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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/364: Iran-Report Nr. 5 - Mai 2016


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 5 - Mai 2016
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Sieg der Gemäßigten bei Stichwahlen
• 7.000 Schnüffler unter Teherans Bevölkerung
• Oberbefehlshaber der Pasdaran kritisiert Regierung
• Ahmadinedschad kehrt auf die politische Bühne zurück
• 89 Prozent der weltweiten Hinrichtungen in Iran, Saudi-Arabien und Pakistan
• Wahlsiegerin darf ihr Mandat nicht wahrnehmen


SIEG DER GEMÄßIGTEN BEI STICHWAHLEN

Die zweite Runde der Parlamentswahlen, die am 29. April stattfand, fiel eindeutig zugunsten der "Liste der Hoffnung" aus, einer nicht-formalisierten Koalition der Gemäßigten und moderaten Konservativen. 68 von 290 Sitzen standen zur Wahl. Die Wiederholung der Wahl in einigen Bezirken war nötig geworden, weil die Bewerber bei der ersten Wahlrunde im Februar nicht die erforderliche Stimmzahl erhalten hatten.

Im Vorfeld der Stichwahlen hatte der frühere Staatspräsident Mohammad Chatami die Wähler aufgerufen, mit ihrer Stimme die Regierung Rohani zu unterstützen. Damit sollten sie ihre "große Tat" von der ersten Wahlrunde fortsetzen. Er hoffe, dass jetzt auch jene, die bei der ersten Runde nicht teilgenommen hätten, ihre Stimme abgeben würden, hieß es in Chatamis Botschaft vom 24. April an das iranische Volk.

Haddad Adel, Sprecher der "Koalition der Prinzipientreuen", die aus einem Bündnis der rechten Konservativen und Hardliner besteht, bezichtigte "einige Regierungsverantwortliche", sich bei der ersten Runde in Wahl-Angelegenheiten eingemischt zu haben. Adel war Spitzenkandidat der "Koalition der Prinzipientreuen" und hatte in Teheran kandidiert, landete jedoch nur auf Platz 31 und verpasste damit einen der 30 Sitze zu erringen, die für die Hauptstadt vorgesehen sind. Sämtliche 30 Sitze gingen an die Kandidaten der "Liste der Hoffnung". In manchen Bezirken hätten Regierungsverantwortliche für einen bestimmten Kandidaten Partei ergriffen oder die Wähler dazu aufgerufen, ihre Stimme zugunsten einer bestimmten Richtung abzugeben, sagte Haddad. Im Vorfeld der zweiten Runde hätten diese "Einmischungen" noch zugenommen.

Nach dem nun am Samstag bekannt gegebenen endgültigen Wahlergebnis gewann die Liste der Hoffnung nach Angaben der Agentur Isna 40 der 68 Sitze, während die Konservativen und Hardliner ("Koalition der Prinzipientreuen") sich mit 17 Stimmen begnügen mussten. Die restlichen Sitze entfielen auf Personen, die keiner Liste angehören. Allerdings sind die Angaben über die Sitzverteilung nicht bei allen Agenturen gleich. Je nach politischer Orientierung ändert sich das Verhältnis. Das kommt daher, dass einige der Kandidaten sowohl der Liste der Hoffnung als auch der Liste der Konservativen angehören. Doch trotz unterschiedlicher Angaben ist die Niederlage der rechten Fraktionen eindeutig. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Innenministeriums bei 59 Prozent.

Zu den in der ersten Wahlrunde gewählten 14 Frauen kamen in der zweiten Runde vier weitere Parlamentarierinnen hinzu, die alle der Liste der Hoffnung angehören. Mohammad Aref, Spitzenkandidat der Liste der Hoffnung, der im Wahlbezirk Teheran die meisten Stimmen erhalten hatte, kündigte an, dass er und seine Weggefährten im neuen Parlament die Fraktion "Hoffnung" bilden würden.

Zählt man die Ergebnisse der ersten und zweiten Wahlrunde zusammen, werden die Gemäßigten und moderaten Konservativen im neuen Parlament eine relative Mehrheit von 41 Prozent haben. Die Konservativen und Hardliner verfügen über 27 Prozent der Sitze. Damit kommt in der zehnten Wahlperiode des islamischen Parlaments den unabhängigen Abgeordneten, die etwa ein Drittel der Sitze innehaben, eine entscheidende Rolle zu. Diese gehören zwar keiner Liste an, was aber nicht bedeutet, dass sie tatsächlich unabhängig sind. Daher ist es nicht klar, wie das Kräfteverhältnis zwischen den Fraktionen letztendlich aussehen wird.

Insgesamt macht die Parlamentswahl deutlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Regierung von Hassan Rohani unterstützt. Die neue Zusammensetzung des Parlaments, in dem bislang die Rechten über die absolute Mehrheit verfügten, wird die Arbeit der Regierung und die Durchsetzung ihrer Außen- und Wirtschaftspolitik erleichtern. Das heißt jedoch nicht, dass sie alle ihre Pläne durchsetzen wird können. Denn die Macht sowohl der Regierung als auch des Parlaments ist nach der Verfassung der Islamischen Republik gering. Ihnen stehen Instanzen wie der Revolutionsführer oder der Wächterrat gegenüber, die weitaus mächtiger sind als Parlament und Regierung zusammen. Sie können jede Entscheidung verhindern, die ihren ideologischen und politischen Auffassungen zuwiderläuft.

Noch schwerer als in der Außen- und Wirtschaftspolitik wird es für die Regierung von Rohani die Durchsetzung der Reformen nach im Inneren werden. Denn hierbei werden nicht nur die Hardliner zu bezwingen sein, sondern auch zahlreiche moderate Konservative innerhalb der Fraktion der Hoffnung, die eine Öffnung nach innen ebenfalls ablehnen.

Das Wahlergebnis wird auch die Chancen Rohanis begünstigen, bei der Präsidentenwahl im nächsten Jahr wiedergewählt zu werden. Allerdings deuten viele Zeichen daraufhin, dass die Rechten versuchen werden, dies zu verhindern.


7.000 SCHNÜFFLER UNTER TEHERANS BEVÖLKERUNG

7.000 Polizisten in zivil werden ab sofort in Teheran die Einhaltung der moralischen Vorschriften überwachen. Dies gab der Teheraner Polizeichef Hossein Sadschedinia am 18. April laut Medien bekannt. "Die Zivilpatrouillen nehmen heute in der ganzen Stadt ihre Arbeit auf", sagte er. Die Polizistinnen und Polizisten in Zivil sollen "unbemerkt von den Betroffenen" die Behörde über jede Missachtung von Vorschriften informieren, sagte Sadschadinia. Dies beträfe zum Beispiel "sittenwidriges Verhalten, Lärmbelästigungen, Missachtungen der Kleidungsvorschriften und demonstrative Aktionen auf der Straße". Zu den 7.000 Zivilpolizisten kommt die Sittenpolizei hinzu, die bereits jetzt für die Einhaltung von Kleidungsvorschriften zuständig ist. Diese Abteilung der Polizei verstärkt ihre Aktivitäten in den Sommermonaten, in denen die Frauen, bedingt durch den Temperaturanstieg, leichtere Kleidung tragen.

Den Angaben von Sadschednia zufolge sollen die Zivilpolizisten Polizeibeamte unterstützen, die insbesondere die Hauptgeschäftsstraßen und Schnellstraßen überwachen. Die Zivilen seien als Polizisten ausgebildet und seien in der Lage, Delikte schnell zu erkennen. Zugleich betonte Sadschednia, die Zivilpolizisten seien nicht befugt, selbst zu handeln. Ihre Aufgabe sei auf die Weitergabe von Berichten und Informationen beschränkt.

Straßenkontrollen, die nicht nur den Verkehr, sondern auch das sittlich-moralische Verhalten der Bürgerinnen und Bürger kontrollieren sind in der Islamischen Republik nicht neu. Neu sind aber die verdeckten Kontrollen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass das neue Projekt der Polizei viel Kritik hervorgerufen hat.

Mohammad Ali Asfani, Sprecher des Justizausschusses im islamischen Parlament, sagte in einem Interview mit der Zeitung "Farhichtegan" am 19. April, die verdeckte Kontrolle der Bürger auf den Straßen entbehre jeder juristischen Grundlage. Die Informationen und Berichte der Zivilpolizisten könnten nicht als Grundlage für Anklagen oder Urteile dienen.

Auch Staatspräsident Hassan Rohani nahm zu dem Projekt Stellung. Als er auf einer Pressekonferenz am 20. April um seine Meinung zu dem Projekt befragt wurde, sagte er: "Manche Projekt werden von der Regierung geplant, andere von anderen Institutionen, zum Beispiel von der Justiz." Damit wollte er betonen, dass die Verantwortung für das Projekt bei der Justiz liege.

In der Islamischen Republik steht die Polizei wie auch die militärischen Einrichtungen unter dem Befehl des Revolutionsführers, ihre Aktivitäten werden jedoch vom Innenministerium überwacht. Anders ausgedrückt, der Innenminister fungiert in Bezug auf die Polizei nicht als Mitglied der Regierung, sondern als Beauftragter des Revolutionsführers bei der Polizei.

Die Regierung habe sich stets um die Sicherheit der Bürger bemüht, sagte Rohani. Dies werde auch in Zukunft geschehen. "Dabei besteht unsere erste Pflicht darin, die Würde der Bürger zu achten. Das Gute im Menschen ist ein Geschenk Gottes, es ist höher einzuschätzen als der Glaube. Das müssen wir bewahren. Wir alle müssen uns um die Kultur kümmern und sollten keine Maßnahmen zur Lösung von Problemen anordnen, die sich kulturell lösen lassen."

Sachverständige kritisieren, dass die Kontrollen durch zivile Polizisten nicht nur juristisch nicht zulässig seien, sie würden auch Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung verbreiten. Zu dieser Kritik nahm Sadschedinia in einer Fernsehsendung Stellung. Verdeckte Kontrollen habe es immer gegeben. Zudem "erwarten die Menschen, dass wir handeln und für die Einhaltung der Vorschriften sorgen." Die moralische Sicherheit beschränke sich nicht nur auf Einhaltung der Kleidungsvorschriften, sie umfasse alles, was "gesellschaftlich schädlich" sei. Die Polizei habe ihre Aktivitäten mit der Justiz bestens koordiniert.

