auf einem Aussichtsposten zu sitzen. Doch dann schlüpften ihre Kinder aus den Eiern, und so zog die Spinne mehr oder weniger freiwillig um. Der kleine Nachtwächter besorgte ihr ein warmes Plätzchen in der Kirchen-Bibliothek, die gleich an das Kirchenschiff angrenzt.

"Mhm!", beginnt der kleine Nachtwächter, "wir werden sie wohl heute einmal besuchen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Ich betrete die Kirche, während du, Rebell, draußen wieder Wache schiebst und bellst, falls irgendetwas Verdächtiges sich nähert." Rebell wufft kurz, um sein Einverständnis zu signalisieren.

Da klingelt es an der Wohnungstür. "Wer mag das sein?", stutzt der kleine Nachtwächter und geht öffnen. Es ist der Hausmeister. Er zeigt ein grimmiges Gesicht. In der Hand hält er eine Schaufel. Auf der Schaufel liegt ein Häufchen ...

"Kleiner Nachtwächter! Schau dir das einmal genau an. Der Haufen gehört doch sicher zu deinem Hund." - "Warum ausgerechnet zu meinem Hund? Es gibt doch viele Hunde in der Stadt!", verteidigt sich der kleine Nachtwächter. "Ah, du gibst also zu, daß du einen Hund hast ...", stellt der Hausmeister fest. Wie zur Verteidigung kommt Rebell mit einem Satz hinter dem Sessel hervor und wufft. "Nicht nur Stadtverschmutzung, auch noch Angriff gegen eine Person. Außerdem weißt du doch, daß in unserem Haus Tiere verboten sind."

Das hatte der kleine Nachtwächter glatt vergessen. Er hätte bei dem Hausbesitzer um Erlaubnis fragen müssen, ob er in der gemieteten Wohnung einen Hund halten darf. Ja, auch große Menschen dürfen nicht alles für sich alleine bestimmen. "Ich werde mir die Genehmigung noch einholen...", beginnt der kleine Nachtwächter. Doch der Hausmeister will davon nichts hören: "Nichts da! Bislang hatten wir keine Hunde hier im Haus, dann wird das auch in Zukunft so bleiben. Die machen doch nur Dreck."

Gerade will der kleine Nachtwächter etwas zu seiner Verteidigung sagen, da klingelt das Handy des Hausmeisters. Der greift in seine Tasche mit der einen Hand, mit der anderen hält er noch immer die Schaufel fest, was zu einem richtigen Balanceakt wird. "Sehr wohl", stottert der Hausmeister in das Handy hinein, "wird sofort erledigt." Damit legt er auf und wendet sich zum Gehen. Dann dreht er sich noch einmal schwungvoll um und zeigt auf ein Schild an der Hausflurwand. Bei seiner Drehung kippt die Schaufel in seiner Hand und das Häufchen darauf fällt zu Boden. Doch noch nicht genug der Schererei, der Hausmeister kann nicht ausweichen und tritt genau mitten rein. Oh, was ist er da am Fluchen.

Schnell schließt der kleine Nachtwächter die Tür hinter dem Hausmeister, um nicht auch noch den Zorn über dieses Mißgeschick ab zu bekommen. Durch den Spion an der Tür sieht er den Hausmeister mit dem braunen, klebrigen Zeug an dessen Schuh kämpfen.

Sein Blick wandert weiter zur gegenüberliegenden Wand, die durch das kleine Glas wie durch eine Lupe etwas größer erscheint. Der kleine Nachtwächter ist sich sicher, das Schild an der Wand gab es bis vor kurzem noch nicht. Es wurde frisch angebracht. Auf ihm steht:

"Hunde halten und Hunde mitbringen verboten!"

Der kleine Nachtwächter schüttelt den Kopf und wendet sich Rebell zu. "Wir werden uns wohl ein neues Zuhause suchen müssen!", sagt er. Dann blickt er erneut durch den Spion, um zu sehen, ob der Flur leer ist. Noch einmal will er dem Hausmeister an diesem Abend nicht begegnen. Alles ist still.

Der kleine Nachtwächter greift sich seine Utensilien - die Laterne und die Taschenlampe und tritt vor die Tür. Peinlichst achtet er darauf, wo er auf dem Fußboden hintritt. Schnell ist er auf der Straße. Dort schaut er nach, ob noch Bewohner der Stadt unterwegs sind. Aber alles ist ruhig. Also lenkt er seine Schritte zur Kirche hinüber und Rebell folgt.

Bei der Kirche angelangt, sieht der kleine Nachtwächter noch einmal nach, ob die Luft rein ist. "Versteck dich Rebell und ruf mich, wenn etwas Ungewöhnliches geschieht!" Damit ist er auch schon im Innern der Kirche. Dort geht er zielstrebig in den Teil der angrenzenden Bibliothek und besucht Frau von Zitterspinne und deren Nachwuchs ...

... Als er wenige Minuten später wieder aus der Kirche auf die Straße tritt, ruft er Rebell sogleich aus dessen Versteck zu sich. Doch nichts rührt sich. Noch einmal ruft der kleine Nachtwächter: "Rebell!" Und immer wieder: "Rebell! Rebell!" Doch Rebell erscheint nicht. Der kleine Nachtwächter leuchtet mit seiner Laterne die ganze Gegend ab und strahlt mit der Taschenlampe auch zwischen die Büsche. Aber der große schwarze Hund bleibt verschwunden.

23. November 2010

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