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GRUNDRECHTE/004: Der europäische Weg zur Knechtschaft (Sozialismus)


Sozialismus Heft 7-8/2008

Der europäische Weg zur Knechtschaft
Wie der Europäische Gerichtshof das Streikrecht aushebelt und sozialpolitische Handlungsspielräume einengt

Von Klaus Dräger und Janeta Mileva


Das irische Referendum vom 12. Juni 2008 zum Vertrag von Lissabon endete mit einem Paukenschlag: fast 54% der Wählerinnen und Wähler stimmten mit "Nein". Die "Post-Maastricht-Krise" der Europäischen Union geht somit in eine neue Runde. Die großen irischen Gewerkschaftsverbände rechtfertigten ihre Kampagne für das "Nein" unter anderem mit den jüngsten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seit Dezember 2007, die eine Begrenzung des Streikrechts und der Tarifvertragsfreiheit mit dem Schutz der unternehmerischen "Grundfreiheiten" des Europäischen Binnenmarkts begründeten.


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Diese hatte auch der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, moniert: "Das hat eine neue Dimension, die für uns Gewerkschaften grundlegende Fragen auf wirft. Das ist nicht das Europa, das wir wollen." (publik 05/2008) Zudem legte der EuGH die EU-Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern aus. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer dazu: "Das ist praktisch eine Einladung zum Lohndumping durch den Einsatz entsandter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen - und zwar überall dort, wo es keine gesetzlichen Mindestlöhne oder allgemeinverbindlichen Tarifverträge gibt" (ebd.).

Der EuGH entschied bisher in drei ihm zur Prüfung vorgelegten Rechtssachen.

- Viking Line: Das finnische Unternehmen betreibt die Fähre Rosella, die zwischen Helsinki und Tallinn pendelt. Sie sollte nach Estland "ausgeflaggt" werden, damit Viking Line nicht länger finnische Tariflöhne bezahlen muss und eine "billigere" estnische Besatzung einstellen kann. Dagegen drohte die Finnische Seeleute-Gewerkschaft FSU Arbeitskampfmaßnahmen an. Sie wurde dabei von der Internationalen Transportarbeiterföderation ITF im Rahmen ihres Kampfes zur Verhinderung von Ausflaggungen in Billiglohnländer tatkräftig unterstützt. Die Gewerkschaften forderten, im Falle einer Umflaggung sei das finnische Recht weiter zu beachten, die finnische Besatzung nicht zu entlassen und ein Tarifvertrag nach finnischem Recht abzuschließen. Viking beantragte gegen beide Gewerkschaften am Londoner Sitz der ITF eine Unterlassungsverfügung. Der EuGH urteilte am 11.12.2007 (C-438/05), dass in diesem Fall Arbeitskampfmaßnahmen die von Artikel 43 EG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit für Unternehmen beeinträchtigen würden und im Streit um die Ausflaggung eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellten.

- Laval: Die schwedische Gemeinde Vaxholm hatte die lettische Firma Laval mit der Renovierung eines Schulgebäudes beauftragt. Laval war nicht bereit, für die Arbeit vor Ort schwedische Tariflöhne zu zahlen. Deshalb blockierten die schwedischen Gewerkschaften die Baustelle, um die lettische Firma zu Verhandlungen über eine Kollektivvereinbarung zu bewegen. Der EuGH urteilte am 18.12.2007 (C-341/05), dass in diesem Fall die gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen die von Artikel 49 EG-Vertrag garantierte Dienstleistungsfreiheit behindern würden und deshalb unzulässig seien. Weiter urteilte er, dass von einem Entsendeunternehmen im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs nicht mehr verlangt werden dürfe, als Mindestlöhne zu zahlen.