Sadschedinia sagte weiter, alle 7.000 Zivilpolizisten seien ausgebildet und hätten Personalausweise bei sich, er sagte jedoch nicht, welche Ausbildung sie genossen haben und ob sie offiziell als Polizisten eingestellt worden sind. Kritisch zu dem Projekt äußerte sich auch der Vizegouverneur von Teheran, Mohssen Nasdsch Hamedani. Das Projekt sei nicht mit der Regierung abgestimmt worden, sagte er. Es gebe einige umstrittene Punkte, die besprochen werden müssten, um einen möglichen Missbrauch zu verhindern. Auch Vizepräsidentin Schahindocht Molawerdi, zuständig für Familie und Frauen, notierte auf Facebook: "Das Projekt hat eine Welle von Angst und Unsicherheit ausgelöst." Viele Familien hätten ihr ihre Sorge über die Folgen des Projekts mitgeteilt.

Demgegenüber bezeichnete der Freitagsprediger Mowaheddi Kermani das Projekt als würdig und wertvoll. Es gebe Leute, die aus Protest gegen den islamischen Staat die Kleidungsvorschriften missachteten, sagte er. "Kürzlich wurden mir Fotos von Frauen gezeigt, die unerträglich waren." "Kritiker sagen, es gehe um die Freiheit. Natürlich sind die Menschen frei, aber ihre Freiheit hat Grenzen. Freiheiten, die das Staatssystem entwürdigen, sind verboten. Wenn jemand bei sich zu Hause sündigt, ist niemand, weder die Polizei noch ich oder ein anderer dafür verantwortlich. Aber wenn eine Frau im Auto ohne Kopfbedeckung am Steuer sitzt, muss man reagieren", sagte der Prediger.

Indes hat die Staatsanwaltschaft die Polizei angewiesen, gegen Autofahrer/innen, die betrunken sind oder kein Kopftuch tragen, vorzugehen. Wie Staatsanwalt Abbas Dschafari Dolatabadi am 25. April der Presse mitteilte, sollen künftig die betreffenden Fahrzeuge angehalten und der Fahrer oder die Fahrerin sogleich dem Verkehrsrichter vorgeführt werden. Die Maßnahme sei im Beisein des Befehlshabers der Verkehrspolizei, des Oberstaatsanwalts und einigen Gerichtsvorsitzenden erfolgt, sagte Dolatabadi.


OBERBEFEHLSHABER DER PASDARAN KRITISIERT REGIERUNG

General Mohammad Ali Dschafari, Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden (Pasdaran), erklärte bei einer Rede vor den Kommandanten der Pasdaran am 5. April, das Atomabkommen sei kein Abkommen, auf das man stolz sein könne. Sollte es als Vorbild für weitere Schritte aufgefasst werden, wäre dies nichts anderes als ein Zeichen von "Beschränktheit und Selbsterniedrigung". Das Abkommen sei das Ergebnis diplomatischer Verhandlungen, wobei es nicht sicher ist, ob der "feindlich gesinnte und rachsüchtige Gegner" seine Verpflichtungen einhalten werde. So ein Dokument könne nicht als Vorbild für die Lösung anderer Probleme dienen.

Es war offensichtlich, dass der General mit seiner Äußerung zu der Ankündigung von Präsident Rohani Stellung nehmen wollte, der gesagt hatte, bei den Parlamentswahlen im Februar hätten die Wähler das Atomabkommen besiegelt und damit den Weg für den nächsten Schritt, nämlich für Reformen im Inneren, freigemacht.

Revolutionsführer Ali Chamenei hatte bereits über diese Äußerung Rohanis bei einer Rede in Maschad gespottet. Dabei ging er sogar so weit, dass er, ohne direkt auf Rohanis Äußerungen Bezug zu nehmen, ihm unterstellte, Pläne der USA durchsetzen und auf Grundsätze der Islamischen Republik verzichten zu wollen. Seit dieser Stellungnahme Chameneis sehen sich führende Konservative dazu ermutigt, die Regierung Rohani öffentlich und scharf zu kritisieren. "Wir werden in den nächsten Jahren niemals an ähnliche Vereinbarungen wie das Atomabkommen denken. Wir werden die Feinde bezwingen, ihre drohenden Stimmen ersticken und an unseren revolutionären Werten festhalten", sagte General Dschafari. "Unser Volk hat das Atomabkommen mit Widerwillen hingenommen. Was hat das Abkommen uns bisher gebracht? Wieso sollten wir diese Politik fortsetzen? Unser Volk ist niemals bereit, die revolutionäre Position mit einer passiven Haltung zu tauschen." Zu den Reaktionen des Westens auf das iranische Raketenprogramm sagte der General: "Wir wollen keinen Krieg. (...) Aber wir stärken seit Jahren schon unsere Kräfte für einen möglichen ausgeweiteten Krieg gegen die USA und ihre Verbündeten. Wir haben inzwischen alle unsere Kapazitäten und Möglichkeiten für einen Sieg gegen solche Feinde weiterentwickelt. Wir haben uns, bevor wir uns auf politisch-diplomatische Szenarien vorbereitet haben, auf militärische Szenarien vorbereitet", sagte der Oberbefehlshaber der Pasdaran.

Bei einem Besuch in seiner Geburtsstadt Semnan reagierte Präsident Rohani auf die Kritiker des Abkommens und nahm auch indirekt zu den Äußerungen Dschafaris Stellung. "Alle, die fragen, was uns das Atomabkommen gebracht hat, sollten wissen, dass das Abkommen als eine große politische und juristische Errungenschaft in die Annalen der Geschichte eingehen wird. Die Menschen in unserem Land haben nicht vergessen, dass keine Bank bereit war, unsere Handelsgeschäfte abzuwickeln. Wir waren in das 19. Jahrhundert zurückgefallen. Die Finanzgeschäfte wurden nur durch Wechselstuben getätigt." Der Wiederaufbau nach großen Zerstörungen brauche Zeit, fuhr Rohani fort. Seit Inkrafttreten des Abkommens seien erst drei Monaten vergangen. Manche erweckten den Eindruck, als seien es dreißig Jahre. Es sollte nicht übersehen werden, welche Möglichkeiten sich dem Land durch das Abkommen eröffnet hätten.


AHMADINEDSCHAD KEHRT AUF DIE POLITISCHE BÜHNE ZURÜCK

Der frühere Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad ist wieder auf die politische Bühne zurückgekehrt. Politische Beobachter vermuten, dass er sich im nächsten Jahr um das Amt des Präsidenten bewerben will. Er trat in der Stadt Schalamtscheh auf, der Stadt an der Grenze zum Irak, die im iranisch-irakischen Krieg (1980-1988) zunächst von den Irakern erobert und später in einem legendären Kampf von iranischen Soldaten zurückerobert wurde. Vor Ahmadinedschad hatte am selben Ort Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht versucht, auf einer Kundgebung zu sprechen, doch er musste seine Rede abbrechen, weil Regierungsgegner ihn nicht zu Wort kommen ließen. Ahmadinedschad wurde jedoch mit Jubel empfangen. Er warf der Regierung vor, den revolutionären Standpunkt der Islamischen Republik aufgegeben und sich zu sehr auf Versprechungen des Westens verlassen zu haben. "Ich bin zu diesem Ort gekommen, um daran zu erinnern, wie die Arroganz (USA) mit Bomben und Waffen ihre Freundlichkeit uns Iranern gegenüber demonstriert hat", sagte er.

"Das ist der richtige Mann, komm zurück Ahmadi", skandierten die Kundgebungsteilnehmer. Die Webseite "Online" schrieb: "Die sich häufenden Reisen Ahmadinedschads in die Provinz und die Ankündigungen seiner Anhänger müssen als Vorbereitung zu seiner Kandidatur gedeutet werden."

Der Auftritt in Schalamtscheh war der dritte innerhalb eines Monats, während Ahmadineschad in den vergangenen drei Jahren äußerst selten öffentlich gesichtet wurde. Den Grund für sein Comeback sehen politische Beobachter in der Niederlage, die die gespaltenen Konservativen bei den Parlamentswahlen im Februar erlebt hatten. Zurzeit steht ein Teil der Konservativen unter der Führung des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani aufseiten der Regierung, was in Teilen der Basis als Verrat aufgefasst wird. Der zweite Teil wird von Haddad Adel geführt, der sich für einen Sitz im Parlament beworben hatte, aber den Einzug verpasste. Unter diesen Umständen hätten Ahmadinedschad und seine Anhänger durchaus die Chance, die Führung der Konservativen zu übernehmen. Der Erzkonservative Ruhollah Hosseinian sagte, unter den führenden Konservativen sei Ahmadinedschad der einzige, der die Wähler mobilisieren und die Front der Konservativen zur Geschlossenheit führen könne. "Er hat ein Programm, er hat Erfahrung und er kann die Massen mobilisieren", sagte Hosseinian.

Ahmadinedschad, der sich während seiner Präsidentschaft als Vertreter der Armen und Habenichtse und Verfechter eines revolutionären Islam präsentierte und auf seinen häufigen Reisen durch die Provinz immer wieder Geschenke an die Landbevölkerung verteilte, könnte tatsächlich versuchen als Alternative zu dem gemäßigten Rohani aufzutreten, der sich eher westlich orientiert. Schon längst sind seine Anhänger dabei, diese Polarisierung weiter voranzutreiben.

Doch Ahmadinedschad, der sich in seiner zweiten Amtszeit beim Revolutionsführer und führenden Konservativen unbeliebt gemacht hatte, hat mächtige Feinde. Viele haben nicht vergessen, welchen Schaden er und seine Regierung dem Land zugefügt haben. Auch ist die brutale Niederschlagung der Protestbewegung gegen seine Wiederwahl 2009 vielen in Erinnerung geblieben.

Zu den Widersachern Ahmadinedschads gehört der konservative Abgeordnete Ali Mottahari. Zu einer möglichen Kandidatur Ahmadinedschads sagte Mottahari bei einer Rede vor Studenten am 25. April: "Bevor er sich um das Amt des Präsidenten bewirbt, muss er sich vor Gericht verantworten."

Drei Monaten vor dem Ende seiner Präsidentschaft wurde Anklage gegen Ahmadinedschad erhoben. Einige Monate später wurde er vom Gericht vorgeladen, doch er erschien nicht. Mottahari meinte, Ahmadinedschad werde angesichts des Schadens, den er dem Land zugefügt habe, ohnehin keine Chance haben, gewählt zu werden.


89 PROZENT DER WELTWEITEN HINRICHTUNGEN IN IRAN, SAUDI-ARABIEN UND PAKISTAN

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat in ihrem jüngsten Bericht die starke Zunahme der Hinrichtungen beklagt. Demnach finden 89 Prozent der Hinrichtungen weltweit in Iran, Saudi-Arabien und Pakistan statt. Insgesamt wurden dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr weltweit mindestens 1.634 Personen hingerichtet.

