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GUTE-NACHT/2999: Hinter der Mauer - Die letzte Nacht (SB)


Gute Nacht Geschichten


Die Eltern von Solveig und Anselm sind heute eingetroffen. Auch wenn die Tage bei Oma sehr schön waren, so freuen sich die Kinder doch darauf wieder nach Hause zu kommen. Das Grillfest mit Würstchen, Kartoffelsalat und außerdem Kuchen ist gelungen. Es sind sogar noch Gäste aus der Nachbarschaft gekommen. Sie wollten sehen, was aus dem kleinen Mädchen von einst - Solveigs und Anselms Mutter - geworden ist. Erst spät am Abend geht die Familie zu Bett, obwohl sie am nächsten Morgen recht früh aufbrechen wollen.

Anselm und Solveig warteten bereits darauf, daß sich alle zurückziehen. Die Geschwister haben mit Oma ausgemacht, daß sie auch die letzte Nacht in dem Gartenhäuschen schlafen wollen. Oma könne ruhig ins Haus in ihr Bett gehen. Sie hätten jetzt beide keine Angst mehr allein hier draußen.

Eigentlich hätte Oma hellhörig werden müssen, aber sie war wohl von der vielen Arbeit der letzten Tage doch sehr erschöpft und schlief, einmal in ihr Bett gesunken, wohl auch gleich ein. So dachten die Kinder, als das Licht in Omas Zimmer als erstes erlosch. Nach einer Weile ging dann das Licht im Gästezimmer, also bei den Eltern aus.


Da nun alle Lichter im Haus gelöscht sind, wagen sich die Kinder aus dem Gartenhaus wieder hervor. Beide wollen die letzten Stunden noch einmal dafür nutzen, das Leben bei Nacht auf dem Friedhof zu erleben. Der Weg ist nicht weit - nur durch das Loch zwischen der Mauer und der Hecke schlüpfen und schon sind sie dort. In dieser Nacht brauchen die beiden nicht einmal eine Taschenlampe, denn der Mond leuchtet hell vom Himmel.

"Gehst du vor?", fragt Solveig und hält sich dicht bei ihrem Bruder. Gleich hinter der Mauer bleiben beide auf dem niedrigen Erdwall sitzen und blicken über den Friedhof. Eigentlich hatten sie sich vorgenommen, einen Spaziergang über Gottes Acker zu unternehmen. Doch so richtig trauen sie sich nicht.

Anselm will seinen Mut beweisen und fordert seine Schwester auf, nun endlich mitzukommen. Sie nehmen sich bei der Hand und steuern auf den breiten Sandweg zu. Plötzlich schreit ein Vogel und die Kinder schrecken zusammen. Sie huschen unter die Trauerweide und lehnen sich an deren Stamm. Anselm steht wieder auf: "Komm, wir gehen weiter." - "Nein", protestiert Solveig, "ich gehe kein Stück." Zuerst versucht Anselm seine Schwester noch zu überreden. Da sie aber nicht mitkommen will, geht er allein. Denn er glaubt, daß sie ihm bestimmt folgen wird. Solveig aber schließt die Augen, hält sich die Ohren zu und schreit. Schnell ist Anselm wieder bei ihr. Er will nicht, daß der Schrei die Eltern oder ihre Oma weckt. Schließlich dürfen sie ja gar nicht hier auf dem Friedhof sein.

Anselm nimmt seine Schwester in die Arme. Doch noch immer schreit sie. Da gibt er ihr eine Ohrfeige. Sofort ist Solveig still. Die schmerzende Wange hat sie wieder zurückgeholt. Solveig ist jetzt sauer auf ihren Bruder, aber sie beruhigt sich und hört auch auf zu schreien.

"Kommst du jetzt mit oder willst du bis morgen früh hier sitzen bleiben?" Solveig fröstelt. Sie hat ja nur ihr Nachthemd an. Anselm drückt ihre Hand ganz fest und sagt: "Wir huschen schnell zu dem Loch im Zaun zurück und du darfst als erste wieder in unseren Garten kriechen. Solveig nickt. Dann laufen sie los. Doch was ist das? Ein Stück entfernt, von dort wo der Eingang zum Friedhof liegt, schwebt eine weiße Gestalt auf die Geschwister zu. Jetzt nehmen beide die Beine in die Hand und laufen zur Mauer. Die Gestalt folgt ihnen und scheint auch noch zu rufen! Aber die Kinder blicken sich nicht mehr um, sondern rennen und kriechen um ihr Leben. So schnell sind sie noch nie einen Weg wieder zurückgelaufen. Wieder im Garten angelangt gibt es keine Verschnaufpause. Die Kinder wollen nur noch ins Gartenhaus kommen und die Türe verschließen.

Die Tür fällt ins Schloß und die Kinder lehnen sich aufatmend dagegen. Da holt sie der nächste Schrecken ein. Auf der Liege, die doch eigentlich leer sein müßte, liegt jemand. Gerade wollen die Kinder schon wieder aus dem Gartenhaus stürmen, da geht die Nachttischlampe an und Oma wird sichtbar. "Ich dachte mir, es ist wohl besser, euch doch nicht alleine zu lassen. Ihr könntet ja sonst Angst bekommen. Solveig stürzt auf Oma zu und fällt ihr in die Arme. Sie ist froh, daß Oma jetzt hier ist. Auch Anselm fühlt sich gleich besser. Die Kinder huschen in ihre Betten. In dieser Nacht braucht Oma keine Geschichte mehr zu erzählen. Die Kinder haben reichlich Abenteuer erlebt.

7. August 2009

Gute Nacht