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PARTEIEN/231: Polizeiermittlungen gegen Iris Robinson eröffnet (SB)


Polizeiermittlungen gegen Iris Robinson eröffnet

Nordirlands Unionisten suchen bei den britischen Tories Hilfe


In Nordirland beherrscht die Sex- und Korruptionsaffäre um Iris Robinson, Ehefrau von Peter Robinson, dem Vorsitzenden der in Belfast zusammen mit der katholisch-nationalistischen Sinn Féin regierenden, protestantisch-probritischen Democratic Unionist Party (DUP), die Schlagzeilen. Wie am 21. Januar offiziell bekanntgegeben wurde, hat die auf organisierte Kriminalität spezialisierte Abteilung des Police Service of Northern Ireland (PSNI) Ermittlungen gegen Frau Robinson aufgenommen, die sich seit dem Publikwerden ihrer Affäre mit dem fast 30 Jahre jüngeren Kirk McCambley, dem sie vor zwei Jahren durch Ausnutzung ihrer politischen Kontakte zu einer Karriere als Cafébetreiber verhalf, in psychiatrischer Behandlung befindet.

Hatte man gehofft, die Probleme der Familie Robinson könnten die DUP dazu veranlassen, doch noch einen Kompromiß mit Sinn Féin zu finden, der den lähmenden politischen Streit um die Rückübertragung der Polizeigewalt von London an Belfast beendet, so scheint inzwischen das Gegenteil der Fall zu sein. Gemeinsam mit der Ulster Unionist Party (UUP) suchen die politischen Erben Ian Paisleys bei den britischen Konservativen ihr Heil. Der Grund für die unionistische Flucht nach vorne ist einfach. Spätestens im Mai müssen die Wahlen zum britischen Unterhaus abgehalten werden. Demoskopen sagen einen denkbar knappen Sieg der Tories unter David Cameron gegen die derzeit regierenden Sozialdemokraten um Premierminister Gordon Brown bzw. ein Parlament, in dem keine der beiden großen Parteien eine Mehrheit bildet, voraus. Offenbar wollen die Unionisten sich - wie zuletzt John Major - als Mehrheitsbeschaffer anbieten. Der Lohn dafür dürfte, wie so oft in der Vergangenheit, Rückendeckung für ihre übliche Blockadehaltung sein.

Für Iris Robinson dürfte es, sobald sie sich halbwegs wieder geistig stabilisiert hat, unangenehme Fragen seitens der Polizei zu beantworten geben. Dem Bericht der Spotlight-Redaktion von BBC Northern Ireland zufolge, der am 5. Januar ausgestrahlt wurde, hat im Sommer 2008 die Ehefrau des damals noch amtierenden Ersten Ministers Nordirlands von den 50.000 Pfund (umgerechnet 80.000 Euro), die sie von den beiden mit ihr befreundeten Bauunternehmern Fred Fraser und Kenny Campbell erhalten hat, um ihrem Toyboy beim Karrierestart zu helfen, 5000 Pfund sozusagen als Provision eingestrichen. Weder diese Handlung, noch ihre Freundschaft zu McCambley hat sie publik gemacht, als sie sich im selbem Sommer als Mitglied des Kommunalrats von Castlereagh im Südosten Belfasts bei der Entscheidung zur Vergabe des öffentlichen Auftrags zum Vertrieb des in einem Naturpark liegenden Cafés für ihren damals 19jährigen Liebhaber einsetzte und diesem zum Sieg bei der Ausschreibung verhalf.

Ende 2008, Anfang 2009, als die Romanze auseinanderging, Peter Robinson davon erfuhr und auf eine schnellstmögliche Rückzahlung der Gelder an die beiden Bauherrn bestand, war der eine, Fred Fraser, inzwischen verstorben. Deshalb soll Iris Robinson ihren Ex-Paramour gebeten haben, die Hälfte der Gesamtsumme - 25.000 Pfund - der Kirche zu spenden, die sie und ihr Mann jeden Sonntag zum Gottesdienst aufsuchen und in der ausgerechnet ihre eigene Schwester die Pastorin ist. Angesichts solcher Heuchelei ist es kein Wunder, daß sich vor wenigen Tagen Nordirlands Homosexuelle, deren Lebensstil Frau Robinson vor zwei Jahren in einem Radiointerview als "Abscheulichkeit" verdammte, mit dem Hinweis zu Wort meldeten, wonach in dem von ihr damals zitierten Buch Leviticus in der Bibel auch auf Ehebruch die Strafe Tod durch Steinigen steht.