Damit stiegen die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr (2014) um fünfzig Prozent. Damit habe die Zahl der Hinrichtung seit 25 Jahren einen Höchststand erreicht. Bei diesen Angaben sind die Hinrichtungen in China nicht mitberücksichtigt. Dort gebe es mehrere Hundert Hinrichtungen, die nicht bekannt gegeben würden. Schätzungsweise würden in China mehr als Tausend Personen jährlich hingerichtet, heißt es in dem Bericht.

Gleichzeitig berichtet AI, dass zum ersten Mal in der Geschichte in mehr als die Hälfte der Staaten die Todesstrafe abgeschafft worden sei.

In Iran wurden dem Bericht zufolge 2015 mindestens 977 Personen hingerichtet, darunter vier Jugendliche unter 18 Jahren. Im Jahr davor waren es 743 Personen. Die meisten Hingerichteten seien Drogendealer gewesen. Auch in Saudi-Arabien nahm 2015 die Zahl der Hinrichtungen im Vergleich zum Jahr davor um 76 Prozent zu. Die USA stehen mit 28 Hinrichtungen im Jahr 2015 an fünfter Stelle.

Auch die supranationale Vereinigung der sieben Industriestaaten (G7) sowie die EU haben sich über die Lage der Menschenrechte in Iran besorgt gezeigt. Die sieben Staaten haben zum Abschluss ihrer eintätigen Sitzung in Hiroshima das Atomabkommen mit Iran begrüßt und die Internationale Atomenergiebehörde aufgefordert, die Umsetzung des Vertrags zu kontrollieren. Sie kritisierten das iranische Raketenprogramm. Das Abkommen habe Iran die Möglichkeit geliefert, seine Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft wieder aufzunehmen, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Umso bedauerlicher seien die Raketentests, die dem Abkommen widersprächen. Schließlich wird Iran in der Erklärung aufgefordert, seine Verpflichtungen im Rahmen der internationalen Menschenrechtskonventionen nachzukommen. Hierzu zählen das Recht der freien Meinungsäußerung und die Freiheit des Glaubens zu achten und die illegalen Hinrichtungen, die der Konvention der Menschenrechte widersprechen, zu beenden.

Zugleich beschlossen die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die wegen der Verletzung der Menschenrechte bestehenden Sanktionen gegen Iran, um ein weiteres Jahr zu verlängern. Diese Sanktionen waren 2011 beschlossen worden. Sie richten sich gegen 82 Personen und einige Institutionen, denen die EU eine Verletzung der Menschenrechte vorwirft.


WAHLSIEGERIN DARF IHR MANDAT NICHT WAHRNEHMEN

Minu Chaleghi, eine Kandidatin aus Isfahan, die der von den Gemäßigten und Reformern aufgestellte Liste "Omid" (Hoffnung) angehört und bei den Parlamentswahlen im Februar gewählt wurde, wurde vom Wächterrat nachträglich wegen "moralischer Bedenken" abgelehnt. Konkrete Gründe nannte der Wächterrat nicht. Medienberichten zufolge sollen private Fotos der dreißigjährigen Juristin an den Wächterrat geschickt worden sein. Zudem soll sie angeblich eine uneheliche Beziehung zu einem Mann gehabt haben.

Mohammad Hossein Moghimi, Wahlleiter im Innenministerium, erklärte am 6. April, zwischen dem Ministerium und dem Wächterrat bestünden bezüglich der Ablehnung von Moghimi unterschiedliche Auffassungen. "Das ist sehr wichtig. Wir hoffen, dass wir eine Einigung erzielen werden."

Dem Gesetz nach ist das Innenministerium für die Durchführung der Wahlen verantwortlich, der Wächterrat hat eine Kontrollfunktion. Seine Zustimmung zum Wahlergebnis ist erforderlich. Moghimi sagte, das Innenministerium habe dem Wächterrat "alle Argumente, Gutachten und juristisch relevanten Dokumente" übermittelt und warte nun auf eine Antwort. Wenige Stunden später erklärte Siamak Rahpeik, ein Sprecher des Wächterrats, die Entscheidung des Rats sei im Rahmen bestehender Gesetze erfolgt, es bestehe kein Grund, sie zu ändern. Über den nun frei gewordenen Sitz im Parlament werde in der zweiten Runde der Wahl (29. April) entschieden. Demgegenüber sagte der Provinzgouverneur von Isfahan, selbst wenn Chaleghi abgelehnt werden sollte, bekäme der nächste Kandidat ihren Sitz, der 26,2 Prozent der Stimmen erhalten habe. Auch dieser Kandidat gehört der Liste Omid an.

Am 26. April erklärte Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli, die Kontroverse zwischen dem Innenministerium und dem Wächterrat bestehe nach wie vor. Er forderte das Parlament auf, in dem Streit zu vermitteln. Es sei nicht zulässig, jemanden, der die Wahl gewonnen habe, zurückzuweisen.

Auch Präsident Rohani nahm zu der Angelegenheit Stellung. Die einzige Instanz, die nach der Wahl über einen gewählten Kandidaten zu entscheiden habe, sei das Parlament, sagte er am 28. April. Das schreibe die Verfassung vor und alle Instanzen sollten sich daran halten.

Der Fall Chaleghi ist auch nach der zweiten Wahlrunde noch nicht geklärt.

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KULTUR

• Kiarostami aus dem Krankenhaus entlassen
• Vier Journalisten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt
• Schadscharian soll wieder öffentlich auftreten dürfen
• Filmemacher Azizi freigelassen
• Direktor des Louvre-Museums in Teheran


KIAROSTAMI AUS DEM KRANKENHAUS ENTLASSEN

Der weltbekannte und preisgekrönte iranische Filmemacher Abbas Kiarostami wurde nach 50 Tagen stationärer Behandlung am 26. April aus dem Krankenhaus entlassen. Während des Aufenthalts in der Klinik in Teheran wurde er vier Mal operiert, berichtete die Agentur ISNA. Nun hoffe er, die Zeit seiner Genesung zu Hause verbringen zu können, sagte Kiarostami. "Ich werde heute entlassen. Das bedeutet aber nicht, dass ich völlig gesund bin. Ich möchte den Prozess der Heilung jedoch zu Hause fortzusetzen."

Der lange Krankenhausaufenthalt und die viermalige Operation hatten bei Kiarostamis Freunden und in den Kreisen der Filmkunst Besorgnis ausgelöst, so dass der Gesundheitsminister persönlich sich um die Behandlung des Patienten kümmerte.

Der 75-jährige Kiarostami, der 1997 für seinen Film "Der Geschmack der Kirsche" mit der goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde, ist auch als Fotograf und Maler aktiv. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören "Und das Leben geht weiter", "Unter den Olivenbäumen", "Wo ist das Haus meines Freundes" und "Der Wind wird uns tragen".


VIER JOURNALISTEN ZU LANGJÄHRIGEN HAFTSTRAFEN VERURTEILT

Laut den Angaben von Mahmud Alisadeh Tabatabai, dem Anwalt der vier Journalisten, hat das Revolutionsgericht Afarin Tschitsas, Ehsan Masanderani, Dawud Assadi und Ehsan Safarsai am 26. April zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Demnach wurde Tschitsas, Kolumnist der Zeitung "Iran", vorgeworfen, gegen die nationale Sicherheit verstoßen und mit fremden Staaten zusammengearbeitet zu haben. Er wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Masanderani, Redakteur der Zeitung Farhichtegan, bekam sieben Jahre Haft wegen "Aktivitäten gegen die islamische Staatsordnung". Die beiden freien Journalisten Assadi und Safarsai wurden jeweils zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Auch sie wurden beschuldigt, gegen die nationale Sicherheit verstoßen zu haben. Die vier Journalisten befinden sich seit November in Untersuchungshaft.

Über die Festnahme und Verurteilung der Journalisten gibt es zwischen der Regierung und der Justiz Auseinandersetzungen. Präsident Rohani kritisierte die Festnahme der Journalisten indirekt, während die Justiz behauptete, ausreichend Beweise gegen die Betreffenden zu haben. Verhandlungen des Revolutionsgerichts finden gewöhnlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Justiz bestreitet den Vorwurf, die freie Meinungsäußerung einschränken zu wollen. Auch im Falle der genannten Journalisten erklärte sie, diese seien nicht wegen ihrer journalistischen Tätigkeit verurteilt worden, sondern wegen Straftaten, die sie begangen hätten.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen verurteilte den Umgang der iranischen Justiz mit den Journalisten. In einer am 26. April veröffentlichten Erklärung heißt es: "Mit 32 Journalisten im Gefängnis gehört Iran zu den fünf größten Gefängnissen für Journalisten in der Welt."


SCHADSCHARIAN SOLL WIEDER ÖFFENTLICH AUFTRETEN DÜRFEN

Der wohl populärste Sänger Irans, Mohammad Resa Schadscharian, hat in einer Videobotschaft von einer längeren Krankheit gesprochen, die seit fünfzehn Jahren besteht. "Ich habe seit fünfzehn Jahren einen Gast. Inzwischen sind wir Freunde geworden", sagte er. Er sei in Behandlung und hoffe, "mit dem Gast eine Einigung zu erzielen". Danach werde er seine künstlerische Arbeit wieder aufnehmen.

Schadscharian ist seit Jahrzehnten der bekannteste Interpret der klassischen iranischen Musik und Poesie. Dennoch darf er seit 2009 nicht mehr öffentlich auftreten. Seine Stimme ist auch aus Rundfunk und Fernsehen verbannt. Grund für die Maßnahme ist das Engagement Schadscharians für die Protestbewegung gegen die umstrittene Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Das Lied, das er damals sang, wurde im ganzen Land verbreitet. Seine Popularität rettete ihn vor Gefängnisstrafe und Folter. Man begnügte sich mit dem zwar nicht gerichtlich beschlossenen, aber in der Praxis ausgeübten Auftrittsverbot. Seitdem tritt Schadscharian nur noch im Ausland auf.

Die nun veröffentlichte Videobotschaft löste eine Welle von Solidarität mit dem Sänger aus. Selbst von offizieller Seite kamen Stellungnahmen. Der Leiter des Amtes für musikalische Darbietungen im Kulturministerium, Farsad Talebi, erklärte am 3. April, er werde alles versuchen, damit Schadscharian wieder öffentlich auftreten und seine Stimme die Liebhaber seiner Musik erreichen könne. Auch Kulturminister Ali Dschannati schickte dem Sänger eine Grußbotschaft und wünschte ihm gute Besserung.

