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PARTEIEN/235: Sinn Féin und die DUP finden endlich zueinander (SB)


Sinn Féin und die DUP finden endlich zueinander

Der von Krisen gebeutelte Peter Robinson


Nach zehn langen Tagen zäher Verhandlungen, die mindestens einmal gänzlich zu scheitern drohten, haben sich die beiden größten Fraktionen der Allparteienkoalition Nordirlands, die probritisch-protestantische Democratic Unionist Party (DUP) und Sinn Féin, der politische Arm der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), die 2006 auf eine Fortsetzung des bewaffneten Kampfes verzichtet hatte, ihren Streit um die Rückübertragung der Verantwortung für das Justizwesen von London an Belfast, die Gleichstellung der gälischen Sprache mit dem Englischen und die Zusammenarbeit mit der Republik Irland im Rahmen des durch das Karfreitagsabkommen vom 1998 entstandenen Nord-Süd-Rates beendet und sich sogar auf die Schaffung eines neuen Mechanismus zur Beilegung der Dauerstreitereien um die Märsche des protestantischen Oranierordens durch katholische Wohngegenden verständigt. In der Tat könnte die Einigung von Hillsborough Castle, wo die Führer von Sinn Féin und DUP seit fast zwei Wochen zusammen kampiert hatten, einen Neubeginn im Verhältnis der vom früheren Haßprediger Ian Paisley gegründeten, radikalunionistischen Partei zu denjenigen, die während der sogenannten Troubles und auch lange danach als "Terrorpaten" beschimpft wurden, markieren.

Eher widerwillig und eigentlich nur unter dem Druck Dublins und Londons war die DUP, die sich durch ständige Nörgelei am Friedensprozeß zur stärksten protestantischen Kraft entwickelt hatte, 2007 eine Koalition eingegangen. Ihre Abneigung gegenüber einer Zusammenarbeit mit Sinn Féin führte schließlich zum politischen Stillstand, besonders nachdem 2008 Paisley die Parteiführung und den Posten des Ersten Ministers an seinen langjährigen Stellvertreter Peter Robinson abgab. Hatte sich der alternde Paisley in der Öffentlichkeit immerhin um einen freundschaftliches, joviales Verhältnis zum Stellvertretenden Ersten Minister, den Sinn-Féin-Vizepräsidenten und ehemaligen IRA-Kommandeur Martin McGuinness, bemüht, so brach mit Robinsons Übernahme der Führung von DUP und Regierung eine Mini-Eiszeit an. Dies läßt sich daran erkennen, daß der DUP-Chef erstmals die Hand McGuinness' schüttelte, als dieser ihm Mitte Januar, nach Bekanntgabe der Sex- und Korruptionsaffäre seiner Gattin und politischen Weggefährten Iris Robinson, Mut in schwierigen Zeiten zusprach.

In der Tat, als Robinson am heutigen Vormittag zusammen mit McGuinness sowie den britischen und irischen Premierministern Gordon Brown und Brian Cowen das Ergebnis der Verhandlungen von Hillsborough bekanntgab, schien er wie verwandelt zu sein. Verschwunden waren die deprimierten Augen und die gebeutelte Miene, die Robinson seit Publikwerden des Seitensprungs seiner Ehefrau und insbesondere seit dem Mini-Aufstand von 14 der 36 Abgeordneten der DUP in der nordirischen Versammlung am 1. Februar gegen die Einigung mit Sinn Féin gekennzeichnet hatten. Als McGuinness seine Stellungnahme zum Verhandlungsergebnis abgab, sich erneut zum Ziel der Wiedervereinigung Irlands bekannte und erneut den Willen Sinn Féins zur ehrlichen und respektvollen Zusammenarbeit mit den Anhängern der Union Nordirlands mit Großbritannien beteuerte, zeigte Robinson ein wohlwollendes, ja, geradezu freundliches Lächeln.

Ein wichtiger Grund für die Blockadehaltung der DUP der letzten Jahre war ihre Angst vor der neuen Splittergruppierung Traditional Unionist Voice (TUV), die seit ihrer Gründung 2007 der Partei Paisley und Robinson das eigene Klientel, engstirnige Protestanten, die jedes Zugeständnis an die katholische Bevölkerung Nordirlands und jede Zusammenarbeit mit der Republik im Süden ablehnen, zum Teil abjagt. Im Mai stehen Wahlen zum britischen Unterhaus an. Die DUP muß wegen des Aufkommens der TUV, der Negativschlagzeilen um Iris Robinson, die inzwischen von allen politischen Ämter - Sitzen im britischen Parlament, in der nordirischen Versammlung sowie im Stadtrat des Belfaster Viertels Castlereagh - zurückgetreten ist und der ihr zu Last gelegten, allgemeinen Unzufriedenheit mit der Arbeit der Koalition mit Sinn Féin schmerzhafte Verluste befürchten. Bei den letzten britischen Unterhauswahlen gewann die DUP neun Sitze, die gemäßigte Ulster Unionist Party (DUP) einen, Sinn Féin fünf und die gemäßigte, katholisch-nationalistische Social Democratic Labour Party (SDLP) drei. Einen so eindeutigen Sieg im unionistischen Lager wird diesmal die DUP nicht erzielen. Derzeit stehen sie, die UUP und die TUV, in Umfragen - bezogen auf die Absichten protestantischer Wähler - alle bei rund 30 Prozent.

