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MEMORIAL/123: Italien 25. April 1945 - Beginn des Aufstands gegen die deutschen Besatzer (Gerhard Feldbauer)


Am 25. April 1945 begann in Norditalien der bewaffnete Aufstand gegen die deutschen Besatzer

Über 200.000 Soldaten der Hitlerwehrmacht kapitulierten vor der Partisanenarmee

Von Gerhard Feldbauer, 25. April 2015


Im April 1945 ging der nationale Befreiungskrieg, den Italien an der Seite der Antihitlerkoalition gegen die Besatzung seitens Hitlerdeutschlands und das Marionettenregime von dessen Vasallen Mussolini führte, seinem Sieg entgegen. Am 10. des Monats erließ das Nationale Befreiungskomitee für Norditalien (Comitato di Liberazione Nazionale per Alta Italia - CLNAI) die Direktive Nr. 16 für den allgemeinen bewaffneten Aufstand. Mit der Erhebung sollten die breiten Volksmassen mobilisiert, aber auch die von der Wehrmacht betriebene Strategie der Zerstörung aller Betriebe und der Infrastruktur verhindert werden. Weiter ging es darum, ganz Norditalien "mit einem Netz von Tausenden nationalen Befreiungskomitees" zu überziehen, auf die sich "die demokratische Regierung in Italien stützen" sollte.


Alliierter Befehlshaber wollte Aufstand verhindern

Der Befehlshaber der angloamerikanischen Alliierten in Italien, US-General Mark Clark, forderte am 13. April das Partisanenkommando jedoch auf, "alle Aufstandsinitiativen zu verschieben". Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die alliierten Truppen noch auf der Linie der deutschen Verteidigung, der sogenannten Gotenlinie zwischen Pisa und Rimini. Ziel war, zu verhindern, dass die mehrheitlich aus Kommunisten und Sozialisten bestehenden Partisanen-Einheiten vor dem Einrücken ihrer Truppen Norditalien befreien, örtliche Befreiungskomitees die Macht übernehmen und eine revolutionär-demokratische antifaschistische Umgestaltung einleiten konnten. Allein die kommunistischen Garibaldi-Brigaden der PCI zählten 155.000 der 256.000 Kämpfer der Partisanenarmee. Auch die meisten der 206.000 Mitglieder der örtlichen Aktionsgruppen der Partisanen (GAP) waren Kommunisten. Außerdem wollte General Clark den ungestörten Verlauf der im März in Bern begonnenen Gespräche des Chefs des CIA-Vorläufers Office of strategic Service (OSS), Allen Dulles, mit dem deutschen SS-Polizeichef in Norditalien, Obergruppenführer Karl Wolff, über eine separate Kapitulation der Wehrmacht in Norditalien sichern. Das Oberkommando der Wehrmacht beabsichtigte, in diesem Fall die in Italien stehenden Verbände gegen die in Österreich vorrückende Rote Armee einzusetzen. Die Partisanen wiesen die Forderung Clarks zurück. Luigi Longo, einer der beiden Befehlshaber der Partisanenarmee (der andere war der Sozialist Sandro Pertini) hatte dazu bereits vor Erlass der Aufstandsdirektive Forderungen des alliierten Kommandos zurückgewiesen, die Partisanen müssten sich an dessen Weisungen halten, und erklärt, "der italienische Befreiungskampf verfolge eigne Ziele und könne dem angloamerikanischen und russischen Krieg nicht restlos untergeordnet werden."

Der bewaffnete Aufstand begann dann planmäßig am 25. April. In Mailand, Turin, Genua, Bologna, Brescia, Padua, Udine, Venedig und weiteren Städten erhoben sich die örtlichen Partisanen-Einheiten, unterstützt von der Bevölkerung, und befreiten über 200 Städte noch vor dem Eintreffen der alliierten Truppen. Die örtlichen Komitees des CLNAI nahmen sofort als revolutionäre Machtorgane ihre Arbeit auf. In den Fabriken, die von den Unternehmensleitungen verlassen worden waren, bildeten Kommunisten und Sozialisten Fabrikräte, die die Leitung der Produktion übernahmen.


Partisanen nahmen 200.000 Wehrmachtsoldaten gefangen

Die Partisanenarmee griff zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von 400 km die Stellungen der Wehrmacht an, die zwischen Friuli und Carnia noch 19 Divisionen konzentriert hatte. In Genua ging der Ortskommandant der Wehrmacht, General Meinhold, mit 9.000 Mann in Gefangenschaft. Die Kapitulationsurkunde unterzeichnete als Vertreter des CLNAI der Arbeiter und Kommunist Remo Scappini. Am Fluss Piave legte am 27. April das X. Panzerkorps die Waffen nieder. Am 30. April nahmen Garibaldi-Brigaden am Monte Grappa 33.000 Soldaten gefangen. Insgesamt ergaben sich zwischen dem 25. April und dem 2. Mai, dem Tag des Inkrafttretens der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht in Italien, 200.000 deutsche Soldaten den Partisanen. Die Gefangenen wurden nach dem Eintreffen der alliierten Truppen diesen übergeben.


Befreiungskomitee übernahm die Macht

Mit Beginn des Aufstands begann die Befreiung Mailands. Den Angriff auf die Stadt, in der sich starke Kräfte der Wehrmacht, SS-Truppenteile und italienische Schwarzhemden mit dem "Duce" verschanzt hatten, führten 30.000 Partisanen. Mussolini, der am 18. April in Mailand eingetroffen war, erklärte, die Stadt "zum Stalingrad Italiens" zu machen. Während in Mailand schwere Kämpfe tobten, tagte in der Stadt die Vollversammlung des CLNAI und übernahm als von den Alliierten anerkanntes Organ der italienischen Einheitsregierung die Macht, rief den Ausnahmezustand aus, verkündete Justiz- und Regierungsdekrete, richtete Kriegsgerichte ein, forderte alle Faschisten zur bedingungslosen Kapitulation auf und verhängte gegen führende Faschisten, darunter Mussolini, Todesurteile.


Von Gerhard Feldbauer erschien zuletzt Die Resistenza. Italien im Zweiten Weltkrieg, PapyRossa Verlag, Köln 2014.

Zum Buch siehe auch die Rezension im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → Infopool → Buch → Sachbuch
REZENSION/631: Gerhard Feldbauer - Die Resistenza (Geschichte) (SB)

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2015

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