Schadscharian hatte vor wenigen Wochen seinen geplanten Auftritt in Armenien abgesagt. "Mein Arzt hat bei einer MRT-Untersuchung etwas entdeckt und mich dringend aufgefordert, meine Reise (nach Armenien) abzusagen und mich in den nächsten sechs bis acht Wochen von ihm behandeln zu lassen", schrieb er.


FILMEMACHER AZIZI FREIGELASSEN

Der iranisch-kanadische Filmemacher Mostafa Azizi wurde laut Agenturen am 10. April vorzeitig aus der Haft entlassen. Der Regisseur, der in Kanada lebt, war während eines Besuchs in seinem Geburtsland Iran im vergangenen Jahr festgenommen worden. Nach eigenen Angaben wollte er sich um seinen alten, kranken Vater kümmern. Ihm wurden regierungsfeindliche Aktivitäten und Beleidigung des Revolutionsführers Ali Chamenei vorgeworfen. Er wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Seine frühzeitige Entlassung erfolgte, wie sein Sohn Arash der Presse mitteilte, im Zuge einer Amnestie.

"Endliche, nach einem Jahr der Albträume: Mein Vater ist frei", zitierte AFP eine Notiz der Tochter Parastoo auf ihrer Facebook-Seite. Die Familie vermutet, dass Azizi verurteilt worden war, weil er sich in den sozialen Netzwerken kritisch über die Führung der Islamischen Republik geäußert hatte.

Azizi war 2010 nach Kanada emigriert, er beabsichtigte während seines Besuchs, seine Rückkehr in die Heimat vorzubereiten. Dazu war er durch Äußerungen von Präsident Rohani ermuntert worden. "Allen Iranern im Ausland, die gewillt sind, in die Heimat zurückzukehren, muss der Rückweg geebnet und erleichtert werden" hatte Rohani im Juli 2013 gesagt. Wenige Monate später betonte er noch einmal: "Alle Iraner, die im Ausland leben, müssen ohne Probleme aus- und einreisen können. Das zu verhindern schadet nicht ihnen, sondern uns."


DIREKTOR DES LOUVRE-MUSEUMS IN TEHERAN

Eine Delegation unter der Führung von Jean-Luc Martinez, dem Direktor des Musée Louvre in Paris, traf am 9. April in Teheran ein. Ziel des Besuchs war die Anbahnung von Kooperationen mit iranischen Museen. Mohammad Resa Kargar, Generaldirektor der iranischen Museen sagte, vor zehn Jahren sei zwischen Iran und Frankreich ein Abkommen vereinbart worden, um die Zusammenarbeit mit dem Louvre zu ermöglichen.

Die französische Delegation besuchte zunächst den Golestan-Palast in Teheran. "Wir sind nach Iran gekommen, um die iranischen Museen zu bewerten und ein Programm zu ihrer Förderung auszuarbeiten", sagte Martinez der Agentur ISNA.

Iranischen Medien zufolge war dieser Besuch eines Direktors des Louvre der erste seit zehn Jahren. "Sollte Iran den Wunsch haben, iranische Kunstwerke des Louvre-Museums in Iran auszustellen, sind wir gerne bereit, diesen Wunsch zu erfüllen", sagte Martinez. Seinen Angaben zufolge stammten diese Kunstwerke zumeist aus den gemeinsamen Ausgrabungen im 19. Jahrhundert. Damals habe man vereinbart, einen Teil der entdeckten Gegenstände in Iran zu belassen. Frankreich habe dafür das Recht erhalten, den anderen Teil nach Paris zu bringen. Er betonte, Iran habe bisher noch nie die Forderung nach einer Rückgabe der Kunstwerke gestellt.

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WIRTSCHAFT

• Sarif: Raketenprogramm nicht verhandelbar
• Probleme bei der Umsetzung des Atomabkommens
• 450 Städte mit ernsten Wasserproblemen
• Verkauf vom "Schwerem Wasser" an USA und Russland
• 2,5 Milliarden Dollar für die Tankerflotte
• Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland
• Positive Handelsbilanz


SARIF: RAKETENPROGRAMM NICHT VERHANDELBAR

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif erklärte am 10. April, sein Land sei nicht bereit, mit den USA über das Raketenprogramm zu verhandeln. Weder dies noch "die Verteidigungsfähigkeit der Islamischen Republik" seien verhandelbar. Die USA sollten, wenn sie es mit Verteidigungsfragen ernst meinten, keine Waffen mehr an Saudi-Arabien liefern.

US-Außenminister John Kerry hatte die Bereitschaft der USA und ihrer regionalen Partner bekundet, für eine friedliche Beilegung des Streits über die iranischen Raketentests "an einem neuen Arrangement zu arbeiten". Nach Meinung der USA und der EU steht das iranische Raketenprogramm im Widerspruch zu dem ausgehandelten Atomabkommen.

Sarif übte scharfe Kritik an der Politik der USA in der Region und lehnte jedes Gespräch über das iranische Raketenprogramm ab. Die Äußerungen Kerrys zu Verhandlungen über die Raketentests seien bar jeder Grundlage gewesen, sosehr, dass sogar das US-Außenministerium sich genötigt gesehen habe, sie zu dementieren. Die Präsenz der USA im Nahen Osten sei der eigentliche Grund für "Terrorismus und Extremismus", fuhr Sarif fort. Er forderte Kerry auf, die Verbündeten der USA zu fragen, woher der Islamische Staat (IS) seine Waffen beziehe und an wen er sein Öl verkaufe. Die USA sollten, statt anderen Vorwürfe zu machen, ernsthaft die Lage im Nahen und Mittleren Osten analysieren und "nicht länger sich selbst und die ganze Welt mit falscher Politik und irrigen Planungen in Gefahr bringen".

Auch Irans Vereidigungsminister Hossein Dehghan lehnte Kerrys Vorschlag entschieden ab und bezeichnete ihn als "Unsinn und Quatsch". "Wo auch immer in der Welt die USA Ruhe und Stabilität bringen möchten, gibt es für sie nur einen Weg: sich nicht in Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen, keine militärische Präsenz zu zeigen, die Extremisten und Mörder nicht zu unterstützen". Er kritisierte die USA auch wegen ihrer Ignoranz gegenüber dem "Verbrechen der Saudis, die Frauen und Kinder töten". "Wenn Kerry ein paar Minuten über diese Vorgänge nachdenken würde, würde er nicht so einen Unsinn reden", sagte Dehghan.

Indes soll Russland, iranischen Medien vom 11.April zufolge, die ersten Teile des hochmodernen Luftabwehrsystems S-300 an Iran geliefert haben. Die Lieferung basiert auf einem 800 Millionen Dollar Vertrag, der 2010 zwischen Teheran und Moskau geschlossen, jedoch wegen der gegen den Iran verhängten Sanktionen bislang nicht realisiert wurde. Dagegen hatte Iran geklagt und eine hohe Entschädigung verlangt. Erst nach der Aufhebung der Sanktionen hob Russlands Präsident Wladimir Putin den Lieferstopp auf. "Ich verkünde heute, dass die erste Phase des Vertrags verwirklicht wurde", sagte Außenamtssprecher Hossein Dschaberi Ansari auf einer Pressekonferenz. Israel und die USA kritisierten den Waffenexport nach Iran scharf.

Einen Tag nach seiner Pressekonferenz dementierte Dschaberi die in der Presse erschienen Berichte. Seine Äußerungen seien missverständlich wiedergegeben worden, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. Aber auch diese Erklärung war nicht eindeutig. Es habe eine Einigkeit über den Vertrag und dessen zeitliche Realisierung gegeben und man habe mit der Umsetzung der ersten Phase begonnen, hieß es. Das könnte heißen, dass noch keine Teile geliefert worden sind.

Zur gleichen Zeit erklärte Russlands Vizepräsident Dmitri Rogosin der Agentur Interfax zufolge, sein Land habe mit der Umsetzung des Vertrags über die Lieferung von S-300-Abwehrraketen an Iran begonnen. Der Vertrag werde vollständig umgesetzt. "Ich bin nicht dazu befugt, zu sagen, was bereits geliefert wurde, aber einiges wurde bereits geliefert", sagte Rogosin und fügte hinzu, Iran habe seine Klage zurückgezogen.

Am 12. April veranstalteten die Bodentruppen der iranischen Revolutionsgarden ein dreitägiges Manöver in Südosten Irans. Bei dem Manöver, das unter der Bezeichnung "großer Prophet" lief, kamen unter anderem zehn verschiedene Drohnen zum Einsatz. Am 17. April gab es wie in jedem Jahr eine Militärparade, bei der auch das russische Raketensystem S-300 präsentiert wurde. Präsident Rohani, der gemeinsam mit den Oberbefehlshabern der Streitkräfte die Parade abnahm, sagte, Irans militärische Stärke diene einzig der Abschreckung und Verteidigung.


PROBLEME BEI DER UMSETZUNG DES ATOMABKOMMENS

Nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran bestand für das Land die Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung. Zahlreiche ausländische Unternehmen hofften auf lukrative Geschäfte mit Iran, zumal Iran nun auch über rund 100 Milliarden Dollar, die auf ausländischen Banken eingefroren worden waren, zur Verfügung standen. Doch diese Hoffnungen wurden vorerst enttäuscht. Teheran muss feststellen, dass ausländische Banken Transaktionen mit Iran nur in wenigen Fällen tätigen. Das Bemühen der Islamischen Republik, mit Hilfe der USA und der Europäischen Union Zugang zum weltweiten Finanzsystem zu erhalten, blieb bislang ohne Ergebnis. Vor allem die USA spielen bei diesem Problem eine wichtige Rolle. Das US-Präsidialamt erklärte am 4. April das US-Finanzsystem sei nicht Bestandteil des Atomabkommens. US-Außenamtsprecher Marc Toner sagte den Journalisten, die US-Regierung habe "keinen Plan, um Iran den Zugang zum amerikanischen Finanzsystem zu erlauben". Diese Erklärung war umso erstaunlicher, als eine Woche zuvor das US-Finanzministerium erklärt hatte, die US-Regierung werde sich ernsthaft bemühen, Iran die Nutzung von US-Dollars beim Handel mit dem Ausland zu ermöglichen.

Diese Stellungnahme widersprach wiederum den Äußerungen des US-Präsidenten Barack Obama, der am 1. April sagte, er beabsichtige nicht, die bestehenden Einschränkungen aufzuheben und ausländischen Banken zu erlauben, mit Iran in Dollar Geschäfte abzuwickeln und das amerikanische Finanzsystem zu nutzen. Diese könnten ihre Geschäfte über europäische Banken tätigen. Iran habe sich zwar an Vereinbarungen gehalten, aber den "Geist des Abkommens" missachtet, zum Beispiel indem es Tests mit ballistischen Raketen durchgeführt habe, auf denen der Slogan "Israel soll vernichtet werden" stand. Das mache den Unternehmen Sorge. Seine Regierung werde ausländische Unternehmen darüber "aufklären" wie sie den Handel mit Iran abwickeln könnten, ohne dabei durch die USA bestraft zu werden.