Inzwischen ist Iris Robinson, die neben der Position als Kommunalrätin auch Abgeordnete der nordirischen Versammlung und des britischen Unterhauses war, von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Das bringt große Probleme für die DUP mit sich, denn Frau Robinson war eines ihrer wichtigsten Zugpferde. Fänden demnächst Wahlen in Nordirland statt, könnten sich die Democratic Unionists auf schmerzhafte Verluste gefaßt machen. Diese Lage war es, welche viele politische Beobachter sich zu der Hoffnung versteigen ließ, bei den Krisenverhandlungen zwischen DUP und Sinn Féin würden erstere einlenken, um einen Bruch der Koalition zu verhindern und Neuwahlen zur nordirischen Versammlung zu verhindern. Diese Rechnung scheint nicht aufgegangen zu sein. Nach tagelangen, unproduktiven Gesprächen hat Sinn Féin aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit der Kompromißunwilligkeit der DUP für den 23. Januar eine Sondersitzung des Parteivorstandes anberaumt, die mit einer Entscheidung zum Auszug aus der Koalition enden und damit zu Neuwahlen führen könnte.

Mehr als Neuwahlen fürchtet die DUP von der neuen Splitterpartei Traditional Unionist Voice zur Umfallerin gegenüber den Forderungen der Sinn Féin abgestempelt zu werden. Gerade dieser Taktik hat sie sich selbst jahrelang bedient und damit die Ulster Unionists um David Trimble von ihrer Position als stärkste protestantische Partei verdrängt. Deswegen fordern die Männer und Frauen um Peter Robinson die Abschaffung der Parades Commission, die wegen der Verhängung von Verboten und Umleitungen zahlreicher Oranier-Märsche den unionistischen Hardlinern ein Dorn im Auge ist, als Gegenzug für die Rückübertragung der Polizeigewalt und die Neugründung eines nordirischen Innenministeriums. Für Sinn Féin, die wegen ihrer Bereitschaft, die neuen Strukturen in Nordirland mitzutragen, seitens der eigenen republikanischen Hardlinern viel Kritik einstecken muß, ist die Erfüllung jener Forderung völlig inakzeptabel.

Presseberichte, wonach führende Vertreter der DUP und UUP am letzten Wochenende auf dem Landsitz von Lord Salisbury, Hatfield House in der englischen Grafschaft Hertfordshire, Gespräche mit Owen Patterson, dem Nordirland-Sprecher der oppositionellen britischen Konservativen, führten, lassen erkennen, woher der Wind weht. Es wird keinen Deal in der Frage der Polizeigewalt geben - obwohl sich die DUP dazu 2006 verpflichtete, sollten sich im Gegenzug die Republikaner zur Zusammenarbeit mit dem PSNI bereiterklären, was diese 2007 auch taten. Statt dessen läuft alles auf Koalitionsbruch und Neuwahlen zur nordirischen Versammlung hinaus, die dann ziemlich zeitnah bzw. eventuell zeitgleich mit den Wahlen zum britischen Unterhaus im Frühjahr stattfänden. Deshalb schmieden die Unionisten mit den Tories bereits jetzt irgendeine Art von Abmachung, welche die Aufsplittung der protestantischen Wählerstimmen verhindern und auf die Weise dafür sorgen soll, daß Sinn Féin nicht stärkste politische Partei in Nordirland wird. Gelänge dies der Partei von Gerry Adams und Martin McGuinness, hätte sie im nordirischen Parlament Anspruch auf den Posten des Ersten Ministers - das für die Unionisten wahrhaftige Doomsday-Szenario, das deshalb mit allen Mitteln verhindert werden muß!

22. Januar 2010