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GUTE-NACHT/2332: Familie Schwalbe - Unter Beobachtung (SB)


Familie Schwalbe - Unter Beobachtung

Nachbar Elster sieht Vater Menschlein im Garten und kommt gleich an den Zaun: "Hallo Herr Nachbar! Ich wollte mal fragen, ob sie mir nicht einmal ihre Aufzeichnungen über die Schwalben zeigen können? Denn ich habe gestern auch angefangen, mir ein paar Notizen über meine Schwalben zu notieren."

Vater Menschlein freut sich, bei seinem Nachbarn das Interesse für Vogelbeobachtungen geweckt zu haben, holt sein Schwalbentagebuch und zeigt Herrn Elster gleich seine beliebteste Stelle.

Abends im Bett überlegt er dann, ob er nicht in diesem Jahr auch wieder einen ganzen Tag dem Beobachten der Schwalben widmen sollte.

Mutter Menschlein findet das keine so gute Idee: "Dann kann ich dich den ganzen Tag wieder nur bedienen und muß dich auch wieder ablösen, wenn du mal für kleine Leute mußt." - "Aber das machst du doch sicher gern für mich", schmeichelt sich Vater Menschlein bei seiner Frau ein. "Also gut, dann bringen wir es gleich am nächsten Sonntag hinter uns!" gibt Mutter Menschlein klein bei. "Danke", sagt Vater Menschlein und wünscht noch eine, "gute Nacht."


*


Aus dem Tagebuch einer Schwalbenfamilie - Teil 4

29.06.2002

Das Problem mit den fremden Eiern im alten Schwalbennest steht noch immer an. Was ich mit ihnen machen soll oder auch nicht, weiß ich noch nicht. Denn zuersteinmal will ich mich einen ganzen Tag lang im Flur hinsetzen und die Schwalben durch das Oberlicht beobachten, ohne daß sie mich sehen.

Wie oft werden die Schwalbenkinder gefüttert? Wann beginnen die Eltern den Tag und wann gehen sie zu "Nest"? Wieviele Schwalbenkinder befinden sich überhaupt in dem Nest? All diese Fragen werde ich wohl nur beantworten können, wenn ich die Schwalben genau im Auge behalte. Nun, mir ist klar, daß ich die Schwalben schon mehrere Tage hintereinander beobachten und dann alle Daten vergleichen müßte, wollte ich genauere Schlüsse aus meinen Beobachtungen ziehen. Aber ich habe nicht so viele Tage Zeit. Doch ich greife mir einen Tag heraus, einen Sonntag, an dem ich selbst Zeit habe, und notiere mir zumindest einige Anhaltswerte zu meinen Fragen. Wiederholen werde ich meine Beobachtungen wohl kaum am nächsten Sonntag noch einmal machen können. Denn ich habe das Gefühl, bis dahin werden die Kleinen fliegen können.


Es ist der 30.06.2002, ein Sonntag - mein Beobachtungstag


Um 5.00 Uhr schaue ich nach den Schwalben. Sie schlafen noch. Vater Gucky sitzt auf dem alten Nest, während Mutter Schwalbe bei ihren Kindern auf dem Rand des neuen Nestes hockt.

Um 6.00 Uhr hat sich noch nichts verändert.

Zwischen 7.00 Uhr und halb 8.00 Uhr fliegen die Schwalbeneltern fort. Um 7.30 Uhr beginne ich mit meinen Aufzeichnungen:

Wenn die Schwalbeneltern angeflogen kommen und ihre Jungen füttern, notiere ich mir jedesmal die Uhrzeit. Ich stelle fest, sie füttern immer nur einen Vogel, ganz selten einmal zwei. Sehr oft kommen beide Vogeleltern kurz hintereinander angeflogen, so daß sie in der gleichen Minute ihre Kinder füttern. Deshalb steht hinter der Uhrzeit weiter unten "beide". Manches Mal treffen die Vogeleltern auch direkt zusammen ein, dann steht hinter der Uhrzeit ebenfalls "beide".

Hier schon einmal vorab das Ergebnis meiner Beobachtungen - wer es genau wissen will, kann ja weiter unten nachlesen:
Im Laufe des Tages werden die Schwalbenkinder 377 mal gefüttert. Geteilt durch 5 Kinder macht das ungefähr pro Schnabel 75 Fütterungen aus. Es geschieht dabei durchaus, daß ein Schwalbenkind gleich mehrmals hintereinander seinen Schnabel gestopft bekommt. Doch die Schwalbeneltern wechseln schon ab. Ob derjenige am meisten bekommt, der am lautesten schreit?