Bereits 1995 während der Regierungszeit von Präsident Bill Clinton wurde der Zugang Irans zum amerikanischen Finanzsystem eingeschränkt. Dennoch gab es für Unternehmen immer noch Wege, um mit Iran Geschäfte abzuwickeln. Erst 2008, als der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution vor Handel und Bankgeschäften mit Iran warnte, beschloss das amerikanische Finanzministerium, alle Geschäfte mit iranischen Banken und Finanzinstituten, die aus der Sicht der USA mit dem Terrorismus in Verbindung standen, zu verbieten. Das veranlasste Iran dazu, zu versuchen, seine Ölgeschäfte statt in Dollar in Euro abzuwickeln. 2010 forderte eine UN-Resolution die Sperrung iranischer Guthaben auf ausländischen Banken und verbot gemeinsame Investitionen mit iranischen Banken. Nach dieser Resolution verschärften die USA die Sanktionen gegen Iran. 2012 beschlossen sie, auch Banken und Unternehmen außerhalb der USA zu bestrafen, falls diese mit iranischen Banken und Unternehmen Geschäfte tätigten. Dazu gehörten auch Finanztransaktionen. Damit konnte Iran seine Guthaben, zum Beispiel die Einnahmen aus dem Ölexport, nicht mehr transferieren. Iranische Konten im Ausland blieben gesperrt. Erst mit der Aufhebung der Sanktionen bekam Iran Zugang zu seinen Konten. Doch die Probleme der Finanztransaktionen wurden nicht beseitigt.

Am 5. April sagte US-Außenminister John Kerry, die US-Regierung werde dafür sorgen, dass amerikanische Banken in den Bereichen, in denen keine Sanktionen bestehen, mit Iran Handel treiben könnten. "Iran hat das volle Recht, die Vorteile des Atomabkommens zu nutzen." Das Land habe bisher seine Verpflichtungen erfüllt.

Einen Tag nach dem wohl versöhnlicheren Äußerungen Kerrys berichteten US-Medien, dass republikanische Senatoren eine Gesetzesvorlage vorbereitet hätten, mit dem Ziel, Irangeschäfte in US-Dollar zu verbieten. Am 15 April erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Ernest, der Zugang Irans zum Finanzsystem der USA sei nicht Teil des Atomabkommens, daher werde die US-Regierung in dieser Angelegenheit nichts unternehmen. Diese Stellungnahme war eine Reaktion auf eine Äußerung des Chefs der iranischen Zentralbank, Waliollah Seif, der am Rande einer Sitzung der Weltbank und des Internationale Währungsfonds gesagt hatte, die Partner Irans bei den Atomverhandlungen hätten nicht alle ihre Pflichten erfüllt. "Wir haben keinen Zugang zu unseren gesperrten Guthaben im Ausland bekommen können."

Seif traf am 15. April US-Schatzmeister Jack Lew in Washington. Dabei erklärte Lew, solange Iran seine Pflichten erfülle, würden die USA alle Probleme mit Wohlwollen prüfen.

Die Widersprüche zwischen den Äußerungen der Regierungsmitglieder sind vermutlich auf die sich häufenden Stimmen im Senat und Repräsentantenhaus zurückzuführen, die die politische und wirtschaftliche Entwicklung im Iran bremsen möchten. So sagte Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses, er werde alles unternehmen, um Irans Zugang zum Dollar zu verhindern. Die finanziellen Möglichkeiten, die Iran durch das Abkommen erhalten habe, seien besorgniserregend. "Das ist ein Grund dafür, dass ich gegen jeden Schritt bin, den die US-Regierung unternimmt, um Iran Zugang zum Finanzsystem zu verschaffen", sagte Ryan.

Am 17. April legte das iranische Außenministerium dem Parlament einen Bericht über Aktivitäten in den vergangenen drei Monaten nach der Aufhebung der Sanktionen vor. Darin werden die Probleme bei der wirtschaftlichen Entwicklung und bei Investitionen begründet mit "Intrigen und Machenschaften" der Amerikaner von außen und "Korruption und Geldwäsche" im Inneren. "Herbeigeholte Vorwände, Intrigen und unnötige Verzögerungen" seitens der USA, insbesondere seitens des Finanzministeriums, bildeten große Hürden bei der Umsetzung des Atomabkommens, heißt es in dem Bericht. "Trotz wiederholter Beteuerungen der US-Regierung, ihre eingegangenen Pflichten bei der Umsetzung des Abkommens zu erfüllen, scheint es, dass mächtige Kreise innerhalb der US-Administration nicht gewillt seien, Unklarheiten zu beseitigen. Es gebe sogar Bemühungen, Versuche zur Lösung der Probleme zu vereiteln. In dem Bericht wird auch Israel und "einigen Staaten in der Region" vorgeworfen, die Umsetzung des Abkommens verhindern zu wollen.

Am 19. April gab es am Rande der UN-Klimakonferenz ein Treffen zwischen Kerry und Sarif, das zwei Stunden und 40 Minuten lang dauerte. Im Anschluss daran sagte Kerry vor der Presse, bei dem Gespräch seien Fortschritte erzielt worden. "Wir haben uns darauf geeinigt, uns zu bemühen, dass das Atomabkommen genauso wie vereinbart umgesetzt wird." Und Sarif sagte, beide Seiten hätten zugestimmt, dass Iran alle aus dem Abkommen ermöglichten Vorteile in Anspruch nähme.

In einem Interview mit der "New York Times" vom 20. April sagte Sarif: "Wir sind nicht bemüht, Zugang zum amerikanischen Finanzsystem zu bekommen. Aber wir erwarten, dass die Sorgen anderer Staaten, die mit Iran Handel treiben wollen, beseitigt werden."


450 STÄDTE MIT ERNSTEN WASSERPROBLEMEN

Laut Angaben des Energieministeriums werden im Sommer 450 Städte in Iran "ernste Probleme" mit der Wasserversorgung bekommen. Vizeminister Sattar Mahmudi sagte am 1. April der Presse, in den Großstädten Bandar Abbas, Bushehr, Kerman, Schiras, Maschhad und Hamedan werde es "kritisch" werden. Seiner Einschätzung nach werde in manchen Städten das Wasser rationiert werden müssen. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Lage etwas besser geworden. Im vergangenen Sommer verfügte Iran über rund 20 Milliarden Kubikmeter Wasserreserven, in diesem Jahr sind es 24 Milliarden. Daher seien in diesem Jahr weniger Städte vom Wassermangel betroffen.

Energieminister Hamid Tschittschian hatte am Vortag erklärt, sein Ministerium plane ein Projekt, mit dem es möglich sein werde, trinkbares Wasser aus den Anrainergebieten am Persischen Golf und dem Meer von Oman in die mitteliranischen Provinzen zu leiten. Zudem seien 50 Einrichtungen zur Entsalzung des Wassers am Persischen Golf in Betrieb genommen worden. Weitere Projekte zur Wasserversorgung der Provinzen Kerman und Yasd seien in Angriff genommen worden.


VERKAUF VOM "SCHWEREM WASSER" AN USA UND RUSSLAND

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 25. April zufolge sollen Russland und die USA aus Iran Schweres Wasser kaufen. Es handelt sich um die Menge vom Schwerem Wasser, das Iran gemäß dem Atomabkommen mit der 5+1-Gruppe nicht selbst behalten darf. Dem Land ist laut Vertrag der Besitz von höchstens 130 Tonnen Schwerem Wasser gestattet. Iran besitzt jedoch mehr als 200 Tonnen. Das Wasser mit atomarer Zusammensetzung wird für die Herstellung von Atomwaffen oder für die Kernenergie gebraucht.

"Wir verhandeln mit Russland über den Verkauf von 40 Tonnen Schwerem Wasser", sagte Vize-Außenminister Abbas Araghtschi, der auch die iranische Delegationen bei den Atomverhandlungen leitete. Auch andere Großmächte hätten Interesse gezeigt. Laut Reuters hatte zuvor eine Sprecherin des US-Energieministeriums den Kauf von 32 Tonnen für 8,6 Millionen Dollar bekannt gegeben.


2,5 MILLIARDEN DOLLAR FÜR DIE TANKERFLOTTE

Iran plant laut einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Irna vom 3. April seine Tankerflotte zu modernisieren. Die 70 iranischen Öl-Tanker sind alt, die Tankerflotte konnte in den vergangenen Jahren aufgrund der Sanktionen nicht erneuert werden. Nun soll die Flotte mit einer Investition von 2,5 Milliarden modernisiert werden, sagte Ali Akbar Safai, Geschäftsführer der staatlichen Tankerflotte.


INTENSIVIERUNG DER WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN ZU DEUTSCHLAND

Vize-Ölministerin Marsieh Schahdai kündigte laut einem Bericht der Agentur Reuters vom 5. April in Berlin einen massiven Ausbau der petrochemischen Industrie in Iran an. Geplant seien Investitionen in Höhe von 55 Milliarden Dollar, womit 60 Projekte realisiert werden sollen, sagte die Vizeministerin. In fünf Jahren solle die gegenwärtige Produktionskapazität von 60 Millionen Tonnen auf 100 Millionen Tonnen gesteigert werden. Und in zehn Jahren soll eine Kapazität von 160 Millionen Tonnen erreicht werden.

Schahdai erklärte in Berlin, die Islamische Republik sei an einer intensiven und weitreichenden Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen, auch im petrochemischen Sektor, interessiert. Sie hoffe, dass die Probleme der Finanzierung, die zurzeit eine rasche Durchführung der Projekte behinderten, bald behoben sein werden und die "sehr guten Wirtschaftsbeziehungen in der Vergangenheit" zwischen Deutschland und Iran fortgesetzt werden könnten.

