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AGRAR/1439: Kritischer Agrarbericht 2011 - Mehrheit für neue EU-Agrarpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 340 - Januar 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Mehrheit für neue EU-Agrarpolitik

Kritischer Agrarbericht 2011 sieht positive Zeichen aus Brüssel


Ein "positives Zeichen" sehen eine Vielzahl der Autoren und Autorinnen des im Januar erscheinenden Kritischen Agrarberichts 2011 (KAB11) in der im November vorgelegten Mitteilung der EU-Kommission zur zukünftigen Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik (GAP). Denn vieles von dem, was die Verbände auch des Agrar-Bündnisses seit Jahren fordern, hat dort Eingang gefunden. Positiv wird aus den Reihen des AgrarBündnis als Herausgeber des KAB11 auch gesehen, dass die Kommission die anstehende Reform der GAP "nicht allein mit Regierungen und einflussreichen Lobbyisten" debattiert, sondern der Zivilgesellschaft ein Forum gibt (z.B. per Internet und Konferenzen), ihre Meinung und Forderungen öffentlich sichtbar einzubringen.


Fair, ökologisch, zukunftsgerecht

Sichtbar wurde dabei insbesondere die Forderung nach einer stärkeren ökologischen Ausrichtung der Direktzahlungen sowie nach betrieblichen Obergrenzen für die Zahlungen und deren Verknüpfung mit Arbeitskräften. "Daran konnten wir nicht vorbeigehen", so ein Kommissionsbeamter. Gestützt wird diese Neuausrichtung der GAP auch durch eine repräsentative Bevölkerungsumfrage (Eurobarometer) in sämtlichen 27 EU-Staaten. Demnach befürwortet eine überwiegende Mehrheit der Befragten (85% oder mehr) die "neuen Ziele für die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung" wie beispielsweise die Erhaltung der Landschaft (93%), die Unterstützung der Bauern bei der Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels (89%), die gerechtere Verteilung der Direktzahlungen (88 %), sowie die finanzielle Unterstützung für Bauern davon abhängig zu machen, ob bestimmte Regeln des Umweltschutzes, der Nahrungsmittelsicherheit und der artgerechten Tierhaltung eingehalten werden (87%). Übertragen in die Worte des KAB11 lauten die Ziele zur Ausrichtung der zukünftigen GAP dementsprechend: fair, ökologisch, tier- und zukunftsgerecht.

Der KAB11 zeigt aber auch, wo die Defizite des Kommissions-Vorschlags liegen. So fehlt es beispielweise an klaren Aussagen zum Tierschutz und zur zunehmenden Industrialisierung in der Tierhaltung. Und die Kommission setzt weiterhin auf internationale Wettbewerbsfähigkeit und Exportorientierung ohne auch nur ein Wort über die Folgen zu verlieren. "Exportschlager Hunger", lautet dementsprechend der Titel eines KAB-Beitrags, der sich mit den Opfern der europäischen Agrarpolitik beschäftigt.

Noch mehr Hunger und Armut war auch die Folge der Finanzkrise, als Nahrungsmittel zum Spekulationsobjekt wurden und Agrarrohstoffe in die Fänge der Finanzmärkte gerieten. Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen. "Das Menschenrecht auf Nahrung ist keine Ware. Nahrungsmittel dürfen nicht zum Gegenstand spekulativer Geschäftsmodelle werden", stellt der Agrarbericht unmissverständlich fest und benennt konkrete Maßnahmen, mit denen vor allem die Grundnahrungsmittel für Entwicklungsländer dem unregulierten Zugriff der Märkte entzogen werden.


"Agrarpolitik geht alle an"

Der Schwerpunkt des KAB11 ist dem Thema "Vielfalt" (Biodiversität) gewidmet. Und hier wird der internationalen, europäischen und auch nationalen Politik im Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt 2010 ein vernichtendes Urteil über das Ergebnis ihres bisherigen Handelns ausgesprochen. Die Weltgemeinschaft (UN) verpflichtete sich 2002 im Rahmen der Konvention über die Biologische Vielfalt, den weltweiten Verlust von Arten, Lebensräumen und der genetischen Diversität bis 2010 zu senken. Die EU und mit ihr Deutschland hatten sich ein noch ehrgeizigeres Ziel gesteckt: eine Trendumkehr einzuleiten und den Verlust an Biodiversität zu stoppen. Beide Ziele wurden deutlich verfehlt. Es kam sogar zu einer Beschleunigung des Verlustes an biologischer Vielfalt. Trotz dieser "katastrophalen Bilanz" spricht der KAB11 von einem "Schicksalsjahr" für die Vielfalt, denn Hoffnung machte im Oktober die 10. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Biologischen Vielfalt in Nagoya. Dort "mündete das Versagen der bisherigen Politik in neuen, ambitionierten Beschlüssen und der politisch bekundeten Absicht, in den nächsten zehn Jahren doch noch eine Umkehr im ökologischen Abwärtstrend einzuleiten".

Eine Chance dazu bietet auch die anstehende EU-Agrarreform, so der KAB11. "Agrarpolitik geht alle an", lautet eine Botschaft des EU-Agrarkommissars Ciolos. "Es liegt nun an allen, den geöffneten Raum für Debatten und Vorschläge auch zu nutzen", heißt es im Kritischen Agrarbericht 2011, der einmal mehr umfangreich und fundiert eine Vielzahl von Anregungen auch dafür bereit hält.

FebL


Der kritische Agrarbericht 2011, 304 Seiten, Paperback, ISDN: 978-3-930-413-45-4, 22,- Euro

Der kritische Agrarbericht ist zu beziehen über den AbL-Verlag Bahnhofstraße 31, 59065 Hamm, Fax: 02381/492221


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 340 - Januar 2011, S. 20
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2011