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GUTE-NACHT/2829: Eine Sultanine auf Reisen (SB)


Gute Nacht Geschichten


Sie war eine in der Sonne südlicher Länder getrocknete Weinbeere. Einst war sie dick und leicht oval, grün in der Farbe und zu ihrem Glück kernlos, denn sonst hätte ihr Leben wohl einen anderen Weg eingeschlagen. Die südliche Sonne verwandelte die Weinbeere in eine Sultanine.

Auf dem Trockenplatz ein Stückchen weiter lagen die kleinen, dunkelvioletten bis fast schwarzen Trauben in der Sonne. Aus ihnen sollten nach harter Schwitzarbeit die Korinthen werden. Sultaninen und Korinthen kannten sich nur von weitem. Nie würden sie zusammen in einer Tüte auf Reisen gehen.

Dann kam der Tag, an dem die Trocknung beendet war. Der Zustand der Sultaninen wurde als gut empfunden. Während die Korinthen nebenan schon vor Tagen abtransportiert worden und neue kleine Weinbeeren auf dem Platz verteilt worden waren, war jetzt der richtige Augenblick für die Sultaninen eingetütet, in Kartons verpackt und verschickt zu werden.

Eine lange Zeit der Dunkelheit bestand unserer Sultanine bevor. Sie hatte sich ihre Reise in den Norden ein bißchen anders vorgestellt. Die Fahrt würde entweder mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug vonstatten gehen. Aus Erzählungen wußte sie, daß die Reise mit dem Schiff um einiges länger dauern würde, daß ihr dann jede Menge Schaukelei auf dem Wasser bevorstand. Dagegen wäre ein Flug um einiges kürzer und man schwebte über den Wolken. Doch nichts dergleichen konnte die Sultanine wirklich genießen. Sie lag mit vielen anderen Artgenossinnen in einem Karton, der keine Sicht nach draußen freigab. So bekam die Sultanine von der Landschaft nichts mit. Nur die Bewegung des Pakets übertrug sich auf sie alle. Davon wurde so manch einer Rosine schlecht.

Schließlich, wie würde es dir ergehen, wenn du lange Zeit mit verbundenen Augen durch die Umgebung getragen oder geschüttelt würdest, ohne zu wissen, wo jetzt gerade oben oder unten ist?

Fortsetzung folgt


12. Januar 2009

Gute Nacht