Auf deutscher Seite bestehen große Hoffnungen auf lukrative Geschäfte mit Iran. Es gehe nun darum, die bestehenden Hindernisse abzubauen. Auch die Hermes-Bürgschaften sollen bald wieder in voller Höhe ermöglicht werden. Wie Reuters berichtet, wird Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation bereits unmittelbar nach der Aufhebung der Sanktionen nach Teheran gereist war, Anfang Mai zur Teilnahme an einer gemischten Sitzung der deutsch-iranischen Wirtschaftskommission nach Teheran reisen. Der Handel zwischen Deutschland und Iran war in den vergangenen Jahren aufgrund bestehender Sanktionen drastisch zurückgegangen. 2015 lag er bei 2,4 Milliarden Euro. Dies soll kurz- und mittelfristig um ein Mehrfaches gesteigert werden. Nach neuesten Meldungen musste Gabriels Reise nach Iran, die am 2. Mai stattfinden sollte, wegen Krankheit des Ministers vertagt werden.

Am 9. April reiste Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, begleitet von Branchenvertretern, zu einem Treffen mit seinem Amtskollegen Mahmud Hodschatti nach Teheran. Dabei ging es, wie dpa meldete, um eine Absichtserklärung zur Kooperation von Veterinärbehörden, um Landtechnik, Saatgut, Handel mit Rohstoffen und Agrarforschung. Ferner bot Deutschland an, Iran bei der Verpackung von Nahrung zu unterstützen.

Die beiden Minister hatten sich bereits in Januar bei der Grünen Woche in Berlin getroffen. Schmidt kündigte an, sein Ministerium werde in diesem Jahr an mehreren Messen in Iran teilnehmen.

Zur Normalisierung der Bankverbindungen mit Deutschland will Iran, wie Verkehrsminister Abbas Achundi in einem Interview mit dem Magazin Stern am 20. April ankündigte, seine Altschulden in Höhe von 500 Millionen Dollar an Deutschland zurückzahlen. Dies werde möglich sein, sobald Transaktionen zwischen den beiden Ländern ermöglicht würden. "Das Geld halten wir bereit", sagte Achundi. Er forderte die deutschen Banken auf, sich bei Geschäften mit Iran nicht zurückhaltend zu verhalten, sondern zu versuchen, bei den US-Behörden Sondergenehmigungen zu erlangen. "Wir möchten langfristige wirtschaftliche Beziehungen aufbauen", sagte der Minister. Dabei spiele Deutschland eine zentrale Rolle. Die Regierung in Teheran plane eine Investition von 100 Milliarden Dollar zum Ausbau der Infrastruktur, um zu einer Drehscheibe für Transport und Logistik werden zu können. Dabei seien allein für den Ausbau des Bahnnetzes und neue Fracht- und Personenwaggons 28 Milliarden Dollar vorgesehen.


POSITIVE HANDELSBILANZ

Zum ersten Mal seit der Revolution habe Iran im vergangenen iranischen Jahr (21.März 2015-21. März 2016), den Ölexport ausgenommen, mehr Waren exportiert als eingeführt, sagte Präsident Rohani am 4. April bei einer Versammlung von höheren Beamten des Ministeriums für Kommunikation und Technologietransfer in Teheran. "Der Warenexport lag bei 42 Milliarden Dollar, der Import bei 41 Milliarden Dollar. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Hoffnungen und Aktivitäten, die (nach dem Atomabkommen) entstanden sind, verloren gehen."

Gerichtet an die Versammelten sagte der Präsident: "Sie haben die Möglichkeit, Privatgespräche abzuhören. Aber das ist Verrat am Vertrauen, das Ihnen gegeben wurde." Es gebe Ausnahmefälle wie zum Beispiel das Abhören terroristischer Netze. "Doch wo es nicht nötig ist, darf nicht abgehört werden. Das wäre eine eindeutige Missachtung des Rechts der Bürger."

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AUSSENPOLITIK

• Obama verteidigt das Atomabkommen mit Iran
• Iran und die arabischen Staaten
• Zwei Milliarden Entschädigung für amerikanische Terroropfer
• Sofortige Einstellung der Kampfhandlungen in Bergkarabach gefordert
• Renzi in Teheran
• Rohani in Istanbul
• Kopftuch für Air France Crews bei Iranflügen


OBAMA VERTEIDIGT DAS ATOMABKOMMEN MIT IRAN

Als Gastgeber beim Gipfel zur nuklearen Sicherheit in Washington, an dem fünfzig Staaten teilnahmen, zeigte sich US-Präsident Barack Obama besorgt über die Gefahr, dass terroristische Gruppen in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen könnten. "Kein Zweifel: Wenn diese Verrückten dieses Material in die Hände bekämen, würden sie so viele Menschen töten, wie möglich" sagte er. Das nukleare Material müsse gemeinsam geschützt werden. Keine Nation sei in der Lage, allein die Bestände zu sichern. Die Gefahr eines nuklearen Terrorismus nehme ständig zu, sagte Obama.

Russland und Iran hatten an dem Gipfel nicht teilgenommen. Auch Pakistan hatte sich wegen eines Terroranschlags im eigenen Land entschuldigt. Während seiner Rede erwähnt Obama auch das Atomabkommen mit Iran. Dabei ging er auf die Kritik Irans ein, der Westen sei seinen eingegangenen Verpflichtungen Iran gegenüber nicht nachgekommen. "Iran hat bis zu diesem Augenblick seine Verpflichtungen erfüllt", sagte Obama. Daher ist es angebracht, dass auch die andere Seite, die Weltgemeinschaft ebenso ihren Verpflichtung nachkommt", sagte er. Zugleich sollte Iran wissen, dass die Rückkehr zum Weltmarkt Zeit brauche. Das Land müsse sich auch selbst darum bemühen, um Vertrauen zu gewinnen. Wenn es jedoch Raketentests durchführe und auf die Raketen schreibe, "Israel muss ausgelöscht werden", dann würde dies weiteres Misstrauen erzeugen. Auch die Waffenlieferungen an die Hisbollah bereiteten den Unternehmern auf dem Weltmarkt Sorgen.

Vor dem Gipfel hatte Obama die Vertreter der 5+1-Gruppe, die mit Iran den Atomvertrag ausgehandelt hatte, getroffen und sich bei allen Beteiligten bedankt. "Wir sehen dank dieses Vertrags bereits jetzt echte Fortschritte", sagte er. Auch Iran spüre allmählich die Vorteile des Abkommens.


IRAN UND DIE ARABISCHEN STAATEN

Bahrains Außenminister Chalid bin Ahmad Al Chalifa sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Al Arabia am 2. April, Iran habe seine Politik gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft geändert, nun müsse es auch seine Politik in der Region und gegenüber den arabischen Staaten ändern. "Gegenwärtig stellt Iran für die arabischen Staaten eine größere Gefahr dar als Israel", sagte der Minister.

Die Beziehung zwischen Iran und Bahrain ist seit Jahren erschüttert. Die Kontroversen erreichten 2011 einen Höhepunkt, als ein Aufstand der Schiiten in Bahrain mit Unterstützung saudischer Truppen blutig niedergeschlagen wurde. Nach der Massenhinrichtung Anfang des Jahres in Saudi-Arabien, bei der auch ein populärer schiitischer Geistlicher exekutiert wurde, und den drauffolgenden Protesten in Iran, hat Bahrain, einen Tag nach Saudi-Arabien, seine diplomatischen Beziehungen zu Iran abgebrochen.

Als Beispiel für die falsche Politik Irans nannte der Minister die Unterstützung der libanesischen Hisbollah und die Waffenlieferungen in einige Staaten der Region. Die arabischen Staaten werfen Iran Einmischung in innere Angelegenheiten ihrer Staaten vor.

Indes hat Saudi-Arabien am 4. April der iranischen Fluggesellschaft Mahan Air verboten, auf saudischen Flughäfen zu landen. Begründet wurde diese Maßnahme mit der "Missachtung von Bestimmungen und Sicherheitsvorkehrungen".

Am 5. April wurde eine Waffenlieferung im Arabischen Meer von der US-Marine abgefangen, die angeblich aus Iran kommend, für die Huthi-Rebellen in Jemen bestimmt war, berichtete AFP. Geladen hatte das kleine Schiff 1.500 Kalaschnikows, 200 Panzerabwehrraketen und 21 Maschinengewehre. Die Waffen wurden beschlagnahmt, die Besatzung durfte weiterfahren. Laut der US-Marine ist diese Waffenlieferung die vorerst letzte einer Reihe von beschlagnahmten Waffenlieferungen, die aus Iran zur Unterstützung der Huthi-Rebellen gesandt worden sein sollen.

Am 10. April gab der Sprecher der iranischen Staatsanwaltschaft, Gholamhossein Ejehi, bekannt, dass der Prozess gegen "einige Personen", die im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Hinrichtungen in Saudi-Arabien und dem Angriff auf die saudische Botschaft in Teheran festgenommen worden waren, bei einem Sondergericht für Geistliche begonnen habe. Die iranische Staatsführung hatte damals die Proteste verurteilt. Die Anklage richte sich gegen 48 Personen, sagte Ejehi. Genauere Angaben über die Angeklagten machte er nicht.

Am 14. April begann der 13. Gipfel islamischer Staaten unter dem Motto "Einheit, Solidarität, für Gerechtigkeit und Frieden" in Istanbul. Wichtigstes Ziel der 57 versammelten islamischen Staaten, darunter 30 Staatsoberhäupter, war nach Angaben der Organisatoren die Klärung bestehender Differenz zwischen den Mitgliedstaaten und die Koordinierung im Kampf gegen den Extremismus. Der türkische Präsident Erdogan, der die Konferenz eröffnete, sagte, es gehe darum die Meinungsverschiedenheiten unter den rund 1,7 Milliarden Muslimen, die verschiedenen Nationalitäten und Glaubensrichtungen angehörten, zu reduzieren. Es sei "eine Schande", dass die meisten Menschen, die nach Europa flüchteten, Muslime seien.

Auch Irans Präsident Hassan Rohani gehörte zu den Teilnehmern der Konferenz. Bei seiner Rede auf der Konferenz sagte er, es sei den islamischen Ländern nicht würdig, "der Unsicherheit und der Gewalt und dem Terrorismus ausgeliefert zu sein und unter Rückständigkeit und Mangel an Entwicklung zu leiden". Er bezeichnete Israel als Quelle der Gewalt und Unsicherheit in der Region. Rohani sagte weiter, die Islamische Republik sei zum Dialog über bestehende Zwistigkeiten bereit. "Allen ist wohl klar, dass weder Saudi-Arabien für Iran das Problem ist, noch Iran für Saudi-Arabien. Das Problem ist Dummheit, Dogmatismus und Gewaltbereitschaft."

Vor der Konferenz hatten die Außenminister der Mitgliedstaaten sich getroffen, um die Schlussresolution der Konferenz vorzubereiten. Dabei kritisierte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif den Entwurf, den einige arabische Staaten vorbereitet hatten, scharf. Darin wurden sowohl Iran als auch die libanesische Hisbollah scharf kritisiert. "Dies sei das Werk Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten", sagte Sarif. Saudi-Arabien benutze die Proteste in Iran gegen die Massenhinrichtungen als Vorwand. Dabei habe die iranische Staatsführung diese Proteste und den Angriff auf die saudische Botschaft verurteilt. Die anderen Außenminister weigerten sich jedoch, die Passagen über Iran und Hisbollah zu streichen.

Tatsächlich wurde in der Schlussresolution, die von der Konferenz verabschiedet wurde, Iran wegen des Angriffs auf die saudische Botschaft verurteilt und Irans Stellungnahmen gegen die Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien als "klare Einmischung in innere Angelegenheiten" des Landes bezeichnet. Zudem wurde "die Einmischung Irans in innere Angelegenheiten der Staaten in der Region, wie in Bahrain, Jemen, Syrien und Somalia" scharf verurteilt und dem Land "Unterstützung des Terrorismus" vorgeworfen. Auch die libanesische Hisbollah wurde wegen "terroristischer Aktivitäten in Syrien, Kuwait, Bahrain und Jemen und der "Unterstützung terroristischer Gruppen, die die Sicherheit der islamischen Staaten gefährden", scharf verurteilt. Bei der Verabschiedung der Resolution waren weder Rohani noch Sarif anwesend. Iranische Medien berichteten, die Abwesenheit der beiden Politiker sollte als Protest gegen die Resolution verstanden werden.

Am 18. April gab die staatliche Agentur von Jordanien bekannt, dass das Land seinen Botschafter in Iran zur Beratung nach Amman bestellt habe. Als Grund wurde "Einmischung Irans in Angelegenheiten arabischer Staaten" genannt. Eine Woche zuvor hatte laut Agenturmeldungen der saudische Verteidigungsminister mit dem jordanischen König über "Irans Einmischungen" ein Gespräch geführt.

Bisher haben Saudi-Arabien, Bahrain, Somalia, Dschibuti und Sudan ihre diplomatischen Beziehung mit Iran abgebrochen. Die Arabischen Emirate haben nur noch einen Geschäftsführer in Iran.

Am 20. April gab der Generalsekretär des Golfkooperationsrats, Abdollatif Siani, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem amerikanischen Verteidigungsminister Ashton Carter in der saudischen Hauptstadt Riad bekannt, dass die USA und der Golfkooperationsrat vereinbart hätten, iranische Schiffe mit Waffen an Bord, die für Jemen bestimmt seien, aufzuhalten und die Waffen zu beschlagnahmen. Die Pressekonferenz fand nach einer Sitzung der Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten des Rates statt, an der auch der US-Verteidigungsminister teilgenommen hatte. Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, die Arabischen Emirate, Kuwait und Oman sind Mitglieder des Golfkooperationsrats.

Carter betonte abermals die Bereitschaft der USA, die Ratsmitgliedsstaaten zu unterstützen. Der Sicherheit dieser Länder werde von den USA große Bedeutung beigemessen.

Präsident Obama, der am 20. April zu einem zweitägigen Besuch in Riad eintraf, führte Gespräche mit der saudischen Führung, unter anderem mit König Salman. Am 21. April nahm er am Gipfel des Golfkooperationsrates teil, begleitet von US-Außenminister John Kerry und Verteidigungsminister Carter.

Trotz des Atomabkommens setzten sich "die ernsten Sorgen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten in der Region über das Verhalten Irans in der Region" fort, sagte Obama. Er warf Iran "destabilisierende Aktivitäten" vor, betonte aber zugleich, dass kein Land Iran bekämpfen wolle. Er versprach gegen Aggressionen, die sich gegen arabische Staaten richteten, vorzugehen. Auf der anderen Seite betonte er, trotz der Sorgen über Iran wolle er die Gelegenheit, die durch das Atomabkommen entstanden sei, zur Verständigung mit dem Land nutzen. Abschließend sagte Obama auf der Tagung: "Das Verhältnis der USA zu dem Golfkooperationsrat besteht darin, dass, wie zwischen Verbündeten üblich, es auch zwischen uns zu jedem Zeitpunkt bestimmte Differenzen gibt." Gemeint waren wohl die Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit Iran. Auch Obamas stellvertretender Sicherheitsberater Ben Rhodes erklärte in Riad, trotz der Sorgen über das Verhalten Irans, seien diplomatische Bemühungen mit Teheran zur Lösung der Probleme in Syrien, Jemen und im Irak notwendig.


ZWEI MILLIARDEN ENTSCHÄDIGUNG FÜR AMERIKANISCHE TERROROPFER

Das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten hat am 20. April laut Medien entschieden, dass amerikanische Gerichte die Zahlung von Entschädigungen an amerikanische Terroropfer aus eingefrorenen iranischen Guthaben anordnen können. Damit hat der Supreme Court eine Klage der iranischen Zentralbank zurückgewiesen.

Bei dem Streit geht es um die Opfer und Hinterbliebenen eines Terroranschlags in Beirut 1983, bei dem 241 US-Marines ums Leben kamen, sowie um 19 US-Soldaten, die 1996 einem Anschlag in Saudi-Arabien zum Opfer fielen. Die US-Regierung machte Iran für beide Anschläge verantwortlich.

Mehrere tausend Überlebende des Anschlags verlangten von Iran Entschädigung. 2003 entschied ein US-Gericht, dass die Hinterbliebenen Anspruch auf Entschädigung hätten. Dem Gericht zufolge sollte Iran 2,7 Milliarden an die Hinterbliebenen zahlen. Iran weigerte sich. Vor zwei Jahren entschied ein anderes Gericht, dass die Entschädigungen von insgesamt zwei Milliarden Dollar aus dem eingefrorenen Guthaben Irans gezahlt werden könnten. Die iranische Zentralbank focht diese Entscheidung an, das Oberste Gericht stimmte einer Revision zu.

Die iranische Zentralbank argumentiert, der US-Kongress habe 2012 einen Beschluss über die Zahlung von Entschädigungen aus iranischem Guthaben gefasst. Damit habe sich der Kongress in Angelegenheiten der Justiz eingemischt. Dieses Argument wurde nun mit sechs gegen zwei Stimmen vom Obersten Gericht abgelehnt.

Nun muss Iran auf zwei Milliarden seines Guthabens verzichten. Zudem hat das Oberste Gericht mit seiner Entscheidung den Weg für mögliche weitere Klage freigemacht.

Iran bezeichnete die Entscheidung als "Raub" des iranischen Guthabens. Der Sprecher des Außenministeriums Hossein Dschaberi Ansari, der in Begleitung des Außenministers Sarif in New York weilte, verurteilte das Urteil des Gerichts auf das Schärfste. "Dieses Urteil steht im Widerspruch zu den Grundsätzen des Völkerrechts. Es zeigt, dass die Einflussnahme zionistischer Kreise auf die amerikanische Regierung" fortgesetzt werde, sagte Ansari. Solche Gerichtsurteile "steigern das tiefe Misstrauen der iranischen Regierung und des iranischen Volkes gegenüber der feindlich gesinnten Politik der USA".

Am 25. April sagte Außenminister Sarif auf einer Pressekonferenz in Teheran: "Wir haben von Anfang an erklärt, das wir das Urteil amerikanischer Gerichte nicht anerkennen und den Zugriff auf iranische Guthaben als illegal betrachten, denn er widerspricht dem internationalen Recht." Er habe US-Außenminister John Kerry bei seinem letzten Treffen mit ihm die iranische Position mitgeteilt, fuhr Sarif fort. Iran werde eine Kommission bilden, die erstens untersuchen soll, wie es dazu gekommen sei, dass Irans Gelder trotz Ermahnungen in den USA investiert worden seien, zweitens, wie solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden könnten und drittens, wie die Vollstreckung des Urteil und der Zugriff auf iranische Guthaben verhindert werden könne.

Auch Präsident Rohani bezeichnete im iranischen Fernsehen das Gerichtsurteil als "eklatanten Diebstahl". Am 29. April schickte Sarif einen Brief an den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, in dem es hieß, das Gerichtsurteil werde "katastrophale Auswirkungen" haben und das Prinzip der Staatsimmunität systematisch aushöhlen. Der Generalsekretär möge dafür sorgen, dass die Vereinigten Staaten ihre internationalen Verpflichtungen einhalten. Zugleich drohte Sarif dem Weißen Haus, Iran werde die USA für den Putsch von 1953 (der zum Sturz der damaligen Regierung von Mohammad Mossadegh und zur Rückkehr des geflüchteten Schah führte), die Unterstützung des Geheimdienstes SAVAK und deren Rolle bei der Unterdrückung und Folterung von Oppositionellen, die Unterstützung von Saddam Hussein im Krieg gegen Iran und schließlich den Abschuss der iranischen Passagiermaschine 1988 zur Verantwortung ziehen. "Die Islamische Republik behält sich das Recht vor, juristische Schritte zu unternehmen, auch angemessene Gegenmaßnahmen zu treffen, um ihre Rechte und Interessen durchzusetzen", hieß es am Ende des Briefes.

Sowohl Ban Ki Moon als auch die US-Regierung reagierten auf den Brief. Ban erklärte, die UNO sei bereit, falls beide Staaten es wünschten, zu vermitteln. Marc Toner, Sprecher des Außenministeriums, sagte laut BBC, das Gerichtsurteil stehe nicht im Widerspruch zum internationalen Recht. Laut Reuters sagte ein anderes Regierungsmitglied, eine Vermittlung der UNO sei nicht nötig. Zwischen Teheran und Washington gebe es direkte Kanäle und "wir haben gesagt, dass wir zu Gesprächen über alle Probleme bereit sind".


SOFORTIGE EINSTELLUNG DER KAMPFHANDLUNGEN IN BERGKARABACH GEFORDERT

Das Teheraner Außenministerium zeigte sich über die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Bergkarabach besorgt und forderte die sofortige Einstellung der Kämpfe.

Es waren die schwersten Kämpfe seit zwanzig Jahren. Bergkarabach wird von der Staatengemeinschaft als Teil der Republik Aserbaidschan betrachtet, das Gebiet steht jedoch unter der Herrschaft der Armenier. Hossein Dschaberi Ansari, Sprecher des Außenministeriums sagte am 2. April, die Nachrichten über die Auseinandersetzung zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach seien für Iran "höchst besorgniserregend". Er forderte beide Staaten auf, Vernunft walten zu lassen und Handlungen zu unterlassen, die die Lage schlimmer machen könnten. Er empfahl den Nachbarstaaten, Differenzen durch Verhandlung beizulegen.

