Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → WIRTSCHAFT

AGRAR/1495: Der Nachbau der Anderen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 354 - April 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der Nachbau der Anderen
In Europa gibt es wenige und unterschiedliche Systeme in Sachen Nachbaugebühren

von Claudia Schievelbein



Vor dem Hintergrund, dass es über kurz oder lang für ganz Europa ein neues Saatgutrecht geben wird - das wurde durch den nun schon Jahre laufenden Evaluierungsprozess der EU-Kommission angeschoben - muss man die Nachbauregelungen in unseren Nachbarländern einmal näher betrachten. Nur in der Hälfte der Mitgliedsstaaten gibt es überhaupt eine nationale Gesetzgebung, je nachdem offenbar, wie viele und wie einflussreich die Züchter in den jeweiligen Ländern sind. Aber auch in Ländern mit einer vergleichsweise langen Tradition an Pflanzenzüchtung und einer durchaus vielfältigen Züchterlandschaft wie z. B. in Belgien, wurde erst im vergangenen Jahr eine Saatgutgesetzesnovellierung vorgenommen, die an die europäischen Vorgaben heranreicht. So wurden - wie schon Jahre vorher in Deutschland - dort bestimmte Züchterrechte gegenüber den Bauernrechten gestärkt und in dem Zusammenhang auch überhaupt erst eine Nachbauregelung eingeführt. Die Informationen über deren praktische Umsetzung sind mindestens widersprüchlich, scheinen alles in allem aber nicht wirklich zielführend im Sinne der Züchter zu sein. Auch weil es zumindest verhaltenen bäuerlichen Widerstand gibt.


Fairplay?

Wer sich hingegen schon seit Jahren damit rühmt, ein wirklich funktionierendes System eingeführt zu haben, sind Bauernverband und Züchtervereinigung in Großbritannien. Beide verhandeln offenbar jährlich neu die Gebührenhöhen für die jeweiligen Sorten, einige ältere Sorten gibt es auch, ohne dass Nachbaugebühren darauf erhoben werden. Von Anfang wurde großer Wert auf die Kommunikation untereinander nicht nur auf Verbandsebene gelegt, ein Beispiel dafür ist die Homepage: www.fairplay.org.uk. Auf dieser wird besonders der Gerechtigkeitsaspekt betont, man setzt auf Solidarisierung innerhalb der Landwirtschaft und mit den Züchtern. Man ziehe an einem Strang, finanziell arbeitsfähige Züchtungsunternehmen wirkten im Sinne der Bauern und Bäuerinnen und unter ihnen wiederum sollten alle ihren Beitrag leisten, nicht einige wenige für viele die Zeche zahlen. Angeblich führen diese Maßnahmen zu hohen Erfolgsraten, was die Durchsetzung der Nachbaugebühren anbetrifft. Sowieso wird der größte Teil der Gebühren direkt durch die Aufbereiter von Saatgut abgeführt, lediglich die Partien, die "direkt aus der Scheune" oder nach eigener Aufbereitung in der Drillmaschine landen, werden über einen Fragebogen abgefragt. Liest man Kommentare in der landwirtschaftlichen Presse, so scheint es nur mehr noch darum zu gehen, ob man das Nachbausaatgut dem Z-Saatgut vorzieht, weil die fälligen Lizenzgebühren halb so hoch sind. Es gibt durchaus Engagement für das Recht auf Nachbau, dass dafür Nachbaugebühren zu zahlen sind, scheint kaum (noch) jemand in Frage zu stellen.


Egalité?

Ein ganz anderes System hat sich in Frankreich etabliert. Dort wurde schon vor zehn Jahren zwischen Bauernverband und Pflanzenzüchtern die Vereinbarung getroffen, dass bei jeder angelieferten Tonne Konsumweizen 50 Cent Gebühren erhoben werden. Beim Kauf von zertifiziertem Saatgut bekommt der Käufer eine Gutschrift, so dass die 50‍ ‍Cent/t Nachbaugebühren durch die Hintertür sind. Warum es nur den Weizen trifft, wird damit begründet, dass Weizen am häufigsten von allen Ackerkulturen in Frankreich nachgebaut wird. Trotzdem liegt die Nachbaurate unter denen in Deutschland bei 30 Prozent, während bei uns immer noch zur Hälfte nachgebaut wird. Interessant ist, dass ein - wenn auch geringer Teil der so eingenommenen Gebühren (15 Prozent) nicht direkt an die Züchter gehen, sondern über einen Fonds ökologischen Pflanzenzüchtungsinitiativen zur Verfügung gestellt werden. Offenbar gibt es allerdings in Frankreich Bestrebungen, die Frage der Nachbaugebühren neu zu ordnen, wohl auch vor dem Hintergrund der europäischen Überarbeitungen.


Staatshilfe

Besonders gut funktionieren, vor allem im Sinne der Pflanzenzüchter, soll das System, das in Finnland zur Erhebung der Nachbaugebühren etabliert wurde. Zwar legt erst das nationale Sortenschutz-Gesetz von 2010‍ ‍fest, dass Bauern und Bäuerinnen über ihren Nachbau Auskunft geben und dann auch Zahlungsverpflichtungen nachkommen müssen. Dadurch aber, dass die staatlichen Organe der Agraradministration damit beauftragt sind, die Interessen der Züchter durchzusetzen, werden angeblich über 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe erfasst. Gleichzeitig ist der Verwaltungsaufwand für die Züchter äußerst gering, da die Landwirtschaftsämter vor Ort aufgrund der EU-Agrarpolitik sowieso über die relevanten Daten verfügen und diese auch weitergeben dürfen. Hinzu kommt wahrscheinlich der Effekt, dass bäuerlicher Widerstand durch den Umstand, dass hier eine privatwirtschaftliche Initiative mit staatlicher Administration durchgesetzt wird, kaum aufkeimt. Für die Züchter ist das sicherlich die bestechendste Lösung, signalisiert doch der Staat an der Stelle so unmissverständlich wie nirgendwo anders in Europa, dass Nachbaugebühren ein von offizieller Seite gewolltes Instrument der Züchtungsfinanzierung sind.


Auch Brüssel?

An der Stelle gilt es aus Sicht der Kritiker einer Schwächung des bäuerlichen Rechts auf Nachbau nun sehr aufmerksam zu sein. Schließlich sitzen in entscheidenden Positionen in Brüssel finnische Landsleute, die durchaus Ambitionen haben könnten, das bei ihnen zu Haus so gut funktionierende System europaweit zu installieren. Da ist zum einen Paivi Mannerkorpi, die Abteilungsleiterin für Saatgutangelegenheiten der Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz in der EU-Kommission, und zum anderen der EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Letzterer hat sich bislang noch nicht in der Angelegenheit hervorgetan, dürfte aber durchaus Interesse an dem Thema haben. Mannerkorpi ist längst damit befasst, eine neue Saatgutgesetzgebung zu entwickeln, wie sie zu Nachbaugebühren steht, hat sie noch nicht offiziell verraten.

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 354 - April 2012, S. 15
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2012