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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/320: Iran-Report Nr. 6 - Juni 2014


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 6 - Juni 2014
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Chamenei fordert von Politikern "Kampfgeist"
• Rohani: "Ich habe nicht vergessen, was ich versprochen habe."
• Freitagsprediger attackierte Rohani scharf
• Demonstration gegen Atomabkommen
• Freitagsprediger warnt vor Rückkehr zu den Zeiten der "Reformer"
• Präsidium des Parlaments neu gewählt
• Vierte Frau zur Gouverneurin ernannt
• Überparteiisches Frauenzentrum geplant
• Schärfere Kontrollen der Kleidungsvorschriften
• Präsidentenberater verteidigt religiöse Minderheiten
• Chamenei drängt wieder auf Erhöhung der Geburtenrate
• "National-Religiöse" warnen vor möglicher Massenhinrichtung
• Milliardär wegen Betrug hingerichtet


CHAMENEI FORDERT VON POLITIKERN "KAMPFGEIST"

In einer Rede vor den Abgeordneten des Parlaments am 25. Mai sagte Revolutionsführer Ali Chamenei, die außenpolitischen Verhandlungen seien ein Teil des Kampfes für die Existenz der Islamischen Republik. Wer Theorien für Kompromisse und Kapitulation in der Außenpolitik schmiede, sei ein "Verräter".

Der einzige Weg, der inhumanen Front der Unterdrücker Widerstand zu leisten, sei "Kampf", sagte der Revolutionsführer. Regierung und Parlament seien verpflichtet, sich an die drei Grundsätze, "Wirtschaft des Widerstands", "revolutionäre und religiöse Kultur" und "Fortsetzung des "wissenschaftlichen Fortschritts" zu halten. Die wirtschaftlichen und politischen Probleme ließen sich nicht außerhalb des Landes lösen, sondern nur durch Potentiale und Fähigkeiten des eigenen Landes.

Die Entwicklung und Erfolge, die die Islamische Republik in ihrer 35-jährigen Geschichte erzielt habe, sei dem "Kampfgeist" geschuldet. Dieser Kampfgeist dürfe nie aufgegeben werden; ohne Kampf gegen die Front der Unterdrücker seien die hohen Ziele der islamischen Staatsordnung nicht zu erreichen, meinte Chamenei. "Die Betonung der Fortsetzung des Kampfes, bedeutet nicht Kriegslust. Verstand und Vernunft besagen, dass man bei einer Seereise durch ein Gebiet voller Piraten entsprechend ausgerüstet und in der Lage sein muss, sich zur Wehr zu setzen. Unsere Welt ist heute voll von Seeräubern, die das Eigentum, die Würde und die Moral der Menschheit rauben. Bestückt mit Reichtum, Wissen und Macht, scheuen sie kein Verbrechen, üben Verrat an menschlichen Idealen und zetteln überall Kriege an." Unter solchen Umständen gebe es keinen anderen Ausweg als Kampf und Kampfgeist in allen Bereichen, sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik.

Wer Kompromisse oder Kapitulation anstrebe, begehe Verrat, sagte der Revolutionsführer. "Alle Verantwortlichen, ob in der Wirtschaft, Kultur und Bildung, Politik und Diplomatie, sollen sich darüber bewusst sein, dass sie sich im Kampf befinden und für die Existenz der Islamischen Republik kämpfen. Dieser Grundsatz muss im ganzen Land verbreitet werden. Wir müssen uns stärken, um der Front der Unterdrücker Widerstand leisten zu können. Dieser Kampf wird nie enden. Denn die Front des Teufels wird fortbestehen. Allerdings ist es möglich, dass sich Methoden und Taktiken des Kampfes ändern."

Der Kampf werde nur dann beendet werden können, wenn es der Menschheit gelänge, sich von der Front der Unterdrücker, mit den USA an der Spitze, "die ihre vernichtenden Krallen gegen Körper und Geist der Menschen einsetzen", zu befreien. "Das ist ein schwerer, lang andauernder Kampf."

"Von den Abgeordneten erwarte ich, dass sie als revolutionäre Soldaten die revolutionäre und islamische Kultur beschützen", sagte Chamenei. "Wenn wir von Kultur sprechen, meinen wir die Kultur der Revolution und des Islam. Die Entwicklung der Kultur muss auf Grundlage islamischer Werte und Stärkung der islamischen Ethik und Moral erfolgen."


ROHANI: "ICH HABE NICHT VERGESSEN, WAS ICH VERSPROCHEN HABE."

Bei einem längeren Interview mit dem staatlichen Fernsehen sagte Präsident Hassan Rohani: "Ich habe nicht vergessen, was ich im Wahlkampf versprochen habe." Die angekündigten Ziele, "konstruktive Verständigung mit der Außenwelt, Ankurbelung der Wirtschaft und moralische Integrität" seien weiterhin gültig. Doch diese Ziele ließen sich nicht über Nacht erreichen. "Übereilte Aktivitäten seien nicht hilfreich. Die Regierung sei entschlossen, ihren begonnenen Weg fortzusetzen. "Ich bin optimistisch, wir werden unsere Ziele erreichen." Der Regierung sei es bereits gelungen, die Inflationsrate von 43 Prozent im vergangenen Jahr auf 35 Prozent zu senken, sagte der Präsident.

Rohani nahm auch zu der immer lauter werdenden Kritik an seiner Außenpolitik Stellung. "Wir haben in der Außenpolitik große Schritte unternommen", sagte er. Die meisten Menschen im Land seien froh über die bereits aufgehobenen Sanktionen. Nur eine kleine Minderheit sei über diese Erfolge verärgert, weil sie von den Sanktionen profitiert habe. Dies sei auch der eigentliche Grund für die Kritik, mit der die Bemühungen der Regierung torpediert werden sollen.

"Die Regierung begrüßt konstruktive Kritik", sagte Rohani. "Doch manche versuchen, mit Verbreitung von Lügen, mit Unkenrufen und Denunzierungen, die Regierung von ihrem Weg abzubringen." Er wolle sich nicht weiter dazu äußern, werde jedoch, wenn es nötig sein sollte, mit den "Gerüchtemachern" gründlich abrechnen. "Für die Regierung gelten bei den Atomverhandlungen die nationalen Interessen als rote Linie", betonte Rohani. "Davon werden wir keinen Deut abweichen". "Leute, die glauben, die Ziele durch aggressives Verhalten durchsetzen zu können, haben keine Ahnung von der Politik."

Auf die Frage, ob er optimistisch sei, sagte Rohani, in der Außenpolitik müsse man realistisch sein. So wie er die Lage einschätze, gäbe es Gründe genug, optimistisch zu sein. Ob man aber tatsächlich bis Juli zu einer endgültigen Lösung gelangen könne, hänge von der Bereitschaft der Gegenseite ab. Das Sanktionsregime sei bereits durch das vorläufige Abkommen auseinander gebrochen. Die Sanktionen über die petrochemische Industrie seien aufgehoben ebenso wie jene über Ersatzteile von Flugzeugen. Medikamente sowie medizinische Geräte könnten nun wie früher eingeführt werden. "Natürlich sind noch nicht alle Sanktionen aufgehoben worden, doch wir sind zuversichtlich, dass wir am Ende der Verhandlungen die vollständige Aufhebung erreichen werden."

"Wir brauchen eine Kultur der Einheit", sagte Rohani. Parlament, Justiz und Regierung arbeiteten gut zusammen. Schiiten, Sunniten und andere religiöse und ethnische Minderheiten seien alle gleichberechtigte Iraner. Die Zahl jener, die die Einheit zerstören wollten, sei gering. "Wir akzeptieren Kritik, aber nicht die Missachtung moralischer Grundsätze", sagte der Präsident.


FREITAGSPREDIGER ATTACKIERTE ROHANI SCHARF

Ohne den Namen des Präsidenten zu nennen, attackierte der ultrakonservative Freitagsprediger Ahmad Chatami Rohani scharf. Anlass war Rohanis Kritik an den Einmischungen in das Privatleben der Bürger. Wörtlich hatte Rohani gesagt: "Mischt euch nicht so viel in das Leben der Leute ein, überlasst den Menschen selbst, den Weg ins Paradies zu wählen. Man kann die Leute nicht mit Gewalt und Peitschenschlägen zum Paradies führen."

"Wir führen niemanden mit Gewalt ins Paradies, aber wir wollen, dass Gottesgesetze befolgt werden", sagte Chatami am 27. Mai. "Sie empfehlen uns, die Leute sich selbst zu überlassen und dass wir sie nicht mit Gewalt ins Paradies führen sollen. Einverstanden, wir setzen alle Verbote und Gebote außer Kraft und raten dem Herrn Räuber und dem unsittlich gekleideten Mädchen, brav zu sein. Ist das islamisch oder die Sorge um die Durchsetzung der Gesetze Gottes?" "Wir müssen unsere Staatsordnung verteidigen, wir wollen niemanden mit Gewalt ins Paradies bringen, aber wir wollen ihnen raten, nicht den Weg in die Hölle zu ebnen."

Chatami kam auch auf die kulturellen Probleme zu sprechen, die derzeit in Iran kontrovers diskutiert werden. Die Musikkonzerte seien ein "Fehler, gerichtet gegen Gott und Kultur", sagte der Prediger. "Unser Ziel ist eine religiöse Kultur. Natürlich wollen wir uns nicht allein auf religiöse Klagelieder beschränken, obwohl diese Lieder die Seele reinigen." "Aber die Konzerte bringen keine Annährung an Gott, im Gegenteil, sie lehnen Gott ab. Die Kultur muss dazu dienen, den jungen Menschen bei der Suche nach der eigenen Identität zu helfen und die Identität kann sich nur im Rahmen der Religion bilden." Ausländische Sender hätten das Ziel, "Leere und Inhaltslosigkeit" zu verbreiten.

Chatami warf der Regierung vor, nichts gegen die Gefahren aus dem Ausland zu unternehmen. "Man kann doch nicht beim Ausbruch von Pest sagen, ich spüre nichts, daher fühle ich mich nicht für die Kontrolle der Krankheit verantwortlich", sagte er. "Die geistigen und kulturellen Viren, die die ausländischen Sender verbreiten, sind schlimmer als Pest."


DEMONSTRATION GEGEN ATOMABKOMMEN

Mehrere tausend Gegner des vorläufigen Atomabkommens zwischen Iran und der Gruppe 5+1 haben sich am 3. Mai vor der ehemaligen US-Botschaft in Teheran, die als "Haus des Spions" bezeichnet wird, versammelt. Sie warfen der Regierung vor, der Gegenseite zu große Zugeständnisse gemacht zu haben, ohne dafür eine Gegenleistung erhalten zu haben. Die Zustimmung zu diesem Zwischenabkommen sei wie ein "Gifttrunk" gewesen, hatten sie bereits im vergangenen November erklärt. Der Ausdruck stammt von Ayatollah Chomeini, der 1988,über die Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens nach einem achtjährigen Krieg mit dem irakischen Nachbarn, sagte, die Unterzeichnung sei ihm wie ein "Gifttrunk" vorgekommen.

