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AGRAR/1623: Umsetzung der EU-Agrarreform in anderen Mitgliedstaaten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 382 - November 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Andere kappen bei 150.000 Euro
Umsetzung der EU-Agrarreform in anderen Mitgliedstaaten

von Ulrich Jasper, Bundesgeschäftsführung AbL



Zu zentralen Brüsseler Reform-Vorhaben wie dem "gerechteren" und "grüneren" Einsatz der Gelder hat die EU den Mitgliedstaaten einen großen Freiraum zur konkreten Umsetzung eingeräumt. Die EU-Länder nutzen die Möglichkeiten unterschiedlich stark.


Staffelung bis Obergrenze

Laut einer vorläufigen Aufstellung von Copa-Cogeca (europäischer Dachverband von Bauernverbänden) führen mehrere Mitgliedstaaten eine absolute Obergrenze für die Basisprämien (ohne Greening) bei 150.000 Euro je Betrieb und Jahr ein: Belgien (im Landesteil Flandern), Irland, Griechenland, Österreich, Polen und Teile Groß-Britanniens (Nord-Irland). Weitere Staaten führen eine gestaffelte Kürzung ein, die je nach Höhe der Zahlungen die Beträge oberhalb 150.000 Euro um 5-100 Prozent kürzt, darunter Spanien, Italien, Ungarn und Groß-Britanniens (Wales, Schottland). Neun weitere Mitgliedstaaten kürzen oberhalb dieser Schwelle generell um fünf Prozent. Von den Ländern, die oberhalb 150.000 Euro in der einen oder anderen Weise kürzen, ziehen sechs Länder vor der Kürzung die konkreten Arbeitskosten der Betriebe kürzungsmindernd ab. Deutschland führt keine Kürzung oberhalb 150.000 Euro ein, sondern nimmt - wie Belgien (Wallonien), Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Litauen und Rumänien - eine Sonderregelung in Anspruch: Diese Länder führen einen Aufschlag für die ersten Hektare je Betrieb (sog. "Umverteilungsprämie") ein und kürzen dafür die Direktzahlungen aller (auch kleiner) Betriebe um mindestens fünf Prozent. Dann können sie zwar, müssen aber nicht eine zusätzliche Kürzung oberhalb 150.000 Euro vornehmen. Polen führt beides ein: Obergrenze und einen Aufschlag von 41 Euro/ha für die ersten 30 Hektare.


Aufschlag für erste Hektar

Auch zwischen den Ländern, die einen Aufschlag für die ersten Hektare einführen, gibt es wiederum Unterschiede. Während Deutschland dafür sieben Prozent der EU-Direktzahlungsmittel einsetzt, sind es in Belgien (Wallonien) 20 Prozent. Frankreich beginnt in 2015 mit fünf Prozent, überholt Deutschland 2016 mit 10 Prozent und setzt ab 2018 dann 20 Prozent hierfür ein. Litauen kommt auf 15 Prozent, Kroatien auf 10 Prozent und Rumänien auf 7,5 Prozent. Während die Höhe des Aufschlags in Deutschland etwa 50 Euro für die ersten 30 Hektar je Betrieb erreichen wird (und 30 Euro für weitere bis zu 16 ha), werden in Frankreich 100 Euro/ha für bis zu 52 Hektar je Betrieb erreicht.


Umschichtung in 2. Säule

Nach der Reform können die Mitgliedstaaten auch EU-Gelder zwischen den beiden Säulen umschichten: Alle Mitgliedstaaten können bis zu 15 Prozent der EU-Mittel, die ihnen für Direktzahlungen (1. Säule) zur Verfügung stehen, in die Programme zur Ländlichen Entwicklung (2. Säule) übertragen. Deutschland nutzt diese "Flexibilität zwischen den Säulen" und schichtet in den Jahren 2015-2019 jeweils 4,5 Prozent der ursprünglichen Direktzahlungsmittel in die zweite Säue um. England, Wales und Estland schichten spätestens ab dem Jahr 2018 die vollen 15 Prozent um. In Belgien werden (ab 2018) 10 Prozent, in Schottland (ab 2015) 9,5 Prozent und in Lettland (ab 2015) knapp 7,5 Prozent erreicht. Frankreich schichtet 3,3 Prozent um (ab 2015). Die Staaten dürfen aber auch umgekehrt umschichten, also mit EU-Mitteln der 2. Säule die Direktzahlungen erhöhen. Das nutzen laut Copa-Aufstellung Polen (25 %), Slowakei (21,3 %), Kroatien (15 %), Ungarn (15 %) und Malta (3,84 %).


Greening

Auch bei der Umsetzung des Greenings können die Mitgliedstaaten wählen. Laut einer Erhebung der EU-Kommission setzen 23 Mitgliedstaaten den Erhalt des Dauergrünlands auf nationaler Ebene um, vier auf regionaler Ebene und zwei (inkl. Deutschland) auch auf Ebene der Einzelbetriebe (einzelbetriebliche Genehmigungspflicht für Umwandlungen).

Als ökologische Vorrangflächen erkennen sechs Staaten nur 2-4 der nach EU möglichen 19 verschiedenen Flächenarten an; neun Länder bieten den Betrieben 5-9 und 13 Länder mehr als 10 Flächenarten an (Deutschland alle 19). Der Anbau von Leguminosen führt die Liste an: nur ein Land erkennt ihn nicht an, Zwischenfrüchte werden in sieben Mitgliedstaaten nicht anerkannt.

Fazit: Die vom scheidenden EU-Kommissar Dacian Ciolos angeschobene Reform bietet eine weit "gerechtere und grünere" Agrarpolitik als Deutschland umsetzt.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 382 - November 2014, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2015


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