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BERICHT/042: Stefan Siegmund - Professur für dymamische Systeme (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 9 vom 20.05.2008

Die Dynamik von Hurrikanen erforschen
Mit Professor Siegmund sprach Annechristin Stein

Stefan Siegmund ist seit Februar 2008 Inhaber der Professur für dynamische Systeme an der TUD


UJ: Prof. Siegmund, seit Februar lehren Sie an der TU Dresden. Warum gerade die Stadt an der Elbe?

SIEGMUND: Im Allgemeinen folgt man ja einem Ruf und es ist nicht möglich, die Universität beliebig auszusuchen. In meinem Fall hatte ich aber das große Glück, den Ruf an die TU Dresden zu erhalten. Die anerkannt gute TU Dresden und die Stadt mit ihrer kulturellen Vielfalt und ihrem landschaftlichen Reiz standen auf meiner Wunschliste ganz oben. Ich schätze hier vor allem die guten Arbeitsmöglichkeiten. Für meine Forschungsprojekte möchte ich Beziehungen zum Max-Planck-Institut für die Physik komplexer Systeme und zu anderen technischen und angewandten Fachrichtungen, die hier angeboten werden, aufnehmen.

UJ: Mit welchen mathematischen Fragen beschäftigen Sie sich?

SIEGMUND: Ich forsche in vielen Bereichen, wie der Chaosforschung, der Regelung über das Internet oder an Modellen mit Zeitverzögerung. Ein greifbares Projekt ist die Erforschung von Dynamik in Wirbeln. Wenn zum Beispiel zwei Hurrikane aufeinandertreffen, gehen sie nach einiger Zeit ineinander über. Dieser Übergang ist noch immer nicht richtig geklärt. Mit Hilfe von Daten, wie denen vom Deutschen Wetterdienst, untersuche ich das Verschmelzen von zwei Wirbeln. Wir analysieren die Windgeschwindigkeiten in verschiedenen Luftschichten und erhalten so ein Mikroskop für die Feinstruktur der Dynamik. Wenn man diese Prozesse versteht, kann man auch Aussagen über Turbulenzen machen.

UJ: Viele Menschen können mit mathematischen Zusammenhängen nicht viel anfangen. Warum ist Mathematik trotzdem relevant?

SIEGMUND: Ich denke, dass ich an einer Technischen Universität die Relevanz von Mathematik nicht zu erklären brauche. Mathematische Modelle sind meist Grundlage für weitere Forschung und auch relevant für andere Fakultäten, zum Beispiel in der Mikroökonomie die Amoroso-Robinson-Gleichung, die eine Beziehung zwischen Preis, Umsatz und Nachfrage beschreibt. Mathematische Modelle helfen bei der Verbesserung und Optimierung von alltäglichen Problemen. Wenn wie in der Chaosforschung durch mathematisches Rechnen schöne bunte Bilder entstehen, ist dies natürlich eine gute Möglichkeit, Mathematik anschaulich zu vermitteln.

UJ: Was haben Sie sich für Ihre Arbeit in Dresden vorgenommen?

SIEGMUND: Natürlich bestehen meine Aufgaben in der Lehre und der Forschung. Gerade die Vermittlung von mathematischem Wissen für Studenten anderer Fachrichtungen ist für mich eine didaktische Herausforderung. Um die Bedingungen für meine Forschungstätigkeit zu verbessern, bin ich auf das Einwerben von Drittmitteln angewiesen. Neben den Drittmittelprojekten, die ich aus Frankfurt am Main mitgebracht habe, laufen Anträge und Gespräche mit möglichen Partnern zu vielen meiner aktuellen Forschungsprojekte. Zudem hole ich auch internationale Kollegen nach Dresden, wie mit einer Fachkonferenz im Herbst 2010, zu der wir etwa 700 Mathematiker erwarten. Ab Herbst dieses Jahres wird eine chinesische Professorin im Rahmen eines Humboldtstipendiums meine Forschergruppe zu Dynamischen Systemen erweitern. Zudem bin ich an der Entwicklung eines europäischen Master-Studiengangs für Industrial Mathematics beteiligt. Hier geht es darum, die Ausbildung in industrienaher angewandter Mathematik, die an der TU Dresden im Rahmen der Technomathematik ja schon eine gute Tradition hat, auf eine europäische Ebene zu heben. Dazu ist eine Konferenz im Herbst 2009 an der Fachrichtung Mathematik geplant. Für meine Arbeit hoffe ich auf Honorierung meines Engagements und Freiraum für meine Forschung. Das Potenzial an der Fachrichtung Mathematik ist hervorragend.

UJ: 2008 ist das Jahr der Mathematik. Machen Sie mit?

SIEGMUND: Sicher. Ich halte Vorträge an Schulen und zur langen Nacht der Wissenschaften. Ich bemühe mich auch, im Rahmen des Jahrs der Mathematik neue Aktivitäten zu entfalten, z.B. als wissenschaftlicher Berater beim MDR.


Aus der Vita von Prof. Siegmund

Studium der Mathematik mit Nebenfach Informatik und Promotion in Augsburg, danach zweijähriger Forschungsaufenthalt an amerikanischen Universitäten in Atlanta, Minneapolis, Berkeley und Boston, 2003 bis 2008 DFG-geförderte Nachwuchsgruppe an der Universität Frankfurt am Main im Rahmen des Emmy-Noether-Programms.

In einem Artikel im Auftrag der DFG für das "Spektrum der Wissenschaft" vom Januar 2006 kann man weitere Angaben über die Beziehung und Arbeiten zur Mathematik finden.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 9 vom 20.05.2008, S. 5
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2008