Die Demonstration lief unter dem Motto: "Wir sind besorgt". Die Teilnehmer bezeichneten sich als eine "Studentengruppe" und Aktivisten "aus verschiedenen politischen Lagern", die besorgt seien über das "Schicksal des Vaterlandes". Das Motto "Wir sind besorgt" war der Titel einer CD, die bereits vor drei Monaten auf verschiedenen Internetseiten zu hören war.

Veröffentlicht wurde die CD von dem Kulturinstitut "Arman", das der Milizorganisation Basidsch nahe steht. Bislang hat das Institut eine ganze Reihe von Filmen und Computeranimationen mit politischem und militärischem Inhalt veröffentlicht. "Arman" steht der Revolutionsgarde nahe.

Hauptorganisator der Demonstration waren Basidsch-Studenten, die das "Komitee zum Schutz national-iranischer Interessen" gebildet haben. Die Basidsch-Studenten sind an allen iranischen Universitäten vertreten und üben gemeinsam mit Geheimdiensten und Ordnungskräften Kontrolle über die Universitäten. Das Komitee wurde zum ersten Man im vergangenen Oktober bekannt, als dessen Mitglieder Präsident Rohani nach seiner Rückkehr aus New York auf dem Teheraner Flughafen mit Protesten empfingen und ihn mit Schuhen und Tomaten bewarfen.


FREITAGSPREDIGER WARNT VOR RÜCKKEHR ZU DEN ZEITEN DER "REFORMER"

Der ultrakonservative Teheraner Freitagsprediger, Mohammad Ali Mowaheddi Kernami, warnte das Kultur- und das Wissenschaftsministerium vor der Rückkehr in die Zeit des Reformpräsidenten Mohammad Chatami (1997-2005). Er verwies dabei auf "die Verbreitung antireligiöser Überzeugungen" und warf den beiden Ministerien vor, Aktivisten der Protestbewegung gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad (2009) zur Mitarbeit engagiert zu haben.

Tatsächlich sind seit der Regierungsübernahme Präsident Rohanis zahlreiche Reformer wieder in die Ministerien zurückgekehrt, was sowohl vom Revolutionsführer Chamenei als auch von seinen konservativen Anhängern kritisiert wird.

Kermani äußerte sich auch zu den laufenden Atomverhandlungen. Der Revolutionsführer habe die Verhandlungsführer bestätigt und sie als "Männer der Revolution" bezeichnet, sagte er. Doch Chamenei habe auch gleich zu Beginn der Verhandlungen betont, dass er nicht "optimistisch" sei.

Der Freitagsprediger forderte auch die Verantwortlichen auf, bei der Kontrolle der Kleidungsvorschriften ihre Pflichten ernst zu nehmen. "Das wichtigste Problem bei der Missachtung von Kleidungsvorschriften ist, dass sie eindeutig als Sünde gilt", sagte Kermani.


PRÄSIDIUM DES PARLAMENTS NEU GEWÄHLT

Bei der jährlichen Neuwahl des Präsidiums des Parlaments wurde der bisherige Parlamentspräsident Ali Laridschani in seinem Amt bestätigt. Auch die bisherigen Stellvertreter, Mohammad Hassan Abutorabifard und Mohammad Resa Bahonar behielten ihre Posten. Ebenso wurden die meisten anderen Mitglieder des Präsidiums wieder bestätigt.


VIERTE FRAU ZUR GOUVERNEURIN ERNANNT

Ungeachtet der massiven Kritik nach der Ernennung von drei Frauen zu Provinzgouverneurinnen, hat die Regierung der Agentur IRNA vom 10. Mai zufolge eine vierte Frau auf einen Gouverneursposten berufen. Laut offizieller Ernennung des Innenministers übernahm Essat Kamalsadeh Abbasi das Gouvernement der Insel Gheschm im Persischen Golf. Die Insel hat 120.000 Einwohner. Sie bildet als Freihandelszone einen wichtigen Platz für den Außenhandel Irans.

Vizeinnenminister Hossein Ali Amiri erklärte, Abbasi gehöre einer Familie an, die zahlreiche Opfer aus dem achtjährigen irakisch-iranischen Krieg (1980-1988) zu beklagen habe. Laut Irna sei die offizielle Ernennung erst nach elf Tagen bekannt gegeben worden.

Die einflussreiche religiöse Instanz, Ayatollah Lotfollah Glapajegani, hatte die Ernennung von Frauen kritisiert und sie als "unvereinbar mit dem weiblichen Wesen" bezeichnet.

Demgegenüber sagte Präsidentenberater Ali Yunessi, leitende Frauen hätten "gesünder" als Männer ihre Pflichten erfüllt und ihre Aufgaben bewältigt. "Wenn aber eine Frau zur Gouverneurin ernannt wird, bekommen einige Bauchschmerzen."

Präsident Rohani hatte bereits vor seiner Wahl von der Notwendigkeit gesprochen, mehr Frauen für die Übernahme leitender Stellen zu engagieren. Zurzeit sind drei von den elf Vizepräsidenten in der Regierung Rohani Frauen.


ÜBERPARTEIISCHES FRAUENZENTRUM GEPLANT

Vizepräsidentin und Frauenbeauftragte des Präsidenten, Schahindocht Mollawerdi, sagte der Agentur "Mehr" vom 11. Mai zufolge, das Projekt zur Gründung eines regierungsunabhängigen und überparteilichen Frauenzentrums werde in einem Jahr abgeschlossen sein. Dieses Projekt gehöre zu den Reformplänen der Regierung. Sie selbst leite die Vorbereitungen, auch das Forschungszentrum des Parlaments sowie der Sozial- und Kulturrat seien an den Vorbereitungen beteiligt. Das Frauenzentrum werde gewiss nicht unter der Führung der Regierung stehen. Alle zuständigen Organe und Gremien würden sich daran beteiligen. Dies habe auch der Revolutionsführer gefordert.

Drei Wochen zuvor hatte Revolutionsführer Chamenei gesagt, ein Frauenzentrum müsse eine Strategie zur Lösung der Probleme der Frauen ausarbeiten. Allerdings müsse das Zentrum "unbedingt vom westlichen Gedankengut Abstand nehmen und sich weit davon entfernen", zum Beispiel in Bezug auf Arbeit und geschlechtliche Gleichberechtigung. Wichtig sei auch die Erhöhung der Geburtenrate. Entscheidend sei in erster Linie eine gesunde Familie, nicht die berufstätige Frau.

Mollawerdi sagte, die Regierung plane zudem eine Verlängerung des Schwangerschaftsurlaubs. Zuvor hatte das Sozialamt bekannt gegeben, dass ein Drittel der Frauen, die Schwangerschaftsurlaub nehmen, ihren Job verlieren.


SCHÄRFERE KONTROLLEN DER KLEIDUNGSVORSCHRIFTEN

Wie immer im Sommer werden in der Islamischen Republik auch in diesem Jahr die Kleidungsvorschriften schärfer kontrolliert. Der Sprecher des Innenministeriums, Hosseinali Amiri, sagte in einem Interview mit der Agentur "Mehr" am 27. April: "Sicherlich werden die Bürger die religiösen Vorschriften beachten. Aber das Innenministerium hat Maßnahmen ausgearbeitet, um sie gegen eine Minderheit, die möglicherweise den festgesetzten Rahmen überschreitet, anzuwenden." Diese Maßnahmen seien in Kooperation mit der Polizei und den Sicherheitskräften festgelegt worden und würden rechtzeitig der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.

Die Polizei wird von Zeit zu Zeit "zum Schutz islamischer Werte" aktiv. Frauen, die die Kleidungsvorschriften missachten, werden ermahnt oder bestraft. Aber auch Männer, deren Kleidung von den Ordnungskräften als "unpässlich" bezeichnet wird, geraten in die Fänge der Polizei.

Im vergangenen Herbst sagte Präsident Rohani, für die Achtung der Kleidungsvorschriften sind zunächst Schulen, Universitäten, Moscheen und religiöse Instanzen zuständig. Die Polizei sollte erst im äußersten Fall einschreiten.

Am 9. Mai versammelten sich auf dem Fatemi-Platz im Zentrum der Hauptstadt Teheran mehrere Tausend Frauen, in schwarze Schleier verhüllt, und Männer mit langen Hemdsärmeln, meldete die Agentur IRNA. Sie hielten den Platz für einige Stunden besetzt und riefen immer wieder: "Mann, wo bleibt deine Ehre". Die Versammlung zeigte sich besorgt über die "leicht bekleideten" Frauen "ehrlosen Männer". Genauso wie die Männer für ihre Frauen verantwortlich seien, sei das Innenministerium für die Kontrolle der Frauen in der Öffentlichkeit verantwortlich, erklärten sie.

In letzter Zeit häufen sich die Warnungen, Iran könnte kulturell und moralisch auf Abwege geraten und die islamischen Werte außer Acht lassen. Ein zentrales Thema im Rahmen dieser kulturellen Warnungen sind die Stellung und das Verhalten der Frauen in der Gesellschaft.

Schon die Ernennung von einigen Frauen zu Provinzgouverneurinnen hatte Proteste hervorgerufen. Der konservative Ayatollah Lotfollah Golpajegani, der zu den schiitischen Instanzen zählt, ließ dem Ministerpräsidenten durch einen Minister mitteilen: "Diese Maßnahme ist mit den islamischen Werten nicht vereinbar." Die Regierung müsse ihre Entscheidung revidieren.

Zwar wurde die Ernennung von der iranischen Zivilgesellschaft begrüßt, aber die Regierung Rohani ist noch weit davon entfernt, die dringenden Forderungen der Frauen zu erfüllen. Die Journalistin und Frauenrechtlerin Jila Banijaghub sagte in einem Interview mit der BBC am 9. Mai: "Die Frauen erwarten weit mehr." Zum Beispiel habe die Regierung bisher keine Schritte unternommen, um die Situation der Frauen in der Arbeitswelt zu bessern.

Neuerdings betonen Konservative immer stärker die Rolle der Frau als Mutter. Die beiden Ayatollahs Nasser Makarem Schirasi und Dschafar Sobhani forderten die Regierung auf, Verhütungsmittel zu verbieten. Abtreibungen müssten bestraft werden, sagte Schirazi bei einem Treffen mit dem Gesundheitsminister. Und Sobhani erklärte, es sei wichtig, die Geburtenraten der Schiiten zu erhöhen. Zudem müsse gesetzlich festgelegt werden, dass Frauen "auf natürliche Art" ihre Kinder gebären. Kaiserschnitt solle nur in Ausnahmefällen gestattet werden.


PRÄSIDENTENBERATER VERTEIDIGT RELIGIÖSE MINDERHEITEN

Der Sonderberater des Präsidenten, Ali Yunessi, sagte beim Besuch einer jüdischen Synagoge laut ISNA vom 3. Mai: "Niemand darf die Rechte der religiösen Minderheiten missachten." Religiöse Extremisten bedrohten den Frieden in der Welt, fügte der Geistliche hinzu.

"Gruppen, wie Al Qaida, Salafisten und Wahabisten im Islam, Zionisten im Judentum und christliche Extremisten bildet eine kleine Minderheit. Sie gefährden den Weltfrieden. Alle sind verpflichtet, ihnen Einhalt zu gebieten", sagte Yunessi. Iran gehöre allen Iranern ungeachtet ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit. Alle hätten dieselben bürgerlichen Rechte.

"Die Iraner würden mit Toleranz friedlich miteinander auskommen, wenn ich als islamischer Geistlicher und jeder Rabbi als jüdischer Geistlicher sie in Ruhe lassen würden", sagte Yunessi.

In Iran leben rund 30.000 Juden, vorwiegend in den Städten Teheran, Isfahan, Hamadan, Kerman und Yasd. Sie können ohne Einschränkungen ihren Glauben pflegen. Allein in der Hauptstadt Teheran gibt es 14 Synagogen. Die jüdische Religion ist in der islamischen Republik offiziell anerkannt. Die jüdische Gemeinde ist auch neben der christlichen und zoroastrischen im iranischen Parlament vertreten.


CHAMENEI DRÄNGT WIEDER AUF ERHÖHUNG DER GEBURTENRATE

Vor einer Versammlung von Frauen in Teheran am 5. Mai hob Revolutionsführer Ali Chamenei abermals die Notwendigkeit der Erhöhung der Geburtenrate hervor. Sollten die falschen Maßnahmen, die zur Einschränkung der Geburtenrate führen, fortgesetzt werden, werde man bald mit einem großen Problem konfrontiert sein, mit einer Gesellschaft alter Menschen".

Die Geburtenrate müsse erhöht und die Abnahme des Anteils der Jugend an der Gesamtbevölkerung verhindert werden, sagte Chamenei. "Das ist ein existenzielles Problem, das sehr ernst genommen werden muss."

Nicht nur Chamenei, sondern auch zahlreiche Geistliche kritisieren die Maßnahmen zur Einschränkung der Geburtenrate. "Ein Land ohne junge Bevölkerung ist ein Land ohne Initiative und ohne Entwicklung", betonte der Revolutionsführer. Er forderte die Sachverständigen auf, die Bevölkerung über die "Schäden der unnatürlichen Geburt und die Vorteile einer natürlichen Geburt" aufzuklären.


"NATIONAL-RELIGIÖSE" WARNEN VOR MÖGLICHER MASSENHINRICHTUNG

Die Gruppe der "National-Religiösen", die eine liberale und gemäßigte Lesart des Koran vertritt und der herrschenden Macht kritisch gegenübersteht, hat am 9. Mai in einer Erklärung vor der möglichen Hinrichtung von vierzig iranischen Kurden gewarnt. Die Unterzeichner forderten die Justiz auf, das Todesurteil gegen die sunnitischen Kurden zurückzunehmen und die Gefangenen vor ein ordentliches Gericht zu stellen. Zig Kurden befänden sich seit 2009 im Gefängnis, hieß es in der Erklärung. Vier von ihnen seien bereits zum Tode verurteilt, das Todesurteil gegen weitere vierzig von ihnen solle demnächst vom obersten Gerichtshof bestätigt werden. Sechs Kurden wurden bereits 2011 hingerichtet.

Solche "drastischen und ungerechten Urteile vergiften die politische Atmosphäre insbesondere in der Provinz Kurdistan und verbreiten Misstrauen gegen die Justiz und die Regierung", erklärten die "National-Religiösen".


MILLIARDÄR WEGEN BETRUG HINGERICHTET

Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, wurde der Hauptangeklagte Mahafarid Chosrawi in dem seit Bestehen der Islamischen Republik größten Bankbetrugsskandal am 24. Mai im Teheraner Evin-Gefängnis hingerichtet.

Chosrawi war zusammen mit anderen Betrügern vor zwei Jahren festgenommen worden. Später verurteilte ihn ein Gericht zum Tode, und danach wurde das Urteil vom Obersten Gericht bestätigt.

Chosrawi wurde vorgeworfen, mit gefälschten Dokumenten bei den größten Banken des Landes Kredite in Höhe von Milliarden erschwindelt zu haben. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich bei dem Betrug um eine Summe von umgerechnet rund zwei Milliarden Euro.

Chosrawis Anwalt, Gholamali Riahi, sagte der Agentur Irna, er sei von der bevorstehenden Hinrichtung nicht informiert worden. Das gesamte Eigentum des Angeklagten sei von der Anwaltschaft beschlagnahmt worden. Dessen Wert sei weit höher gewesen als die Bankschulden und die ihm zustehende Geldstrafe.

Der Prozess gegen Chorawi und weitere Angeklagte hatte bereits 2011 begonnen. 2012 wurde das Todesurteil bestätigt. Dennoch kam die Hinrichtung nach Meinung politischer Beobachter überraschend. Drei Tage vor der Hinrichtung sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Gholamhossein Ejehi, im Zusammenhang mit dem Skandal werde weiterhin gegen mehrere Personen ermittelt, darunter seien Personen auf der Ebene von Bankdirektoren und Stellvertretern des Justizchefs und einige Parlamentsabgeordnete. Es gab zuvor immer wieder Gerüchte über die Beteiligung von Politikern und hohen Beamten an dem Skandal. Doch es war das erste Mal, dass offiziell von der Verwicklung hochrangiger Politiker in dem Fall gesprochen wurde.

Chosrawi hatte offenbar gute Beziehungen zu hochrangigen Politikern und Bankiers. Wie weit nun die Ermittlungen weitergeführt und öffentlich gemacht werden, ist nicht vorauszusagen.

Von den 39 Angeklagten wurden vier zum Tode, zwei zu lebenslänglich und die anderen zu zehn bis fünfundzwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Einer der Angeklagten, Mohammad Resa Chawari, früherer Geschäftsführer der Zentralbank, konnte vor seiner Festnahme nach Kanada fliehen. Der Prozess gegen ihn soll in Abwesenheit des Angeklagten stattfinden. Gleichzeitig hat Iran bei Interpol seine Auslieferung beantragt.

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KULTUR

• Internationale Buchmesse in Teheran
• Film zur Denunzierung Rohanis
• Erste Frau an der Theaterspitze in Teheran
• Leila Hatami wegen Auftritt in Cannes kritisiert
• Wegen "Happy"-Videos Festgenommene wieder frei
• Kurznachrichtendienst WhatsApp verboten
• Rohani fordert aktive Teilnahme an Internet-Sozialnetzen
• Rafsandschanis Buch darf erscheinen
• Nationales Orchester nimmt wieder die Arbeit auf


INTERNATIONALE BUCHMESSE IN TEHERAN

Wie in den vergangenen Jahren, bot auch in diesem Jahr die Teheraner Buchmesse ausreichend Anlass zur Kritik. Auffallend war, dass die Zahl ausländischer Verlage weiterhin abgenommen hat. Begründet wird dieser Trend mit dem Fortbestand der Sanktionen, die auch den Handel mit ausländischen Verlagen erschweren. Doch der stellvertretende Leiter der Messe, Amir Masud Schahramnia, äußerte sich optimistisch. Die Änderung der politischen Atmosphäre und die Besserung der Außenbeziehungen Irans würden sich auch im Buchhandel positiv wirken, sagte er.

Kritisiert wurde vor allem, dass nach wie vor einige bekannte Verlage wie Agah und Achtaran nicht an der Messe teilnehmen konnten, mit der Begründung, sie hätten im vergangenen Jahr keine neuen Bücher veröffentlicht. Die Begründung ist absurd, denn diese Verlage waren verboten und durften keine neuen Bücher veröffentlichen, nicht einmal bereits genehmigte und veröffentlichte Bücher neu auflegen.

In diesem Zusammenhang wurde in den iranischen Medien wieder einmal über die Zensur kontrovers diskutiert. Zwar hatte der Minister für Kultur und islamische Führung, Ali Dschannati, vor einigen Monaten vorgeschlagen, die Aufgabe der Buchzensur auf die Verlage zu übertragen. Doch bis jetzt hat er in dieser Richtung nichts unternommen, so dass nach wie vor Bücher von der Zensurbehörde, die beim Kulturministerium angesiedelt ist, überprüft werden.

Die Reaktionen auf den Vorschlag des Ministers waren unterschiedlich. In einem öffentlichen Brief machten 214 Autoren und Verleger den Gegenvorschlag, die Zensur den Autoren selbst zu überlassen. Diese könnten nach der Veröffentlichung, falls nötig, von der Justiz zur Verantwortung gezogen werden. Andere Autoren hingegen meinten, die Zensurbehörde sollte weiterhin ihre Funktion beibehalten, vorausgesetzt, dass die Kriterien genau festgelegt und Willkürentscheidungen ausgeschlossen werden.

Der bekannte Lyriker Mohammad Ali Sepanlu schrieb mit Blick auf die diesjährige Buchmesse am 30. April in der Tageszeitung Schargh, der Weg zur Normalität des Verlagswesens in Iran sei sehr lang. Bisher sei auch unter der neuen Regierung keine Veränderung festzustellen. Die Regierung sei erst einmal dabei, den durch die Vorgängerregierung angerichteten Scherbenhaufen wieder zu kitten. Es gebe viele Verlage und zahlreiche Bücher, deren Akten noch von der Justiz bearbeitet werden. Sie befinden sich im Schwebezustand. Bücher, die in der achtjährigen Regierungszeit Ahmadinedschads ohne Beanstandung veröffentlicht werden konnten und nun erneut aufgelegt auf der Buchmesse präsentiert werden, "zeigen den Grad der Geschmacklosigkeit der Zensoren", sagte Sepanlu.

Der Schriftsteller Mehdi Ghebrai schrieb ebenfalls in Schargh, der Kulturminister und seine Mitarbeiter hätten zwar die Absicht, ihre angekündigten Reformen durchzuführen. Doch offensichtlich sei der Druck der Gegner zu groß. Von ihm selbst lägen acht Bücher seit langem bei der Behörde und er warte immer noch auf eine Entscheidung. Auch Gherai forderte die Auflösung der Zensurbehörde und die Übergabe der Verantwortung an die Autoren.

Auch der Autor Mahmud Hosseinisad sieht keine spürbaren Veränderungen im Verlagswesen. Autoren seien nach wie vor mit den gleichen Problemen konfrontiert, wie in den Vorjahren. Wichtige Bücher lägen immer noch bei der Zensurbehörde. Auch seine Romane harrten immer noch der Entscheidung. Seine literarischen Übersetzungen seien rigoros bis zur Unkenntlichkeit zensiert worden. Gegenwärtig herrsche zwar eine offenere Atmosphäre, aber die Mechanismen der Zensur hätten sich nicht geändert, sagte Hosseinisad. "Meine Kollegen klagen immer wieder darüber, dass sie sich in Dauerverhandlungen mit der Behörde befinden. Ich persönlich habe keine Hoffnung, dass die Lage sich ändert. Die Zensur ist beliebig, die Bücher werden völlig unterschiedlich zensiert. Es gibt keine klaren Kriterien. Wir haben uns inzwischen an diesen Zustand gewöhnt."

Die Bücher seien im Vergleich zu früher teurer geworden, was mit dem Anstieg des Papierpreises begründet werde, fuhr Hosseinisad fort. Aber auch die Zensur sei ein Grund für die Zurückhaltung der Käufer. "Die Zensur ist zermürbend, sie nimmt Autoren und Verlegern die Kraft."

Der Autor Abutorab Khosrawi meinte, es sei ungerecht zu sagen, es habe sich seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nichts geändert. Sicherlich gäbe es noch zahlreiche Bücher, die noch keine Erlaubnis zur Veröffentlichung erhalten hätten. "Auch ein Roman von mir liegt seit zehn Jahren bei der Zensurbehörde." Während dieser Zeit habe es mehrere Raubdrucke davon gegeben. Er selbst habe als Autor keine Honorare bekommen, den Erlös hätten die Raubdrucker eingesteckt. Ähnliche Probleme hätten auch andere Autoren. Dem Kulturministerium sei es bislang nicht gelungen, akzeptable Lösungen zu bieten. Die gegebenen Versprechen seien nicht eingelöst worden. Dennoch seien einige Veränderungen im Verlagswesen spürbar. Die katastrophalen Zustände, die es in der Zeit der Regierung Ahmadinedschad geherrscht hätten, gäbe es nicht mehr. Da habe man ganz einfach und ohne Begründung ein Buch verbieten können. Niemanden kümmerte es, dass das Verfassen eines Romans manchmal Jahre in Anspruch genommen habe.

Bei der Eröffnung der diesjährigen Buchmesse hielt unter anderem Präsident Rohani eine Rede. Das Buch habe in der iranischen Kultur einen besonderen Stellenwert, sagte er. Auch der Islam stütze sich auf das "Wunderwerk Koran". Das Buch sei "die Verkörperung des Denkens und des Geistes". "Genauso wie das Denken und der Geist, spielen Autoren, Verleger und Leser in der Kultur eine herausragende Rolle. Daher müsse der Staat dafür Sorge tragen, dass Autoren, Verleger ebenso wie die Leser gesellschaftlich geschützt und gewürdigt werden.

Zum Denken gehöre auch die Kritik, sagte der Präsident. Eine Weiterentwicklung der Kultur und des Denkens sei ohne Kritik nicht möglich. "Wir müssen dafür sorgen, dass sowohl Meinungen und Gedanken als auch Kritik frei geäußert werden können." Dies sei ohne Freiheit nicht möglich. Wenn es keine Freiheit gebe, könnten weder die Autoren noch die Kritiker ihre Gedanken äußern und niederschreiben. Ziel seiner Regierung sei die Abschaffung der Zensur, sagte Rohani. Das Urteil über Bücher müsse Kritikern überlassen werden. "Wir haben heute eine Situation, in der jeder sich frei äußern und Kritik üben kann." Es sei bedauerlich, dass manche diese Situation nutzten, um das Erreichte zu zerstören. Kritik müsse begründet und fundiert sein. Außerdem sollte jeder sich in seinem eigenen Namen oder im Namen seiner eigenen Gruppe äußern und nicht im Namen des Volkes.


FILM ZUR DENUNZIERUNG ROHANIS

Der Film "Ich bin Rohani" handelt von Aktivitäten des Präsidenten in der Vergangenheit, von seinem Einsatz bei der Durchsetzung von Kleidungsvorschriften, von seiner Gegnerschaft gegen den früheren Ministerpräsidenten Mir Hossein Mussavi in den achtziger Jahren, von seiner Parteinahme für die Konservativen gegen die Grüne Bewegung 2009, von seiner Rolle bei den Atomverhandlungen mit dem Westen 2003. Ferner wird behauptet, Rohani habe während des iranisch-irakischen Kriegs (1980-1988) im Geheimen mit der irakischen und der amerikanischen Regierung verhandelt. Auch sei er an den Waffenkäufen aus den USA und Israel während des Krieges beteiligt gewesen. Die Erlöse aus dem Waffengeschäft wurden damals, wie es sich später herausstellte, den Contras von Nicaragua zur Verfügung gestellt. Der Fall ist als Iran-Gate-Affäre bekannt.

Die Produzentin des Films, Massumeh Nabawi, sagte der Nachrichtenagentur "Mehr", sie habe den Film auf der Grundlage der veröffentlichten Erinnerungen von Rohani und Ex-Präsident Rafsandschani produziert. Der Film sei weder kritisch noch denunziatorisch. Es handele sich um einen Dokumentarfilm, in dem "markante Momente" aus dem Leben Rohanis hervorgehoben worden seien. Diese seien vielen Menschen nicht bekannt.

Parlamentspräsident Ali Laridschani bezeichnete den Film als "große historische Lüge". Es sei ein Racheakt jener Gruppen, die bei der Präsidentenwahl eine Niederlage erlitten hätten. Rohani selbst sagte, Ziel solcher Aktionen sei es, die Regierung zu denunzieren. Er habe vorerst nicht vor, dazu Stellung zu nehmen. Sollte es notwendig werden, werde er die Hintergründe öffentlich machen.

Die Produzenten erklärten, sie seien dabei, einen zweiten und dritten Teil des Films zu produzieren. Obwohl die Produzentin viel Lärm verursacht und angeblich zahlreiche Interviews gegeben hat, ist sie in der Öffentlichkeit nie gesehen worden, auch ist kein Foto von ihr erschienen. In Kreisen der Filmproduzenten ist sie völlig unbekannt. Auch die für Filmproduktion verantwortliche Abteilung im Kulturministerium erklärte, sie nicht zu kennen. Auch sei ihr Film nicht, wie für Neuproduktionen vorgeschrieben, beim Ministerium registriert worden. Die Zeitung Schargh schreibt, sie habe nach ihr gesucht, aber sie nirgends antreffen können. Einzig sei sie im Facebook fündig geworden. Dort seien Filme von Nabawi präsentiert, ohne jegliche Angaben zur Person der Produzentin.

Verantwortlich für die Produktion des Films ist "Safirfilm", die zu dem Medienkonzern Atlas gehört. Das Wirtschaftsunternehmen hat nach der Wiederwahl Ahmadinedschads 2009 viele Projekte im Auftrag der Revolutionsgarden durchgeführt, darunter die Gründung der beiden ultrakonservativen Agenturen Tasnim und Nasim. Offenbar gehört der Film "Ich bin Rohani" zu dem seit Rohanis Wahl begonnenen "sanften Krieg" gegen die Reformer bzw. gegen die neue Regierung. Insofern gewinnt der Film einen bedeutenden politischen Stellenwert im Rahmen der inzwischen aufgebauten Front der Ultrakonservativen gegen jede Öffnung nach Innen und Außen.


ERSTE FRAU AN DER THEATERSPITZE IN TEHERAN

Am 4. Mai ernannte der Abteilungsleiter für darstellende Künste im Kulturministerium, Hossein Tahri, die 43-jährige Theaterregisseurin Parisa Moghtadi zur Intendantin des Teheraner Stadttheaters, berichtete die Agentur "Mehr". Es ist das erste Mal in der Geschichte der Islamischen Republik, dass eine Frau die Leitung des größten Theaterkomplexes der Hauptstadt übernimmt. Die ehemalige Absolventin der Theaterwissenschaften an der Teheraner Kunstuniversität leitete vier Jahre lang die Planungsabteilung des Stadttheaters und war ein Jahr lang Intendantin des Bezirkstheaters Sangeladsch.

Moghtadi ist in der im Süden Irans gelegenen Stadt Schiraz geboren. Zunächst studierte sie an der dortigen Universität Stadtplanung. Danach siedelte sie nach Teheran über, um an der Kunstuniversität Theaterwissenschaften zu studieren. Sie inszenierte mehrere Theaterstücke. Zurzeit wird in Teheran das Stück "Pause ohne Pause" aufgeführt, das sie selbst geschrieben hat. Gleichzeitig spielt sie in dem Stück "Tangotanz des heißen Eis".

Das Teheraner Stadttheater, das 1967 gegründet wurde, gehört zu den wichtigsten Kulturzentren der iranischen Hauptstadt. Es verfügt neben einem Hauptsaal über vier weitere Sälen mit insgesamt tausend Plätzen.


LEILA HATAMI WEGEN AUFTRITT IN CANNES KRITISIERT

Die iranische Schauspielerin Leila Hatami, Mitglied der Jury bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes, wurde wegen ihres "unsittlichen und unanständigen Verhaltens" in Iran scharf verurteilt. Irans Vizekulturminister Hossein Nuschabadi warf Hatami in einer Presseerklärung vom 18. Mai vor, "gesellschaftliche und moralische Werte" der Islamischen Republik missachtet zu haben. "Iranische Frauen, ob Künstlerinnen oder Nichtkünstlerinnen, galten stets als Symbol der Keuschheit und Reinheit. Daher ist das ungebührliche Verhalten, das kürzlich auf dem Festival in Cannes beobachtet wurde, nicht mit unseren religiösen Überzeugungen zu vereinbaren", hieß es in der Presseerklärung.

Das iranische Fernsehen hatte Aufnahmen der Jury-Mitglieder auf dem roten Teppich gezeigt. Zu sehen war auch Leila Hatami, die neben der Regisseurin Sofia Coppola und den Schauspielern Gael García Bernal und Willem Dafoe stand. Festival-Chef, Regisseur Gilles Jacob, kam auf sie zu und gab den Frauen bei der Begrüßung links und rechts einen Kuss auf die Wange.

"Der Auftritt iranischer Künstler und Künstlerinnen im Ausland ist zu begrüßen, wenn sie dabei die Werte unserer Kultur und unsere religiösen Überzeugungen beachten. Eine Missachtung dieser Werte ist nicht akzeptabel", sagte Nuschabadi in einem Interview mit der Webseite des Parlaments. Auch die Abgeordnete und Mitglied des Kulturausschusses, Laleh Eftekhari, kritisierte den Auftritt Hatamis. "Das Kulturministerium muss klarstel len, wie sie solche Künstlerinnen, die sich nicht als eine islamisch-iranische Frau im Ausland verhalten, begegnen will", sagte die Abgeordnete.

Hatami ist die erste Iranerin, die zum Mitglied der neunköpfigen Jury ernannt wurde. Die 41-jährige Schauspielerin wurde auf der Berlinale 2011 für ihre Rolle in dem Film "Nader und Simin - eine Trennung" ausgezeichnet. Ihre Ernennung zum Jury-Mitglied war mit ihrer schauspielerischen Leistung begründet. Hatami reagierte auf die in der Heimat laut gewordene Kritik mit einer öffentlichen Erklärung, die am 23. Mai in den Medien publiziert wurde. Sie habe in all den Jahren, in denen sie auf internationalen Filmfestivals aufgetreten sei, stets die in der Islamischen Republik bestehenden Verhaltensnormen beachtet, "Normen, die für die Arbeit in der iranischen Filmbrache obligatorische sind", heiß es in der Erklärung. Auch vor ihrem Auftritt in Cannes habe sie über diese Normen mit den Organisatoren des Festivals korrespondiert und für Verständnis geworben.

Zu der Kussszene mit Jacob schrieb Hatami, der fast neunzigjährige Jacob, der zum letzten Mal auf einem Festival auftrat, habe offenbar, wie bei Menschen in seinem Alter üblich, die getroffenen Vereinbarungen vergessen. Auch ihr Versuch, ihm die Hand zu geben, um den Wangenkuss zu verhindern, sei vergeblich gewesen. "Für mich war er wie ein betagter Großvater und zudem mein Gastgeber."


WEGEN "HAPPY"-VIDEOS FESTGENOMMENE WIEDER FREI

Die sechs Iranerinnen und Iraner, die Videos von ihren Tänzen zu dem Song von Pharrell Williams, "Happy" aufgenommen und auf Youtube veröffentlicht hatten, waren am 20. Mai festgenommen worden. Auf dem Video war die Gruppe zu sehen, die fröhlich und ausgelassen mal auf der Straße, mal in einer Wohnung und mal auf dem Dach zu dem Song tanzte. Dabei trugen die Frauen keinen Schleier, nicht einmal ein Kopftuch. Die Gruppe wurde 24 Stunden nach ihrer Festnahme freigelassen.

Hossein Sadschdinia, Kommandant der Polizei für Großteheran, sagte im staatlichen Fernsehen, die "Täter" seien innerhalb von zwei Tagen erkannt und innerhalb von sechs Stunden festgenommen worden. Sie hätten gegen Sittsamkeit und Moral verstoßen.

Sie seien betrogen worden, sagten die "Reuigen" im einem Fernsehbericht, der unter dem Motto: "Die Ehre, die mit der Hoffnung auf eine Spielprobe verloren ging" lief. Die Gesichter der Frauen und Männer waren nicht zu erkennen. Sie seien von einer Firma zu einem Casting für eine Rolle in einem Spielfilm bestellt worden, sagten sie. Es sei ihnen versichert worden, dass die Filmaufnahmen nicht veröffentlicht und verbreitet würden.

Willams, der von der Festnahme erfuhr, twitterte: "Die Festnahme dieser Kids, die Freude verbreiten wollten, ist noch trauriger als traurig." Auch Irans Präsident Hassan Rohani veröffentlichte auf seiner Twitter-Seite ein eigenes Zitat vom Vorjahr: "Happy sein ist das Recht aller Menschen."

Die Gruppe wurde nach 24 Stunden wieder freigelassen. Nur der Produzent des Videos blieb weiterhin in Haft. Die Gruppenmitglieder hätten Reue geübt, hieß es in einer Stellungnahme der Polizei. "Hallo, ich bin wieder da", schrieb Rejhaneh Tarawati, eine der Tänzerinnen auf dem Fotodienst Instagram. Sie bedankte sich bei allen, die sich für ihre Freilassung eingesetzt haben.


KURZNACHRICHTENDIENST WHATSAPP VERBOTEN

Einer Meldung der Nachrichtenagentur IRNA vom 2. Mai zufolge hat das Amt für Internetkriminalität den Kurznachrichtendienst WhatsApp verboten. Behördenleiter Abolsamad Chorramabadi begründete die Maßnahme mit der "Übernahme von WhatsApp durch den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der ein amerikanischer Zionist ist". Die Blockade des Kommunikationsprogramms rief nicht nur bei Smartphone-Besitzern Proteste hervor, sondern auch bei der Regierung. "Die Regierung ist absolut gegen das Verbot von WhatsApp", erklärte Kommunikationsminister Mahmud Mehr gegenüber IRNA.

Der Vorfall zeigt wieder einmal den chaotischen Zustand der iranischen Verwaltung. Es gibt eine ganze Reihe von Behörden und Ämtern, die neben der Regierung und unabhängig von ihr agieren. Sie werden zumeist von Konservativen verwaltet, die mit allen, ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Arbeit der Regierung und die Reformen, besonders im Bereich der Kultur, zu torpedieren versuchen.

Dabei spielt auch die Justiz eine wichtige Rolle. Sie nahm auch zu dem WhatsApp-Verbot Stellung. Auf einer Pressekonferenz am 19. Mai kritisierte Justizsprecher Gholamhossein Ejehi den Minister für Kommunikation, Mahmud Waesi, der einer Order von Präsident Rohani folgend, die Filterung von WhatsApp abgelehnt hatte. Diese Maßnahme widerspreche dem Gesetz und sei illegal, sagte Ejehi. Das Urteil des Amtes für Internetkriminalität sei gültig und könne nicht von der Regierung aufgehoben werden. Er wisse nicht, ob Rohani tatsächlich die Order erteilt habe. "Wenn dem so ist, hat der Präsident das Gesetz missachtet", sagte der Justizsprecher.

Am 12. Mai forderte der Kommandant der Internetpolizei, General Kamal Hadianfar, Kauf, Verkauf und Nutzung von VPN (Gerät zur Umgehung von Filterungen) zu verbieten. Eine diesbezügliche Gesetzesvorlage sei im Parlament in Vorbereitung, sagte er. Seine Forderung begründete Hadianfar damit, dass "die Täter" sich strafbar machen, indem sie die Polizei bei der Ermittlung von "Straftaten" behindern. In solchen Fällen erhöhten sich Kosten und Zeit, die für Ermittlungen eingesetzt würden. Zudem verringern sie das Risiko der "Täter". Der General empfahl, die Nutzung von VPN zu unterlassen, weil Nutzer damit Informationen den Dienstleistern preisgeben, was sehr riskant sei.

Zahlreiche Webseiten und Internetdienste werden in Iran gefiltert. So wird VPN von den meisten Nutzern benutzt, um die Filterungen zu umgehen.

Am 27. Mai berichteten die Medien, ein Gericht in der Provinz Fars habe Facebook-Chef Mark Zuckerberg wegen angeblicher Datenschutzverletzungen vorgeladen. Zudem seien gegen die Facebook-Töchter WhatsApp und Instagram Verfahren eingeleitet worden, weil Nutzer sich über diese Sozialnetze beschwert hätten. Die Nachricht, die zunächst die Agentur ISNA verbreitete, wurde weltweit mit Staunen aufgenommen. Wenige Stunden später jedoch dementierte laut Irna die Staatsanwaltschaft der Provinz Fars den Bericht. Staatsanwalt Ali Alghasi erklärte, es gäbe zwar Klagen gegen Facebook wegen Veröffentlichung einiger Filme und Fotos, aber eine Vorladung Zuckerbergs sei nicht vorgesehen.


ROHANI FORDERT AKTIVE TEILNAHME AN INTERNET-SOZIALNETZEN

Staatspräsident Hassan Rohani forderte auf einer Festveranstaltung zur Kommunikation und Informationstechnologie in Teheran am 17. Mai die aktive Teilnahme der Bevölkerung an den Sozialnetzen im Internet und wies das Ministerium für Kommunikation an, die Bandbreite und Geschwindigkeit des Internets zu erhöhen. Die Zeit der Diktatur und des Verkündens von Botschaften durch Lautsprecher oder von der Kanzel beziehungsweise Tribüne sei vorüber, sagte Rohani. Gerichtet an jene, die sich über die weit verbreitete Präsenz der Jugendlichen im Internet besorgt zeigen, sagte er, wir müssen das Internet als "eine Chance zur Darstellung unserer iranischen und islamischen Identität" betrachten."

Weiter sagte Rohani, in den ersten Jahren nach der Revolution hätten manche Leute befürchtet, Videofilme würden die Jugend vom Glauben abbringen. Danach seien es die Satelliten gewesen, über die sich manche besorgt zeigten. Was werde geschehen, wenn die Menschen ausländische Sendungen sehen würden, mahnten sie. Was bliebe dann von islamischer und iranischer Identität übrig?

Nun könne man im Rückblick feststellen, dass weder Videofilme noch ausländische Sendungen auf die Jugend, auf ihren Glauben oder ihre nationale Identität negativ gewirkt hätten. Jetzt sei das Internet an der Reihe, sagte Rohani "Wir sollten das Internet nicht als Gefahr sehen, sondern als nützliches Kommunikationsmittel. Das Internet gibt es schon seit Jahrzehnten und kein Iraner hat seither seine nationale Identität verloren." Er als Präsident des Landes betrachte den Zugang zum internationalen Informationsnetz als Recht eines jedes Bürgers, sagte Rohani. Er forderte die Bevölkerung auf, den "persisch-sprachigen Blog" im Internet durch ihre aktive Teilnahme zu unterstützen.

Kritik gegen die Äußerungen Rohanis kam von Justizchef Sadegh Laridschani. Iranischen Medien zufolge sagte Laridschani am 21 Mai, wenn man vor Gefahren des Internet warne, bedeute dies keineswegs Misstrauen gegen die Bevölkerung, insbesondere gegen die Jugend. Vertrauen widerspreche nicht den Maßnahmen, den "Feinden, die Einfluss nehmen wollen, den Weg zu versperren". "Jene, die die giftige Atmosphäre im Internet übersehen, scheinen vom Internet keine Ahnung zu haben."

Laridschani verglich das Internet mit einem "Sumpfgebiet", das mit "Stacheldraht eingezäunt" werden müsse. Das sei kein Misstrauen gegen die Jugend. Nach der Logik der Gegner von Filterung des Internets müsste man auch den Drogenkonsum freigeben, sagte der Justizchef. Er empfehle den Verantwortlichen, bei der Diskussion über das Thema Internet und überhaupt über Fragen der Kultur sachlich zu argumentieren und emotionale Äußerungen zu unterlassen, um die Probleme besser lösen zu können.


RAFSANDSCHANIS BUCH DARF ERSCHEINEN

Die Tagebücher des Ex-Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani enthalten zum Teil wichtige Informationen über die Geschichte der Islamischen Republik. Rafsandschani gehörte seit der Gründung des islamischen Staates zu führenden Politikern des Landes. Er war Parlamentspräsident, im achtjährigen iranisch-irakischen Krieg Oberbefehlshaber der Streitkräfte, danach stand er acht Jahre lang als Präsident an der Spitze der Regierung. Anschließend übernahm er den Vorsitz des Schichtungsrates. In der Regierungszeit von Ahmadinedschad verstärkten sich die Anfeindungen gegen ihn. Doch seit der Übernahme der Regierung durch Rohani scheint Rafsandschani seinen verloren geglaubten Einfluss wieder zurück gewonnen zu haben.

Bisher sind mehrere Bände seiner Tagebücher erschienen. Der neue Band, der zweieinhalb Jahre in der Zensurbehörde lag und nun zur Buchmesse erschienen ist, betrifft das Jahr 2009; das Jahr, in dem landesweit Monate lang gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads protestiert worden war. Damals zeigte Rafsandschani in seiner berühmten Predigt beim Freitagsgebet Verständnis für die Demonstranten, forderte die Freilassung der politischen Gefangenen und die Bestrafung jener Sicherheitskräfte, die brutal gegen die Demonstranten vorgegangen waren. Diese ungewöhnliche öffentliche Stellungnahme eines der ranghöchsten Politiker forderte scharfe Protest und Anfeindungen seitens der Konservativen und der rechten Presse heraus. Der neue Band der Tagebücher enthält den Angaben des Verlags zufolge viele bislang unbekannte Informationen über dieses für Iran so wichtige Jahr. Man darf auf die Reaktionen gespannt sein.

Der Vizekulturminister Abbas Salehi sagte in einem Interview mit der Agentur ISNA am 27. April, seit fünf Monaten werde das Buch geprüft. "Um sicher zu gehen, haben wir sogar Experten außerhalb des Ministeriums hinzugezogen. Ich selbst habe das Buch nicht gelesen, aber die Prüfer sind zu dem Schluss gekommen, dass die Veröffentlichung ohne Bedenken erfolgen kann." Für die Prüfung der Bücher habe der "Rat der Kulturrevolution" die Kriterien festgelegt. Diese Kriterien seien für das Urteil über Bücher ausschlaggebend. "Wir beurteilen die Bücher nicht nach ihrem Inhalt, sondern nach diesen standardisierten Kriterien. Wir sind nicht für jeden Paragraphen oder jeden Satz verantwortlich. Das gilt sowohl für Rafsandschanis Buch als auch für andere Bücher."


NATIONALES ORCHESTER NIMMT WIEDER DIE ARBEIT AUF

Einem Bericht der staatlichen Agentur Irna zufolge gab der für Musik zuständige Staatssekretär im Kulturministerium, Pirus Arjoman, am 26. Mai bekannt, dass das nationale Orchester seine Arbeit wieder aufnehmen wird. Die Leitung habe wieder Farhad Fachraddini übernommen.

Die Reaktivierung des Orchesters gehört zu den Versprechen, die Rohani während seines Wahlkampfs gegeben hatte. "Ich bedauere sehr, dass das Orchester geschlossen worden ist. Meine Regierung werde ganz sicher dafür sorgen, dass es die Arbeit wieder aufnehmen kann", hatte Rohani gesagt.

Gegründet wurde das Orchester zu Beginn der Regierungszeit Mohammad Chatamis (1997). Vor drei Jahren, in der Regierungszeit Mahmud Ahmadinedschads, stellte es seine Arbeit ein. Das Kultusministerium bestritt damals, das Orchester geschlossen zu haben. Es gehe lediglich um eine Reorganisation, hieß es. Dasselbe Schicksal erlitt das Teheraner Symphonieorchester. Nach Aussage eines Orchestermitglieds wurden beide Orchester geschlossen, weil das Kulturministerium die finanzielle Unterstützung eingestellt hatte.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Energieminister fordert Kontrolle des Wasserverbrauchs
• Peugeot Citroen plant Rückkehr auf iranischen Markt
• Import von Fahrzeugen um das Vierfache gestiegen
• 1800 Arbeiter bei Arbeitsunfällen gestorben


ATOMKONFLIKT

Am 3. Mai erklärte laut ISNA Ali Akbar Salehi, Chef der iranischen Atombehörde und Vizepräsident, Iran werde den im Bau befindlichen Schwerwasserreaktor in Arak modifizieren, um damit den Forderungen des Westens entgegen zu kommen. Dabei werde die Produktion von Plutonium merklich reduziert. Der Bau werde zwei bis drei Jahre dauern.

Der Reaktor in Arak gehört bei den Atomverhandlungen zu den Themen, über die noch Einigung erzielt werden muss. Während der Westen die Schließung des Reaktors oder dessen Umbau zu einem Leichtwasserreaktor fordert, besteht Iran auf den Erhalt des Reaktors. Der Parlamentsabgeordnete Behrus Kamalwandi sagte "Der Schwerwasserreaktor gehört zu unseren roten Linien."

Die Regierung Rohani befindet sich in einer Zwickmühle. Sie zeigt sich bei den Verhandlungen kompromissbereit, wird aber im Inland, vor allem von Konservativen und Ultras immer vehementer Kritisiert. So sagte der frühere Verhandlungsführer Irans, Fereidum Abbassi, laut IRNA am 3. Mai: "Meiner Ansicht nach hat unsere Verhandlungsdelegation zu viel nachgegeben."

Indes äußerten sich alle Verhandlungspartner über das Treffen der Experten am 6. und 7. Mai in New York zufrieden. Ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton bezeichnete das Treffen als "nützlich". Das Treffen diente zur inhaltlichen Vorbereitung der Gespräche vom 14. bis 16. Mai in Wien. Zwei Tage vor diesen Gesprächen betonte Teheran abermals, auf sein Recht auf Nutzung und Forschung der Kernenergie unter keinen Umständen verzichten zu wollen. Darüber gäbe es keine Kompromisse, hieß es aus Teheran am 11. Mai. "Ich sage es der Welt noch ein weiteres Mal: Unser gesamtes Atomprogramm ist friedlich", sagte Präsident Rohani. Zugleich betonte er: "Wir werden keine wissenschaftliche Apartheid zulassen."

Auch Parlamentspräsident Ali Laridschani erklärte am 12. Mai, es gäbe im iranischen Atomprogramm eine rote Linie, die sich auf ein Dekret des Revolutionsführers stützt, und das ist die Nukleare Bewaffnung. In den letzten Tagen hätten die USA "unausgegorene" Stellungnahmen abgegeben wie, die Zahl der Zentrifugen müsse auf so und so viele reduziert oder das und jenes mit dem Schwerwasserreaktor geschehen. "Anscheinend verwechseln die westlichen Staaten Atomverhandlung mit Gaukelspielen. Die Atomverhandlungen sind ernst. Sie werden geführt, um eure falschen Behauptungen klarzustellen. Das iranische Volk missachtet eure politischen Manöver", sagte der Laridschani. Die Errungenschaften der iranischen Atomindustrie seien "nicht verhandelbar".

Laridschani, der früher selbst Verhandlungsführer war, sagte: "Unsere Verhandlungsführer dürfen unter keinen Umständen etwaige Einschränkungen unseres Atomprogramms, wozu auch die Urananreicherung gehört, oder unserer Atomforschung und Weiterentwicklung des Atomprogramms hinnehmen."

Am 14. Mai begann die vierte Verhandlungsrunde zwischen Iran und der 5+1-Gruppe in Wien. Unmittelbar davor erklärte Revolutionsführer Chamenei im staatlichen Fernsehen, der Westen solle wissen, dass Iran sich westlichem Druck nicht beugen werde. Die neue Runde wurde von allen Seiten als "entscheidend" bezeichnet. Sie war geplant, um die Details eines endgültigen Vertrags zur Lösung des Atomkonflikts vorzubereiten. Der Vertrag soll bis zum 20. Juli zur Unterzeichnung ausgearbeitet sein. Der iranische Vizeaußenminister Abbas Araghchi sagte, es gäbe einen 13-Punkte-Plan, der schrittweise ausgearbeitet werden solle. Für manche Punkte lägen Lösungsvorschläge vor, für andere noch nicht. "Wir sind alle vorsichtig optimistisch, aber bewusst realistisch", sagte er am 15. Mai.

Am 16. Mai gingen die Verhandlungen, wie Araghchi sagte, ohne "greifbaren Erfolg" zu Ende. Ein westlicher Diplomat, dessen Name nicht genannt wird, sagte laut dpa, es habe "große Diskrepanzen zwischen den Positionen beider Seiten" gegeben. Auf iranischer Seite seien "mehr Realismus" und "mehr Flexibilität" nötig. Und ein iranischer Vertreter, den ebenfalls die dpa zitiert, sagte, der Westen müsse "seine überzogenen Forderungen aufgeben". "Wir haben erwartet, dass die westliche Seite realistischer wird, doch das scheint bislang nicht der Fall zu sein." Auf einer abschließenden Pressekonferenz in Wien sagte Araghchi: "In dieser Runde, in der ernsthaft über den Text eines endgültigen Vertrags verhandelt wurde, haben wir keinen spürbaren Fortschritt erzielt."

Am 20. Mai dementierte Teheran Berichte, wonach die Atomverhandlungen gescheitert sein sollen. "Das waren voreilige Bewertungen, die wir nicht bestätigen", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Marsieh Afkham, in Teheran.

Am 21. Mai vereinbarten Iran und die Internationale Atombehörde (IAEA) neue Kontrollmaßnahmen. Sie erzielten in fünf bislang umstrittenen Punkten Einigkeit; darunter über eine Untersuchung der Militäranlage Parchin. Am 22. Mai sagte Präsident Rohani, er halte einen endgültigen Abschluss der Verhandlung bis 20. Juli für möglich. Wenn nicht, könne die festgesetzte Frist verlängert werden.

Höchst bemerkenswert schienen die Äußerungen Araghchis vor einer Versammlung der Revolutionsgarden am 24. Mai: "Wir müssen so handeln, dass im Falle des Scheiterns der Verhandlungen niemand Iran die Schuld geben kann."

"Die Gegenseite hat gesagt, sie sei besorgt, dass wir Nuklearwaffen entwickeln, und wir haben gefragt, ob sie dem iranischen Atomprogramm und der Aufhebung der Sanktionen zustimmen würden, wenn wir euere Sorgen beheben. Sie haben ja gesagt", sagte Araghchi.

In dem vorläufigen Vertrag in Genf habe Iran Widerstand geleistet und durchgesetzt, dass die Urananreicherung in Fordo fortgesetzt werde, sagte Araghchi. Auch der Schwerwasserreaktor in Arak könne gemäß der Genfer Vereinbarung weiter arbeiten. Die Atomanlage in Fordo befinde sich im Untergrund, in einer Tiefe von 70 Metern. "Der Westen wollte uns zwingen, die Anlage zu schließen, weil er sie sonst nicht bombardieren könnte. Doch Außenminister Sarif hat Widerstand geleistet. Er sagte: ,Ihr wollt die Anlage schließen, weil ihr sie nicht bombardieren könnt. Danach wollt ihr die Anreicherungsanlage, die in einer Tiefe von 20 Metern liegt, bombardieren. Ich bin nicht hierhergekommen, um mein Land der Bombardierung auszusetzen.'"

Am 26. Mai haben sich Ashton und Sarif zu einem informellen Gespräch in Istanbul getroffen, berichtete Irna. Dabei wurden Datum und Agenda für die nächste Verhandlungsrunde besprochen. Demnach soll das nächste Treffen vom 16. bis 20. Juli in Wien stattfinden. Sarif sagte der Agentur Irna auf dem Weg zu dem Treffen mit Ashton, er sei nach wie vor optimistisch. "Ich denke, wenn die Gegenseite die Forderungen nicht zu hoch schraubt und inzwischen gelernt hat, dass sie mit Druck und Sanktionen nicht weiterkommt, dann werden wir Erfolg haben. Sollte die festgesetzte Frist nicht eingehalten werden können, haben wir noch die Möglichkeit die Verhandlungen um weitere sechs Monate zu verlängern. Aber unser Ziel ist, bis zum 20. Juli zum Abschluss zu kommen.


ENERGIEMINISTER FORDERT KONTROLLE DES WASSERVERBRAUCHS

Energieminister Hamid Chitchian sagte der Agentur Irna vom 22 Mai zufolge: "Wenn wir den Wasserverbrauch nicht kontrollieren und die weitere Nutzung des Grundwassers nicht verhindern, wird der Wasserspiegel nach und nach sinken, die Salzwüste sich ausdehnen und folglich die Landwirtschaft zugrunde gehen."

Mit dem Wasser, das zurzeit für die Landwirtschaft zur Verfügung steht und den hohen Kosten, die dafür ausgegeben werden müssen, seien die Produkte der inländischen Landwirtschaft auf dem Markt nicht konkurrenzfähig.

