Schattenblick → INFOPOOL → GESELLSCHAFTEN → STIFTUNGEN


HEINRICH BÖLL STIFTUNG/417: Wir trauern um Uri Avnery


Heinrich-Böll-Stiftung - 20. August 2018

Nachruf
Wir trauern um Uri Avnery

Wir trauern um Uri Avnery, den israelischen Friedensaktivisten,
Schriftsteller und ehemaligen Parlamentsabgeordneten.

von Jörn Böhme


Uri Avnery wurde 1923 in Deutschland geboren. Seine Familie floh 1933 vor den Nazis in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina. Sein ganzes langes Erwachsenenleben setzte sich Uri Avnery für einen demokratischen Staat Israel, für einen Kompromiss zwischen Israelis und Palästinensern und für Frieden zwischen Israel und den arabischen Staaten ein. Er arbeitete für diese Ziele auf unterschiedlichen Ebenen: als Journalist und Herausgeber des Nachrichtenmagazins Haolam Hazeh ("Diese Welt"), als Knesset-Abgeordneter in den Jahren 1965-1969, 1969-1973 und 1977-1981 und als Aktivist in der von ihm mitbegründeten Friedensgruppe "Gush Shalom".

Uri Avnery und die Heinrich-Böll-Stiftung sowie die Grünen und Bündnis 90/Die Grünen verbinden eine lange Geschichte. Er begleitete die Grünen 1983 bei ihrem Einzug in den Bundestag in Bonn. Er nahm an Veranstaltungen der Stiftung in Deutschland und in Israel teil, ebenso wie an Veranstaltungen der Partei und der Bundestagsfraktion. Uri und seine 2011 verstorbene Frau Rachel waren unzählige Male Gesprächspartner für Abgeordnete und Mitglieder der Grünen bei Besuchen in Israel. 1984 war eine Delegation der Grünen auf Einladung von Uri Avnerys Partei "Alternativa" in Israel. Der Umstand, dass sie wenige Tage vor den Parlamentswahlen mit der jüdisch-palästinensischen Partei "Progressive Friedensliste", deren Teil "Alternativa" war, eine gemeinsame Pressekonferenz abhielten, führte zu heftiger Kritik in Israel.

Uri Avnery ist immer und bis zuletzt für eine Zwei-Staaten-Regelung eingetreten. Er trat schon für dieses Konzept und für Gespräche mit der PLO ein, als beides in Israel noch ein Tabu war, sogar in israelischen Friedensgruppen. Und er trat immer noch für dieses Konzept ein, als es von vielen bereits für tot bzw. nicht mehr umsetzbar deklariert wurde. Deshalb riefen er und die von ihm gegründete Gruppe "Gush Shalom" seit 1998 zu einem Boykott von Produkten aus israelischen Siedlungen auf. Gleichzeitig lehnte er aber vehement einen pauschalen Boykott Israels als politisch falsch und kontraproduktiv ab, wie ihn die Bewegung "Boycott, Divestment, Sanctions" fordert.

Bei seinem politischen Engagement konnte Uri Avnery aus einem großen Fundus eigener Erfahrungen schöpfen. Das ging bei ihm zusammen mit Vision, Pragmatismus, scharfer Analyse und Humor. Diese Mischung kennzeichnete auch die Artikel, die er unermüdlich und regelmäßig bis kurz vor seinem Tod jede Woche zur aktuellen politischen Lage vor allem in Israel und Palästina veröffentlichte.

Uri Avnery wird uns fehlen und, mit seinem Mut und seinem Beharrungsvermögen, gerade jetzt schmerzlich vermisst werden. Wir werden uns dankbar daran erinnern, was wir von ihm lernen konnten - und sollten es nutzbar machen für die deutsch-israelischen und die deutsch-palästinensischen und somit hoffentlich auch für die israelisch-palästinensischen Beziehungen.

Jörn Böhme, 20.8.2018

Jörn Böhme hat das Tel Aviver Büro der Stiftung von 2006-2010 geleitet.


Der Nachruf steht unter einer Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-ND 3.0):
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de


URL des Nachrufs auf der Homepage der Heinrich-Böll-Stiftung:
https://www.boell.de/de/wir-trauern-um-uri-avnery?dimension1=startseite

*

Quelle:
Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
Schumannstraße 8, 10117 Berlin
Telefon: +49 (30) 285 34-0, Fax: +49 (30) 285 34-109
Email: info@boell.de
Internet: www.boell.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang