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MEMORIAL/279: Keine Rehabilitation für den Philosophen Giordano Bruno, hingerichtet durch die Inquisition am 17. Februar 1600 (Gerhard Feldbauer)


Auf den Spuren der Inquisition

Vor 425 Jahren

Giordano Brunos Tod auf dem Scheiterhaufen

von Gerhard Feldbauer, 3. Februar 2025


Im Februar ist an eines der übelsten Verbrechen der Inquisition der katholischen Kirche zu erinnern. Am 17. des Monats wurde 1600 der Dichter und Philosoph Giordano Bruno auf dem Campo de' Fiori in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Der Henker führte ihn an einer Eisenkette, einen Knebel im Mund, zur Richtstätte. Welcher "Verbrechen" bezichtigte ihn die Inquisition?

Als Bruno 1548 in Nola in der Provinz Neapel geboren wurde, waren Renaissance-Humanismus, frühbürgerliche Revolution und Reformation schon Geschichte. Klerus und reaktionärer Feudaladel hatten die Gegenreformation forciert, der Spanier Ignatius von Loyola hatte dafür mit dem Jesuitenorden eigens eine Kampftruppe gegründet, die der aus dem Adelsgeschlecht der Farneser stammende Papst Paul III. 1540 bestätigte. Nach den Niederlagen Thomas Müntzers 1525 bei Mühlhausen in Thüringen, der Schweizer Reformatoren 1531 in der Schlacht bei Kappel (Tod Huldrych Zwinglis) wurde 1546 der Schmalkaldische Bund besiegt.

1542 hatte Paul III. zur "Reinhaltung der Glaubens- und Sittenlehre" mit der Bulle (beglaubigte Urkunde eines Papstes oder Kaisers) "Licet ab initio" (Von Anbeginn an) als Oberste Instanz aller Glaubenstribunale die Kongregation für römische und weltweite Inquisition, kurz Sanctum Officium genannt, geschaffen. Die Inquisition brachte in den kommenden Jahrhunderten etwa drei Millionen Menschen um, unzählige davon auf dem Scheiterhaufen. Unter dem spanischen König Philipp II. kam es zum Bündnis Spaniens mit den Päpsten, was der Inquisition und mit ihr dem mittelalterlichen Ketzerrecht (Häresie, Schisma) Auftrieb verschaffte und zur faktischen Ausrottung der Protestanten in Spanien und Italien führte.

Bruno lebte also - wie wir heute - in Zeiten der Restauration und hat dennoch das Licht der Vernunft nicht unter den Scheffel gestellt. Trotz des wirtschaftlichen und nationalen Niedergangs Italiens, trotz des Vordringens der Gegenreformation setzte er das auf Erkenntnis und Wahrheit, Freiheit, Würde und Selbständigkeit des Menschen gerichtete Renaissancedenken fort und krönte es mit seinem materialistisch orientierten Pantheismus. Bruno ging von Kopernikus aus und über ihn hinaus. Für ihn standen Sonne und Erde nicht im Zentrum der Welt, sondern waren ein Teil des von unzähligen Sonnen durchfluteten Universums in einer unendlichen Welt sich selbst bewegender Sonnensysteme, in der es keine Grenzen und keine hierarchische Anordnung gibt. Wie die griechischen Atomisten sah er die Materie als Urgrund der Dinge an und stellte den Satz von der physikalischen Homogenität der Welt auf, wobei die Einzeldinge als Modifikation des Universums dem Werden und Vergehen unterworfen sind, während diese selbst als dynamische Einheit des einen göttlichen Seins ewig in sich gleich bleibe.

Besonders mit seiner Definition des Verhältnisses Gottes zur Welt zog er sich die Todfeindschaft der Kirche zu. Er wies die Ansicht zurück, dass Gott die Welt von außen regiere, wie ein Rosslenker sein Gespann, und lehrte, Gott stehe nicht über und außerhalb der Welt, sondern sei in der Welt, wirke als beseelendes Prinzip ihres Ganzen wie in jedem ihrer Teile. Das war Pantheismus, was die Inquisition als schlimmste Ketzerei verfolgte.

Brunos Philosophie hat die Herausbildung der modernen bürgerlichen Philosophie wesentlich befördert. Seinen Materialismus setzten, beginnend mit Francis Bacon, die englischen und französischen Materialisten fort. Der deutsche Philosoph und Mathematiker Gottfried Leibniz griff mit seiner Monadenlehre auf Bruno zurück, Spinoza knüpfte an die Idee von der Einheit der unendlichen Substanz und der Vielfalt der endlichen Dinge an, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling führte die pantheistische Naturphilosophie fort.

Im Alter von 15 Jahren trat Bruno als Novize in den Dominikanerorden in Neapel ein. Seine Studien brachten ihn schon bald in Konflikt mit seinem Orden, in dem einerseits die Scholastik triumphierte und dem andererseits seit 1231 die Exekution der Inquisition oblag. Zu allem Übel gehörte Neapel zu dieser Zeit auch noch zum Königreich Spanien. 1576 floh Giordano Bruno aus dem Kloster und flüchtete über Genua und Venedig nach Genf. 15 Jahre lebte er im Exil in der Schweiz, in England, Frankreich und Deutschland, wo er jeweils eine intensive Lehrtätigkeit entfaltete und in Kommunikation mit bedeutenden Wissenschaftlern seine Philosophie herausbildete.