Bereits seit einigen Jahren wird die iranische Landwirtschaft von Trockenheit geplagt. Viele Wasserreserven, Seen und Flüsse sind bereits gänzlich oder weitgehend ausgetrocknet. Offizielle Statistiken besagen, dass rund die Hälfte der Bevölkerung unter Mangel an Trinkwasser leidet. Sollten die Menschen, insbesondere in den Großstädten, nicht bereit sein, Wasser zu sparen, müsste die Regierung den Wasserverbrauch rationalisieren. Das Energieministerium möchte das Trinkwasser von dem Wasser, das für die Landwirtschaft und Industrie benutzt wird, trennen, um somit das Problem des Trinkwassers lösen zu können. Aber das ist ein langfristiger Plan, der einen großen finanziellen Aufwand braucht.

Der Energieminister sagte: "Wir hoffen, diesen Plan innerhalb der nächsten vier Jahre realisieren zu können. Damit wird wenigstens die Basis für weitere Schritte geschaffen." Experten nennen folgende Gründe für den Wassermangel: Dürre in den letzten Jahren, schlechtes Management bei der Nutzung der Flüsse und willkürlicher Bau von Staudämmen. Der Wasserspiegel sei gesunken, weil zu viele Bohrungen zur Nutzung des Grundwassers vorgenommen wurden. All dies habe die Landwirtschaft mit ernsthaften Problemen konfrontiert, meinen die Experten.

Chitchian forderte eine strikte Kontrolle des Wasserverbrauchs. "Sonst werden wir in naher Zukunft vor unlösbaren Problemen stehen", sagte der Minister.


PEUGEOT CITROEN PLANT RÜCKKEHR AUF IRANISCHEN MARKT

Wie die amtliche Nachrichtenagentur IRNA am 5. Mai berichtete, habe PSA-Markenchef Maxime Picat mit Iranchodro, dem langjährigen iranischen Handelspartner, mehrere Gespräche geführt. Peugeot Citroen ist bestrebt, die langjährigen Aktivitäten, die infolge von den über Iran verhängten Sanktionen abgebrochen werden mussten, wieder aufzunehmen. Dabei geht es um gemeinsamen Fahrzeugbau, Technologietransfer und darum, Autos, die in Iran produziert werden, über das Vertriebsnetz des französischen Konzerns verkaufen zu können.

Peugeot gehörte von Anfang der neunziger Jahre bis 2012 zu den aktivsten ausländischen Autofirmen in Iran. Das vorläufige Abkommen über das iranische Atomprogramm vom Januar dieses Jahres ebnete für PSA Peugeot Citroen den Weg zur Rückkehr auf den iranischen Markt. Iran hofft, dass mit dem endgültigen Abkommen, das Ende Juli unterzeichnet werden soll, die Sanktionen gänzlich aufgehoben und ausländische Unternehmen besonders in der ÖL- und Gasindustrie sowie im Fahrzeugbau in Iran investieren werden.


IMPORT VON FAHRZEUGEN UM DAS VIERFACHE GESTIEGEN

Nach einem Bericht des iranischen Zollamts vom 14. Mai hat im ersten Monat des neuen Jahres (21. März bis 21. April) der Warenimport dem Gewicht nach im Vergleich zum Vorjahr im gleichen Monat um vierzig Prozent und der Import von Fahrzeugen um das Vierfache zugenommen. Auch der Import von Mobiltelefonen sowie Zigaretten verzeichnete einen enormen Anstieg.

Im ersten Monat des Jahres wurden 2.290 Personenwagen im Wert von 52 Millionen Dollar importiert, im Vorjahr waren es lediglich 515 Fahrzeuge im Werte von 12 Millionen Dollar. Der Durchschnittspreis pro Fahrzeug betrug 22.682 Dollar. Der Preis für das teuerste Fahrzeug betrug 204.000 Dollar. Die meisten Fahrzeuge werden über die Arabischen Emirate eingeführt.

Der Import von Mobiltelefonen hatte im ersten Monat des vergangenen Jahres einen Wert von drei Millionen Dollar, in diesem Jahr stieg er auf 12 Millionen Dollar. Auch der Import von Zigaretten stieg von 2.253 Millionen Dollar auf 4.709 Millionen Dollar und hat sich damit verdoppelt.

Insgesamt hat Iran im ersten Monat dieses Jahres 2,64 Millionen Tonnen Waren im Wert von 2,51 Milliarden Dollar importiert. Im vergangenen Jahr waren es 1,89 Millionen Tonnen im Wert von 2,69 Milliarden Dollar.

An der Spitze der importierten Waren steht Getreide. Den Angaben des Zollamts zufolge wurden in diesem Jahr 927000 Tonnen Getreide im Wert von 329 Millionen Dollar importiert, das heißt, fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Nach Getreide folgen Reis, Sojabohnen, Mais, gefrorenes Fleisch und Speiseöl.

Mehr als zwei Drittel der Waren werden aus asiatischen Ländern eingeführt. Der Wert der importierten Waren aus diesen Ländern betrug 1.885 Milliarden Dollar, demgegenüber betrug der Wert der aus Europa eingeführten Waren 499 Millionen Dollar. Die Arabischen Emirate, China, Indien, die Türkei und Südkorea sind der Reihe nach die Länder, aus denen Iran die meisten seiner importierten Waren bezieht. Die importierten Waren aus den Arabischen Emiraten und China haben im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent zugenommen.


1800 ARBEITER BEI ARBEITSUNFÄLLEN GESTORBEN

Nach Angaben des Arbeitsministeriums wurden im vergangenen Jahr (März 2013 - März 2014) rund 13.000 Arbeitsunfälle registriert. Dabei hätten die Unfälle in 1.800 Fällen zum Tode geführt, sagte der Staatssekretär im Sozialministerium, Hassan Hefdahtan, laut Medien bei einer Veranstaltung in Teheran am 22. Mai.

Die unsichere Lage in der Wirtschaft habe dazu geführt, dass mehr als 90 Prozent der Arbeitsverträge Zeitverträge gewesen seien. Bei Zeitverträgen gäbe es keine Versicherung. Die Lage der Arbeiter habe sich zudem durch Streichung staatlicher Subventionen noch mehr verschlechtert.

Zuvor hatte die iranische Gerichtsmedizin berichtet, dass in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres die Todesrate bei Unfällen am Arbeitsplatz im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent gestiegen sei. Dem Bericht zufolge sterben im Durchschnitt täglich fünf Arbeiter während der Arbeit. Die meisten Unfälle seien in Großteheran und in den Provinzen Chorasan und Fars registriert worden.

Am Tag der Arbeit forderte Präsident Rohani den Arbeitsminister auf, alle Saisonarbeiter zu versichern.

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AUSSENPOLITIK

• Beziehung Iran-Saudi-Arabien
• Protest gegen Todesurteile in Ägypten
• Auslieferung der Mitglieder der Modjahedin gefordert
• Israeli wegen Waffenverkauf an Iran festgenommen
• Deutsch-iranische Schleuser gestoppt
• Iran insistiert auf ernannten UN-Botschafter
• Diskriminierung von Iranern im Westen
• Entschädigung für Stürmung der britischen Botschaft in Teheran


BEZIEHUNG IRAN-SAUDI-ARABIEN

Am 13. Mai meldeten die Agenturen, der saudische Außenminister, Prinz Saud al-Faisal, habe auf einer regionalen Konferenz in Riad erklärt, er habe den iranischen Außenminister, Mohammad Dschawad Sarif zu einem Besuch nach Saudi-Arabien eingeladen. Die Einladung sei abgeschickt, aber eine Antwort liege noch nicht vor. Der iranische Außenminister sei zu jederzeit willkommen. Seine Regierung hoffe, dass Gespräche mit der iranischen Seite "mögliche Probleme zugunsten beider Seiten" gelöst würden. "Wir erwarten, dass Iran nicht Teil des Problems ist, sondern die gemeinsamen Bemühungen um Sicherheit und Wohlergehen der Region unterstützt.

Die Beziehungen der beiden Staaten sind seit Jahren stark belastet. Abgesehen von Rivalitäten um Einflussnahme in der Region am Persischen Golf und religiösen Kontroversen zwischen Sunniten und Schiiten, haben die unterschiedlichen Positionen in Bezug auf die Krise in Syrien sowie das iranische Atomprogramm sie weit voneinander entfernt. Einen wichtigen Streitpunkt bildete die Niederschlagung der Proteste der Schiiten in Bahrain, an der sich auch saudische Streitkräfte beteiligten. Die sich abzeichnende Annährung der USA an Iran wird in Riad mit Argwohn beobachtet. Die Saudis befürchten, dass diese Annährung zu einer Kursänderung Washingtons in der Golfregion und damit zu einer Minderbewertung der saudischen Rolle in der Region führen könnte.

Laut Irna sagte der iranische Vizeaußenminister Hossein Amirabdollahian am 14. Mai, Teheran habe noch keine schriftliche Einladung erhalten, fügte jedoch hinzu: "Ein Treffen zwischen den Außenministern steht auf der Agenda der Islamischen Republik. Wir begrüßen Verhandlungen und Besuche, die der Lösung der Probleme dienen, Missverständnisse ausräumen und die Beziehungen der beiden Staaten weiter ausbauen."

Sollte der Besuch erfolgen, wäre dies der erste nach Jahren. Bezug nehmend auf die Äußerungen des Saudischen Außenministers schrieb die britische Tageszeitung "The Guardian", die USA hätten sich bemüht, Saudi Arabien zu direkten Versöhnungsgesprächen mit Iran zu ermuntern. Demgegenüber meldete die Agentur Reuters am 14. Mai, US-Verteidigungsminister Chuck Hagel habe auf einer Konferenz des Golf-Kooperationsrats (GCC) in saudi-arabischen Dschidda die arabischen Staaten zur Einigkeit gegen Iran gemahnt. "Die größten Herausforderungen bedrohen diese Region als Ganzes, und sie erfordern eine kollektive Antwort", zitiert die Agentur den Verteidigungsminister. Die Staaten sollten sich darüber Gedanken machen, wie sie auf die Bedrohung durch Iran reagieren sollten. Hagel schlug eine enge Kooperation zwischen den USA und dem GCC vor.

Zugleich warb Hagel bei den verbündeten Staaten am Persischen Golf um Verständnis für die Atomverhandlungen mit Iran. Er versicherte seinen Gesprächspartnern, die USA würden Iran gegenüber keinerlei Zugeständnisse machen, die die Sicherheit der arabischen Staaten am Golf beeinträchtigen könnten. Dass Washington die Sicherheit der Golfregion sehr ernst nehme, beweise die Präsenz von 35.000 US-Soldaten. Zudem seien die USA entschlossen, eine mögliche Bewaffnung Irans mit Nuklearwaffen auszuschließen.


PROTEST GEGEN TODESURTEILE IN ÄGYPTEN

Das iranische Außenministerium hat die Todesurteile gegen 683 Mitglieder der Muslimbruderschaft in Ägypten kritisiert. Sprecherin Masieh Afkham erklärte am 29. April: "Die Todesurteile sind ein krasser Widerspruch zu den erklärten Zielen der ägyptischen Revolution." Sie äußerte die Hoffnung, die Urteile würden revidiert und aufgehoben.