Schreien bzw. Piepsen können die Schwalbenkinder wirklich sehr gut. Schaue ich mal kurz nicht zu ihnen nach oben, verpasse ich das Erscheinen der beiden Guckys nicht, denn die Kinder fangen sofort an zu Piepen, wenn die Eltern kommen. Dann reißen sie ihre Schnäbel auf und jeder will was abbekommen. Ich notiere mir auch die Schwalbe, die in der Reihe der aus dem Nest schauenden Schnäbel gefüttert wird. Kann ich einmal nicht sehen, in welchen Schnabel die Eltern etwas stecken, so kann ich es gleich an den Schluckbewegungen des Vogels erkennen. Ich notiere die Nummer des Kopfes in der Reihe. Doch bleibt Nummer vier nicht immer Nummer vier. Denn die Vogelkinder tauschen auch des öfteren ihre Plätze oder sie verstecken sich ganz im Nest. Am Morgen glaubte ich sogar, es seien nur vier Schwalbenkinder. Da gibt es eben einen rechten Langschläfer unter den Vogelkindern. Der muß sogar von seiner Mutter erst aufgeweckt werden.

Bei meinen Beobachtungen stelle ich fest, wie wenig Platz doch die fünf recht moppeligen Vögel nur benötigen. Es sieht lustig aus, wenn alle fünf Köpfchen nebeneinander aus dem Nest schauen. Wird die Tür geöffnet, ziehen sie schnell ihre Köpfe ins Nest hinein und sagen auch keinen Piep mehr.
Zwischendurch drehen sie sich um und halten ihre Schwänze aus dem Nest. Dann macht es gleich "Klack" und ein Klecks erscheint auf der Eingangstreppe. Sind sie nicht ein recht reinliches Völkchen? Zwei- bis dreimal kann ich sogar beobachten, wie die Eltern den gerade herunterfallenden Kot aufnehmen und ihn forttragen.
Bewegung verschaffen sich die Vogelkinder auch. So manches Mal, wenn sie ihre Schwänze aus dem Nest halten, krallen sie sich mit ihren Krallen am Nest fest und scheinen erste Flugübungen zu veranstalten. Dann sieht es so aus, als ob sie gleich kopfüber aus dem Nest fallen. Doch kein einziges Schwälbchen fällt wirklich heraus.


Hier folgen die Daten der Fütterungen:


Beide bedeutet zwei Fütterungen,
wo nur die Uhrzeit steht fand nur eine Fütterung statt.

7.35
7.40
7.42
7.45
7.47
7.49
7.52
7.55 beide
7.57
7.58 beide
7.59

8.00
8.01
8.02
8.04 zwei gefüttert
8.07
8.08
8.10
8.11
8.12
8.14
8.15
8.16
8.17 beide
8.19
8.20
8.21

(zwischen 8.22 - 8.24 steht die Haustür offen, kein Anflug)

8.25
8.32
8.34
8.37
8.41
8.43
8.45
8.54
8.55
8.56
8.58
8.59

9.00 beide
9.05
9.06
9.07
9.08
9.10
9.14
9.18
9.19
9.21
9.22
9.23
9.24
9.28
9.31 beide
9.33
(zwischen 9.35 - 9.37 Haustür offen)
(Zaunkönig taucht 9.40 auf)
9.40
9.44
9.46
9.48
9.51
9.53
9.55
9.56 beide
9.57
9.58 beide
9.59 beide

10.00 beide
10.01
(Tür 10.02 geöffnet, Anflug verhindert)
10.05
10.06
10.08
10.09 beide
10.10
10.11
10.12
10.16
10.18
10.20
10.23
10.26
10.27 beide
10.28 beide
10.32
10.36
10.38 zwei gefüttert
10.40
10.41 beide
10.42
10.43 beide
10.44 beide
10.45
10.47
10.49
10.51
10.52
10.53
10.54
10.55
10.56 beide
10.57
10.58

11.00
11.01
11.02
11.03
11.04
11.06 beide
11.07
11.08
11.09
11.10
11.12
11.16
11.18 beide
11.20
11.23
11.26 beide
11.27
11.30
11.31
11.35
11.36
11.37
11.39
11.45
11.46
11.50 (trotz offener Tür)
11.56
(Tür 11.59 geöffnet, Anflug gestoppt)

12.02
12.04
12.05
12.08
12.10
12.12
12.14
12.16
12.17
12.19 beide
12.21
(irgendjemand 12.24 vor der Tür)
12.28
12.29
12.31
12.32
12.33
12.34
12.35
12.37 beide
12.39 beide
12.40 beide
12.42 beide
12.43
12.44 beide
12.47
12.48
12.49 beide
12.50 beide
12.51
12.52
12.55
12.57

13.00
13.01
13.02 beide
13.04
13.07
13.09 beide
13.10 beide
13.11
13.12 beide
13.13
13.14 beide
13.15
13.16
13.18
13.19 beide
13.20
13.22
13.24 beide
13.26
13.27
13.30
13.39
(Tür zwischen 13.43 -13.50 offen)
13.50
13.52 beide
13.54 beide
13.55
13.57
13.59 beide