In Paris erschien 1582 seine erste philosophische Arbeit "De umbris idearum" (Über die Schatten der Ideen), in London 1584 seine wichtigsten Schriften "Das Aschermittwochsmal", "Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen", "Vom Unendlichen, dem All und den Welten" sowie "Die Vertreibung der triumphierenden Bestie". In seinen "Lehrgedichten" und dem berühmten Dialog "Heroische Leidenschaften" breitete der lebensfrohe und den Schönheiten der Welt zugetane Dichter und Philosoph heiter und poetisch seine Ethik aus, in der er den Sündenfall und die Vorherbestimmung des menschlichen Schicksals als lebensfremd zurückwies und ihr die Vervollkommnungsfähigkeit der menschlichen Natur entgegenstellte.

Immer wieder verjagt, reiste er 1592 in die Republik Venedig, wo er glaubte, vor Verfolgung sicher zu sein. Sein Gastgeber aber, der Patrizier Giovanni Mocenigo, verriet ihn und lieferte Bruno der Inquisition aus. Sechs Jahre verbrachte er in venezianischen Kerkern, in denen auch grausame Folter ihn nicht beugen konnte. Dann wurde er an das Heilige Offizium in Rom ausgeliefert und in einem zweijährigen Prozess verurteilt. Papst Clemens VIII. selbst führte einmal den Vorsitz. Bruno verweigerte jeden Widerruf, der ihm - wie 33 Jahre später Galileo Galilei - das Leben hätte retten können.

Am 8. Februar 1600 wurde Giordano Bruno als "hartnäckiger und unbeugsamer Häretiker" verurteilt. Bei der anschließenden Exkommunikation schnitt man ihm von Daumen und Zeigefingern beider Hände die Haut ab, was die Salbung bei der Priesterweihe beseitigen sollte. Bruno habe das Urteil sehr gefasst angehört, schrieb sein Schüler Graf Ventimiglia, und habe den Inquisitoren entgegnet: "Ihr sprecht mir das Urteil mit größerer Furcht, als ich es empfange." Jahre vorher hatte er in seinem Traktat "Druck der Drucke" geschrieben: "Wen die Größe der Sache gefangen nimmt, spürt nicht mehr die Schrecken des Todes."

Das gemeinsame Handeln von Kirche und Feudalmacht zeigte sich auch im Ketzerprozess gegen Bruno. Nach der Untersuchung und Urteilsverkündung durch die katholische Kirche wurde er der Staatsmacht übergeben, was als "Entlassung in die Freiheit" bezeichnet und mit der pharisäischen "Bitte" versehen wurde, "milde zu verfahren". Die Urteilsvollstreckung nach theologischen Richtlinien war jedoch Pflicht der weltlichen Macht. Sie hatte die Ketzer als "Pestbeulen" aus dem Körper der Gesellschaft zu entfernen und sie als "Majestätsverbrecher" hinzurichten (Thomas von Aquin). Weltliche Herrscher, die sich aus Souveränitätsgründen, da sie im Machtkampf zwischen Papst und Kaiser nicht als Vasallen des Pontifex gelten wollten, weigerten, die Urteile an den Häretikern zu vollstrecken, exkommunizierte der Papst, über unbotmäßige Städte wurde das Interdikt verhängt, das die Gläubigen aufforderte, keine Steuern zu zahlen.

Für den 1642 erblindet verstorbenen Galileo Galilei hatte der polnische Papst Johannes Paul II. anlässlich dessen 350. Todestages eine bedingte Rehabilitation verkündet. Den schon zu Lebzeiten berühmten Naturwissenschaftler hatte die Inquisition trotz seines Widerrufs zu lebenslanger Haft verurteilt. Bedingt deshalb, weil der Papst in seiner Rehabilitationsrede die Inquisition noch immer rechtfertigte, indem er ihr bescheinigte, "in gutem Glauben" und "aus Sorge um die Kirche" gehandelt und dabei "einen tragischen Fehler" begangen zu haben. Der Pontifex bezeichnete das Urteil als ein "tragisches wechselseitiges Missverständnis" zwischen dem Pisaer Wissenschaftler und den Richtern der Inquisition.

Kein Wort der Rehabilitation oder des Gedenkens fiel für die Millionen Opfer der Inquisition, kein Wort der Verurteilung der jahrhundertelangen Unterdrückung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, des Fortschritts wissenschaftlichen Denkens und der Emanzipation des Menschen.

Eine Rehabilitation Giordano Brunos, die zu dessen 400. Todestag anstand, gestaltete sich für die katholische Kirche weit problematischer als bei Galilei, da Bruno nicht widerrufen hatte und dem Klerus angehörte. Der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., warnte 40 Tage vor dem 400. Todestag in der FAZ vom 8. Januar 2000 vor einem "postmodernistischen Wahrheitsverzicht" der Kirche und erinnerte an den "Erkenntnisanspruch des Christentums". Der polnische Papst Johannes Paul II. folgte dann auch dem Rat seines Chefideologen, dem Präfekten der Glaubenskongregation, und ließ mitteilen, eine Rehabilitierung Brunos werde nicht erfolgen, da sein Gedankengut für die Kirche "unverträglich" bleibe. Für den Feuertod, den er vor 400 Jahren erleiden musste, werde die "Kirche von heute" jedoch "um Vergebung bitten".

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Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Februar 2025

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