Wenn vielleicht auch nicht so groß wie im katholisch-nationalistische Lager, gibt es auch im unionistischen eine Mehrheit, die vom konfessionellen Stellungskrieg endlich weg will. So seltsam wie es klingen mag, haben dies die loyalistischen Paramilitärs früher als die unionistischen Politiker erkannt. Zwei Tage, nachdem die DUP-Rebellen Robinson die Gefolgschaft wegen ihrer Unzufriedenheit mit dem Verhandlungsergebnis fast aufgekündigt hatten, lieferte die in Dublin erscheinende Irish Times in ihrer Ausgabe von 4. Februar einen starken Ausdruck dieses Willens zur Versöhnung auf protestantisch-unionistischer Seite. Es handelte sich um das Foto einer schwarz bemalten Mauer in einem "loyalistischen" Belfaster Arbeiterviertel, auf der in weißen Buchstaben geschrieben stand: "The Government And Our People Wanted Peace! This Was Delivered! So Don't Disrupt Our Present And Future By Digging Into The Past!" ("Die Regierung und Unser Volk wollten Frieden! Der wurde geliefert! Also störe nicht unser Gegenwart und unsere Zukunft durch Wühlen in der Vergangenheit!")

Durch die Einigung von Hillsborough Castle eröffnet sich Robinson die Möglichkeit, sich und die DUP als diejenigen zu positionieren und im bevorstehenden Wahlkampf zu verkaufen, die gegenüber Sinn Féin, Dublin und London am effektivsten die Interessen der Protestanten Ulsters vertreten können. Zwar hat die DUP der Forderung Sinn Féins nach Rückübertragung der Polizeigewalt an Belfast bei gleichzeitiger Gründung eines nordirischen Innen- und Justizministeriums nachgeben müssen - dies wird bis zum 12. April erfolgen -, dafür kann sie die Gründung einer sechsköpfigen Arbeitsgruppe vorweisen, die im Auftrag von Robinson und McGuinness innerhalb von drei Wochen neue Vorschläge zur Lösung der Dauerdisputen um die Routen bestimmter Oranierumzüge erarbeiten soll. Auf der Basis jener Vorschläge soll ein neues Gesetz verabschiedet werden, das den neuen Mechanismen Kraft verleihen und die bisherige Parades Commission, welche aus Sicht der Oranier zuviel Rücksicht auf die Wünsche der katholischen Anwohner der Umzugsrouten genommen hatte, ablösen soll. Es werden weitere Arbeitsgruppen gebildet, bestehend aus Parlamentsabgeordneten, die sich der Verbesserung des Koalitionsklimas und der Beilegung des Konflikts um die gälische Sprache, die kontroversen Bildungsreformpläne der Sinn-Féin-Ministerin Catriona Ruane und die Zusammenarbeit mit Dublin im Rahmen des Nord-Süd-Rats, kümmern sollen.

Inwieweit alle DUP-Politiker den Deal mit Sinn Féin mittragen werden, ist unklar. Presseberichten zufolge haben die beiden Anführer des parteiinternen Aufstands vom 1. Februar, Nigel Dodds und Gregory Campbell, ihren Widerstand gegen die Einigung aufgegeben, nachdem sie der britische Nordirlandminister Sean Woodward hinter verschlossenen Türen in Hillsborough Castle bearbeitet hatte. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob es unter den DUP-Abgeordneten im britischen Parlament nicht welche gibt, die aus Angst vor einer eventuellen Verlust ihres Sitzes bei den Wahlen im Mai die Robinson-Linie aufkündigen und entweder innerhalb der DUP gegen das Hillsborough-Abkommen opponieren oder ganz zur TUV überwechseln. Fest steht, daß die TUV weiterhin Stimmung gegen die DUP wegen ihrer fortgesetzen Teilnahme an der Allparteienregierung zu machen versuchen wird. In einer ersten Reaktion auf das große Kompromißpaket bezichtigte der TUV-Gründer Jim Allister die ehemaligen Parteikollegen, sich über den Tisch ziehen gelassen zu haben, und beschimpfte sie als Schneemänner, die aus Angst vor Sinn Féin, Dublin und London dahingeschmolzen seien.

5. Februar 2010