14.01
14.04
14.05 beide
14.06
14.07
14.08
14.09 beide
14.11
14.12
14.13
14.14 beide
14.15
14.16 beide
14.17 beide
14.18 beide
14.19 beide
14.20 beide
14.21 beide
14.22
14.24
14.28
14.29 beide
14.30 beide
14.31
14.32 beide
14.34
14.35
14.38
14.41
14.42
14.46
14.47
14.50
14.52
14.56

15.02
15.05 beide
15.07
15.08
15.10
(Unruhe auf dem Hof zwischen 15.10 und 15.47)
15.25
15.26 beide
(Tür 15.31 offen)
15.35
15.55
15.58

16.01
16.05
(ab 16.25 wieder Unruhe auf dem Hof)
16.37 beide
16.40
16.44
16.56 beide
16.59 beide

17.05
17.10 beide
17.12 beide
17.13
17.14
17.16
17.17
17.19
(Tür 17.20 auf)
17.21
17.24
17.26
17.31 beide
17.34
17.36
17.38
17.40 beide
17.41
17.42
17.47
17.48
17.55 (trotz dreimal geöffneter Tür)

18.02
18.05
18.12
18.14
18.16
18.30
18.35
18.38
18.41
18.42
(Tür 18.44 auf)
18.45
18.53
18.57
18.59

19.00
19.06
19.09
(Tür 19.14 auf)
19.16
19.28
19.42
19.45
19.46
(Tür 19.59 auf)

20.04
20.05
20.07
20.08
20.09
20.14
20.15
20.20
20.23
20.24 beide
20.25 beide
20.27 beide
20.28
20.36
20.37
20.38
20.39
20.40
20.41 beide
20.42 beide
20.43
20.45 beide
20.46 beide
20.48

Betrachte ich mir die Fütterungsdaten, meine ich zu erkennen, daß die Jungen vom frühen Morgen bis zum frühen Nachmittag, so gegen 15.00 Uhr recht üppig gefüttert wurden. In den nächsten Stunden tauchen die Eltern zwar immer wieder auf, doch nicht so oft. Sicher fressen sie sich jetzt selbst erst einmal tüchtig satt. Dann in der letzten Stunde vor der Nachtruhe bekommen alle Schwalbenkinder noch einmal eine ordentliche Portion ab. Gegen 21.07 Uhr kehrt dann ein Gucky zurück. Er kommt ohne Futter nach Hause und setzt sich sogleich auf das alte Schwalbennest. Die Schwalbenkinder sind damit nicht einverstanden. Sie piepsen und piepsen und wollen nicht aufhören. Sie fordern weiteres Futter ein. Doch irgendwann ist eben Schluß für heute. Der kleine Gucky läßt sich nicht erweichen und fliegt auch nicht mehr fort, selbst nicht als ich die Haustür noch einmal öffne. Das Geschimpfe hält fast die nächste halbe Stunde an. Die Kleinen versuchen immerwieder ihren Vater oder ihre Mutter umzustimmen. Gegen 21.30 lege auch ich den Stift aus der Hand und mache Schluß für heute. Jetzt werden die Kleinen einfach nicht mehr gefüttert. Nur sie selbst versuchen hier und da von ihrem Nestplatz aus einen Leckerbissen zu erhaschen, der gerade vorbeifliegt. Das haben sie bereits den ganzen Tag getan, wenn so eine winzige Mücke oder Fliege vorbeiflog. Schließlich müssen sie ja auch lernen, sich selbst zu versorgen. Noch ist der andere Elternteil nicht zuhause. Doch um 22.15 Uhr schaue ich noch einmal nach und diesmal gucken aus dem neuen Nest die fünf Schwalbenkinder heraus, während Vater und Mutter Schwalbe wieder auf dem Rand des alten Nestes sitzen. In dieser Nacht schaue ich noch so einige Male zu der Schwalbenfamilie hinauf.

Ich freue mich, daß sie jetzt zwei "Zimmer" besitzen. Obwohl ich ein wenig ins Grübeln gekommen bin, ob der kleine grüne Vogel, der um 9.40 Uhr auftauchte, vielleicht ein Elternteil der kleinen weißen Eier, die ich in dem alten Nest vorgefunden hatte, war. Vielleicht habe ich ihn durch meine Aktion vor ein paar Tagen wirklich seiner Eier beraubt. Vielleicht kam er auch nur aus Versehen vorbei. Er tauchte jedenfalls nur ein einziges Mal auf.

Der eine besondere Tag im Leben der Schwalbenkinder ist nun vorbei. Es war wohl eher für mich ein besonderer Tag. Denn durch die vielen Stunden, die ich sie beobachtete, sind mir die Schwalben noch mehr ans Herz gewachsen. Mal sehen, wann sie das Fliegen erlernen. Ich hab so ein Gefühl, daß sie damit nicht mehr lange warten werden.


23. Mai 2007

Gute Nacht