Die Todesurteile hatten weltweit Proteste ausgelöst. Doch die Stellungnahme der Teheraner Regierung klingt unglaubwürdig, wenn man bedenkt, dass in Iran jährlich hunderte Todesurteile gefällt bzw. vollstreckt werden.


AUSLIEFERUNG DER MITGLIEDER DER MODJAHEDIN GEFORDERT

Medienberichten zufolge forderte Irans Justizchef, Sadegh Laridschani, bei einem Treffen mit dem Chef des Obersten Rats der Justiz Iraks, Medhat Mahmud, in Bagdad am 18. Mai die Auslieferung der Mitglieder der oppositionellen Volksmodjahedin. Zwischen dem Irak und der Islamischen Republik besteht ein Auslieferungsvertrag.

"Wir erwarten vom unserem befreundeten Bruderstaat Irak, dass diese Personen im Rahmen bestehender Gesetze in unser Land zurückgeschickt werden, damit sie dort vor ein ordentliches Gericht gestellt werden", sagte Laridschani.

Mehrere Hundert Mitglieder der Volksmodjahedin halten sich gegenwärtig in dem Sammellager "Liberty" in der Nähe von Bagdad auf. Die Organisation, die mit Unterstützung des irakischen Diktators Saddam Hussein jahrelang von der irakischen Grenze aus bewaffnet gegen das Teheraner Regime kämpfte, wurde nach dem Sturz Saddam Husseins von den Amerikanern entwaffnet. In den letzten Jahren ist eine ganze Reihe von Mitgliedern der Modjahedin bei Angriffen auf das Sammellager ums Leben gekommen. Darüber äußerten die Verantwortlichen im Iran, vor allem die Revolutionsgarden, ihre Genugtuung. Aus der Sicht des Teheraner Regimes handelt es sich bei den Modjahedin um eine terroristische Organisation. Tatsächlich hat die Organisation zahlreiche Attentate in Iran verübt.

Laridschani sagte bei seinem Treffen mit Mahmud, "was unsere Länder eng miteinander verbindet, ist weit mehr als die gemeinsame Grenze. Ich selbst bin in der irakischen Stadt Nadschaf (heilige Stadt der Schiiten) geboren, obwohl ich auf meine iranische Nationalität stolz bin. Doch ich fühle zwischen mir und den Irakern eine tiefe Freundschaft." Er verwies auch auf einige iranische Häftlinge in irakischen Gefängnissen und sagte, die meisten dieser Leute seien wegen illegaler Einreise verhaftet worden. Ihr Ziel sei eine Pilgerreise zu den heiligen Stätten gewesen. "Wir bitten eine Behandlung im Rahmen der Gesetze, aber auch unter Berücksichtigung ihrer Motive um milde Behandlung."


ISRAELI WEGEN WAFFENVERKAUF AN IRAN FESTGENOMMEN

Ein israelischer Staatsbürger wurde beschuldigt, Teile von Waffen, zum Beispiel Ersatzmotoren für F-4 und F-14 Kampfjets, an Iran verkauft zu haben. Er wurde am 12. Mai auf dem Flughafen von Tel Aviv festgenommen.

Aus Israel wurde erklärt, der 64-Jährige sei aufgrund eines Antrags der US-Regierung verhaftet worden. Der Name des Beschuldigten wurde zunächst nicht bekannt gegeben. Erst am 16. Mai gaben US-Staatsanwälte den Namen preis. Elijahu C. stehe unter dem Verdacht, zwischen 2004 und 2005 die Lieferung von Ersatzteilen für Flugabwehrraketen vom Typ Hawk von den USA an Iran organisiert zu haben. Zudem habe er 2013 geplant, Komponenten für F-4C und F-14 Kampfjets von Israel über Griechenland nach Iran zu exportieren. Die USA haben seine Auslieferung beantragt. Er werde auch wegen Geldwäsche beschuldigt, hieß es. Dem Beschuldigten drohen eine hohe Geldstrafe bis zu 7,5 Millionen Dollar und lebenslange Haft.

Iran hat bislang zu dem Fall keine Stellung genommen. Bemerkenswert ist, dass der Fall zu einem Zeitpunkt bekannt wird, in dem Israel versucht, eine Milderungen der Sanktionen gegen Iran zu verhindern.

Die Kampfjets wurden in den USA gebaut und zu Schah-Zeiten an Iran geliefert. Sie werden von den USA nicht mehr genutzt, aber von Iran. Nach der Revolution haben die USA die Lieferung von Ersatzteilen an Iran verboten. Im Februar haben griechische Medien über mögliche Verwicklung von zwei Israelis in einem Waffengeschäft mit Iran berichtet.


DEUTSCH-IRANISCHE SCHLEUSER GESTOPPT

Einem Bericht des epd (Evangelischer Pressedienst) vom 13. Mai zufolge haben die Bundespolizei Köln und die Staatsanwaltschaft Kleve einen deutsch-iranischen Schleuserring gesprengt. Wie die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin mitteilte, habe die Gruppe in iranischen Zeitungen unverblümt für Reisen nach Deutschland mit gefälschten Pässen geworben. Bei der Durchsuchung von mehreren Wohnungen in Gebieten in Rheinland und Frankfurt wurde eine Menge Beweismaterial gefunden worden, darunter zahlreiche Ausweiskopien, fast 10.000 Euro Bargeld und Datenträger. An der Spitze der Gruppe stehe eine 67-jährige Iranerin aus Kleve, hieß es.


IRAN INSISTIERT AUF ERNANNTEN UN-BOTSCHAFTER

Iran will, obwohl die USA den für den Posten des iranischen UN-Botschafters ernannten Hamid Abutalebi die Einreiseerlaubnis verweigern, dessen Einreise erzwingen. "Wir gehen weiterhin über internationale Mechanismen und relevante UN-Ausschüsse gegen die Ablehnung vor, erklärte die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums Marsieh Afkham am 29. April vor der Presse in Teheran.

Die USA hatten Abutalebis Einreise abgelehnt, weil er an der Geiselnahme amerikanischer Botschaftsangehöriger in Teheran 1979 beteiligt gewesen war. Abutalebi bestreitet den Vorwurf. Er habe nie der Gruppe angehört, die die Botschaft gestürmt hat. Zwar habe er mit der Gruppe in Verbindung gestanden, sei lediglich gelegentlich als Übersetzer tätig gewesen. Dies bestätigten auch ehemalige Studenten, die damals an der Botschaftsbesetzung teilgenommen hatten.

Abutalebi hat eine lange diplomatische Laufbahn hinter sich. Er war unter anderem iranischer Botschafter in Australien, Italien und bei der EU in Brüssel.


DISKRIMINIERUNG VON IRANERN IM WESTEN

Iraner im Westen, mit oder ohne Staatsbürgerschaft des jeweiligen Landes, in dem sie sich aufhalten, beschweren sich verstärkt darüber, dass ihnen zunehmend Dienstleistungsunternehmen oder Banken Dienstleistungen verweigern, die sie Inländern oder anderen Ausländern zu Teil werden lassen. So beschwerte sich der Verein iranischer Gemeinde in Deutschland, dass der amerikanische Paketdienst UPS sich mit dem Hinweis auf bestehenden Sanktionen gegen Iran geweigert habe, Pakete an die Adresse des Vereins zu liefern.

Der Verein wurde darauf aufmerksam, als er eine Druckerei mit dem Druck von Werbebroschüren beauftragt und um rasche Erledigung gebeten hatte. Die Firma kam dem Wunsch nach, die Werbebroschüren wurden gedruckt und auf den Weg gebracht. Doch der Verein wartete vergeblich auf den Erhalt des Pakets. Es stellte sich heraus, dass UPS sich geweigert hatte, das Paket zu liefern, mit der Begründung, das gelte für alles, was mit Iran zu tun habe. Das sei in dem Status des amerikanischen Konzerns festgelegt. Iran sei ein Embargo-Land, erläuterte die Presseabteilung des Konzerns.

Der vor zwei Jahren gegründete Verein iranischer Gemeinden in Deutschland vertritt die Interessen der Iraner in Deutschland. Die meisten Mitglieder sind deutsche Staatsbürger. Er gehört keiner politischen Partei an und hat mit Iran nichts zu tun. Das Vorgehen des Paketdienstes UPS sei diskriminierend, meinte ein Vorstandsmitglied. Doch UPS sei kein Einzelfall, sagte Ehsan Djafari. Nicht selten verweigern Banken Iranern die Eröffnung eines Kontos. Auch hier dienten die Sanktionen gegen Iran als Begründung.

Auch der Nationale Rat der Iraner in den USA zeigte sich in einer Erklärung vom 16. Mai besorgt darüber, dass die Konten von Iranern bei einigen amerikanischen Banken gekündigt wurden. Er forderte unter anderem die Bank of America auf, diese "Diskriminierung" einzustellen.

Der Rat habe im vergangenen Monat die Beschwerden zahlreicher Iraner erhalten, deren Konten ohne Ankündigung gekündigt wurden, hieß es. Durch die Sanktionen, die gegen Iran verhängt worden seien, fühlten sich die Iraner in den USA ungleich behandelt.

Die Bank of America bestritt die ungleiche Behandlung der Bürger anderer Staaten. Auf eine Anfrage der BBC erklärte die Bank, sie kündige nicht die Konten ihrer Kunden aufgrund ihrer Nationalität. Zudem habe sie kein Konto ohne Ankündigung geschlossen. Sie richte sich stets nach den von der US-Regierung verhängten Sanktionen. Die Kündigung erfolge gelegentlich auch, um festzustellen, ob die Betreffenden sich in den USA aufhalten.

Den Sanktionen zufolge sind Dienstleistungen der Banken für Iraner, die in ihrem Land leben oder sich vorübergehend dort aufhalten, untersagt. Die Banken befürchten, für solche Dienstleistungen bestraft zu werden, was gelegentlich zur Schließung von Konten führt.

Nach Ansicht des Nationalen Rats der Iraner richten sich solche Maßnahmen gegen die Politik der USA, die einen regeren Austausch von Studenten zwischen Iran und den USA anstreben.


ENTSCHÄDIGUNG FÜR STÜRMUNG DER BRITISCHEN BOTSCHAFT IN TEHERAN

Wie die dpa am 20. Mai berichtete, habe sich Iran bereit gezeigt, für die Stürmung der britischen Botschaft in Teheran 2011 eine Entschädigung zu zahlen. Die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums, Marsieh Afkham sagte, geplant sei ein baldiges Treffen der Delegierten beider Länder, um die Details zu besprechen.

Der Sturm auf die britische Botschaft wurde von angeblichen Studenten organisiert, die sich als Anhänger von Ayatollah Chomeini bezeichnen. Nach einer Protestkundgebung wurde die Botschaft gestürmt. Dabei wurden Einrichtungen stark demoliert. Daraufhin schloss London die Botschaft und wies Angehörige der iranischen Botschaft in London aus. Es gab zwar keinen offiziellen Abbruch der diplomatischen Beziehungen, aber diese wurden auf ein Minimum reduziert. Erst nach der Wahl von Präsident Rohanis wurde mit einer Normalisierung der Beziehungen begonnen.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bernd Asbach
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
13. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 06/2014 - Juni 2014 / 13. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2014