Am 5. April trafen sich die Außenminister Irans, der Türkei und der Republik Aserbaidschans in der am Kaspischen Meer liegenden iranischen Stadt Ramsar. Das Treffen war bereits vor dem Ausbruch der Kämpfe um Bergkarabach vereinbart worden. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif sagte vor dem Treffen, er wolle die Gelegenheit nutzen, um einen Beitrag zur Beendigung der Kampfhandlungen zu leisten. Nach dem Treffen begab sich Sarif nach Baku zu einem Treffen mit den Außenministern von Russland und Aserbaidschan.

Vor zwanzig Jahren, während der Präsidentschaft von Haschemi Rafsandschani, hatte Iran vergeblich versucht, zwischen den verfeindeten Staaten Armenien und Aserbaidschan zu vermitteln. Nach dem Zerfall der Sowjetunion brachen die Kämpfe zwischen den beiden selbstständig gewordenen Republiken aus. Es gab Zehntausende Tote. 1994 kam es zu einem Waffenstillstandsabkommen, das immer wieder gebrochen wurde.


RENZI IN TEHERAN

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi traf am 11. April zu einem zweitägigen Besuch in Teheran ein. Er wurde von einer 250-köpfigen Delegation, bestehend aus Politikern, Unternehmern, Vertretern der italienischen Energie-, Rüstungs- und Bahnbranche, begleitet. Es war die erste Reise eines italienischen Regierungschefs nach fünfzehn Jahren. Auch die erste Reise von Präsident Rohani nach der Aufhebung der Sanktionen im Januar führte ihn nach Italien. Laut Angaben des iranischen Vizeaußenministers Madschid Tachtrawantschi wurden bei diesem Besuch 30 Abkommen zwischen Iran und Italien vereinbart mit einem Volumen im Wert von insgesamt 17 Milliarden Euro, von denen acht bereits umgesetzt wurden.

Vor seiner Reise nach Teheran sagte Renzi, dass Italien die Wirtschaftsbeziehungen zu Iran, die im Zuge der Sanktionen stark gelitten hätten, neu beleben möchte. Auch politisch sei sein Iran-Besuch wichtig. Iran könne im Kampf gegen den Islamischen Staat eine wichtige Rolle spielen.

Während Renzis Besuch wurden mehrere Verträge im Werte von mehreren Milliarden Dollar geschlossen, unter anderem wurde zwischen dem italienischen Energiekonzern Enel und der National Iranian Gas Export Company eine Kooperation vereinbart. Die staatliche Bank Cassa Depositi e Prestiti erklärte sich bereit, Kredite über vier Milliarden Euro für Firmen zur Verfügung zu stellen, die in Öl und Gas investierten, berichtete Reuters am 12. April. Die italienische Eisenbahngesellschaft erhielt einen Auftrag für den Bau von zwei Hochgeschwindigkeitsstrecken. Der Wert beträgt schätzungsweise drei Milliarden Euro. Auch die italienische Autoindustrie vereinbarte die Lieferung von Ersatzteilen. Bauunternehmen schlossen Verträge zum Bau von Flughäfen und Einrichtungen, die dem Tourismus in Iran zugutekommen sollen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Renzi in Teheran sagte Rohani: "Die erste Station meiner Europareise war Italien und schon nach drei Monaten können wir den italienischen Ministerpräsidenten in Teheran begrüßen. Dies ist ein Signal unserer Entschlossenheit, unsere Beziehungen auf dem Gebiet der Wirtschaft, Wissenschaften und Kultur zu intensivieren." Rohani sprach von sieben neuen Verträgen, die "die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Iran und Italien auf einen neuen Weg führen" könnten. Es gehe dabei vor allem um Investitionen und Technologietransfer. "Italiens Unternehmen und seine Industrie genießen hier hohe Wertschätzung", Italien solle zum führenden Handelspartner Irans in der EU werden, sagte Rohani. Italien sei bereits vor den Sanktionen wichtigster Handelspartner Irans gewesen. Das solle auch weiterhin so bleiben. Vor den Sanktionen hatte der Handel zwischen Iran und Italien ein Volumen von 8 Milliarden Dollar. Zurzeit liegt es bei 2 Milliarden Dollar.

Renzi traf auch den ehemaligen Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani. Laut Irna übermittelte er ihm die Grüße "vieler Menschen und einiger Präsidenten Italiens", die "Sie verehren und Ihre Persönlichkeit sehr hoch schätzen und die wissen, wie Sie sich für die Weltgemeinschaft sowie für den Ausbau der Beziehungen zwischen Iran und Italien eingesetzt haben und einsetzen". Rafsandschani gehört laut einem Urteil eines Berliner Gerichts zu den Drahtziehern des Mykonos-Attentats im Jahre 1992, bei dem vier iranisch-kurdische Politiker ermordet wurden.

Renzi wurde auch von Revolutionsführer Ali Chamenei empfangen. Chamenei lobte die bilateralen Beziehungen zwischen Iran und Italien in der Vergangenheit und begrüßte den geplanten Ausbau der Zusammenarbeit. "Das Problem und die Schwäche bei den häufigen Besuchen der Delegationen aus Europa bestehen darin, dass das Ergebnis der Verhandlungen in der Praxis nicht spürbar wird", sagte er. Iran habe einen "positiven und optimistischen Blick auf Italien". Das gelte allerdings nicht für alle europäischen Staaten, denn "die schauen nur auf die USA, die ihnen diktieren, was sie tun sollen".


ROHANI IN ISTANBUL

Irans Präsident Hassan Rohani, der sich zur Teilnahme an dem Gipfel islamischer Staaten in der Türkei aufhielt, und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan betonten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Ankara am 14. April die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Stabilität im Nahen Osten und die Dringlichkeit des Kampfes gegen den Terrorismus.

Rohani sagte, die Türkei und Iran seien sich darin einig, "die nationale Souveränität der Staaten zu verteidigen, jede Art von Spaltung und Zerfall von Staaten zu verhindern und den Terrorismus, in welcher Art und unter welchem Namen auch immer, entschieden zu bekämpfen". Die Differenzen, die es zwischen den beiden Staaten gebe, seien nicht ungewöhnlich. Iran sei bereit, über den gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus zu verhandeln und das entstellte Bild des Islam zu korrigieren.

Auch Erdogan betonte, Iran und die Türkei müssen gemeinsam den Kampf gegen den "Terrorismus, Spaltertum und Zersplitterungen" führen.

Der Stellvertreterkrieg in Syrien hat die bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und Iran politisch stark belastet, auch wirtschaftlich entwickelte sich das Verhältnis nicht so, wie von beiden Staaten gewünscht. Die wirtschaftlichen Beziehungen sollen nun trotz politischer Differenzen neu belebt werden. Die beiden Staatschef unterzeichneten acht Abkommen, womit der Handel ausgeweitet und das Volumen auf das Dreifache, das heißt auf 30 Milliarden Dollar gesteigert werden soll.

Politisch soll der Dialog zwischen den beiden Staaten verstärkt und Differenzen auf ein Minimum reduziert werden. "Wir müssen zusammenarbeiten, um die Probleme des Terrorismus und Fanatismus sowie die damit zusammenhängende humanitäre Krise zu überwinden, die unsere Region erschüttern", hieß es auf der gemeinsamen Pressekonferenz.

Indes forderte der militärische Berater des iranischen Revolutionsführers, General Yahya Rahim Safawi, einen neuen politischen Kurs gegenüber der Türkei. Auf einer Tagung in Teheran über die geopolitische Entwicklung im Westen Asiens sagte der General am 28 April: "Iran muss seinen wirtschaftlichen, politischen und sicherheitspolitischen Beziehungen zur Türkei, die als Verbündeter der USA mit dem zionistischen Regime und den arabischen Staaten kooperiert, neu ordnen." Um die Rolle Irans in der Region zu stärken, müsse die Islamische Republik sich mehr in der "Schanghaier Zusammenarbeit" engagieren, eine Niederlage des Regimes von Baschar Al-Assad und den Zerfall Syrien verhindern und die Hisbollah im Libanon stärken, sagte der General.


KOPFTUCH FÜR AIR FRANCE CREWS BEI IRANFLÜGEN

Die französische Fluggesellschaft Air France hat am 17. April ihre Flüge von Paris nach Teheran wieder aufgenommen. Sie bietet drei Flüge pro Woche an. Im Vorfeld gab es Ärger mit den Stewardessen, die einer Anweisung der Geschäftsführung zufolge verpflichtet wurden, bei der Ankunft in Teheran und dem Verlassen der Maschine ein Kopftuch zu tragen. Zudem sollten sie während des Flugs keine engen Hosen oder Kleider tragen. Einige Frauen wollten sich diesem Kleiderzwang nicht unterziehen. Die Gewerkschaften verhandelten daraufhin mit der Geschäftsführung. Sie wollten durchsetzen, dass Frauen, falls sie diese Route nicht mitfliegen wollten, hierfür nicht bestraft würden. "Die Frauen müssen eine Hose, eine lange Jacke und eine Kopfbedeckung tragen, die die Haare verdeckt", sagte Francoise Redolfi, Sprecherin der Flugbegleitergewerkschaft UNSA, dem Sender "France Info". "Außerhalb des Hotelzimmers werden sie gezwungen, lange Gewänder zu tragen, um die Konturen ihres Körpers zu kaschieren."

Die Geschäftsführung erklärte, das Flugpersonal müsse wie jeder Tourist die bestehenden Vorschriften eines jeden Landes befolgen und achten. Solche Einschränkungen seien nicht neu. Diese habe es bei früheren Flügen nach Iran oder auch bei denen nach Saudi-Arabien bereits gegeben. Doch am 4. April erklärte die Geschäftsführung dann, Stewardessen seien nicht verpflichtet, an den Flügen nach Teheran teilzunehmen. Es sei eine "Sondereinheit" gebildet worden, die für Ersatz sorgen würde. Gegen Frauen, die nicht mitfliegen wollten, werde es keine Sanktionen geben.

Am 17. April landete die erste Air France Maschine auf dem Chomeini-Flughafen in der Nähe von Teheran, an Bord: der französische Verkehrsminister Alain Vidalies und einige Unternehmer. Sie wurde in Teheran offiziell in Empfang genommen. Der Minister bezeichnete den Flug als Auftakt zur weitreichenden Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Islamischen Republik. Air-France-Chef Frédéric Gagey sagte, er sei zuversichtlich, dass die Verbindung nach Teheran profitabel sein werde. "Es ist ein Touristenziel, das - so glaube ich - sehr beliebt, sehr attraktiv werden wird."

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Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
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15. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 5/2016 - Mai 2016 / 15. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2016

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