- Rüffert: Das Unternehmen "Objekt und Bauregie GmBH & Ko. KG" hatte im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung des Landes Niedersachsen den Zuschlag erhalten, Rohbauarbeiten beim Bau der Justizvollzugsanstalt Göttingen-Rosdorf durchzuführen. "Objekt und Bauregie" beschäftigte dabei ein polnisches Subunternehmen. Dieses zahlte seinen auf der Baustelle eingesetzten Arbeitern nur rund 47% des für allgemeinverbindlich erklärten deutschen Bau-Mindestlohns. Das niedersächsische Vergabegesetz schreibt bei öffentlichen Aufträgen aber vor, Entgelte zu zahlen, die mindestens den Regelungen der örtlich geltenden Branchentarifverträge entsprechen. Deshalb kündigte das Land den Werkvertrag mit dem Generalunternehmer "Objekt und Bauregie", zog vor Gericht und forderte Schadenersatz. Das OLG Celle setzte das Verfahren aus und ersuchte den Europäischen Gerichtshof festzustellen, ob das Landesvergabegesetz mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Der EuGH entschied am 3.4.2008 (C-346/06), dass in diesem Fall die Tariftreuevorschriften des niedersächsischen Vergabegesetzes eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen und gegen die EU-Entsenderichtlinie verstoßen.


Fortsetzung folgt ...

Und die Welle geht weiter: Am 19. Juni 2008 entschied der EuGH über die Klage der Europäischen Kommission gegen Luxemburg (C-3 19/06) in Sachen EU-Entsenderichtlinie.(1) Luxemburg wird vorgeworfen, zu weit gehende Anforderungen an Entsendeunternehmen aus dem EU-Ausland zu stellen. Darf Luxemburg von diesen verlangen, seine nationalen gesetzlichen Bestimmungen zum schriftlichen Arbeitsvertrag, zur Indexierung, zur Teilzeitarbeit und zu Zeitverträgen einzuhalten? Der Fall betrifft überdies eine Reihe von Vorschriften, die effektive Kontrollen der Entsendeunternehmen vor Ort erleichtern sollen - z.B. die Auflage, dass das Unternehmen einen Bevollmächtigten in Luxemburg benennen muss, bei dem die einschlägigen Unterlagen eingesehen werden können.

Die Europäische Kommission hatte bereits in ihren "Leitlinien" zur EU-Entsenderichtlinie deutlich gemacht, dass eine Reihe solcher Kontrollvorschriften abgeschafft werden müssten. Das Plädoyer der Generalanwältin folgt der Kommissionsklage in vielen Punkten und liegt auf der Linie der Rechtsprechung zu Viking Line, Laval und Rüffert. Pikant ist, dass die Urteilsverkündung eigens von Mai auf den 19. Juni 2008 verschoben wurde, um vor dem irischen Referendum nicht für noch mehr Unruhe zu sorgen.

Zur Thematik der EuGH-Urteile passt auch die Beschwerde des holländischen Postdienstleisters TNT gegen den Postmindestlohn in Deutschland. TNT und die PIN AG hatten bereits vor einem deutschen Gericht gegen diesen geklagt und in erster Instanz Recht bekommen. Nun wird in der nächsten Instanz verhandelt.

TNT hatte im März 2008 aber auch eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Der deutsche Postmindestlohn sei zu hoch. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat diese Beschwerde bereits zustimmend aufgegriffen und die Bundesregierung zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Fällt diese nach Meinung der Europäischen Kommission nicht zufriedenstellend aus, so könnte sie auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem EuGH anstrengen. Dann würde der EuGH z.B. prüfen, ob der zwischen Deutscher Post AU und ver.di geschlossene und als allgemeinverbindlich erklärte Postmindestlohn von 9,80 Euro "verhältnismäßig" ist - gegenüber dem 7,50 Euro Mindestlohn, den TNT seinen Beschäftigten in Deutschland zahlt. Das Unternehmen argumentiert: Wenn es gezwungen sei, einen höheren Mindestlohn als 7,50 Euro zu zahlen, müsse es seine Aktivitäten in Deutschland aufgeben. Dies schränke sein vom EG-Vertrag garantiertes Recht auf Niederlassungsfreiheit ein. Ferner stelle der geltende Mindestlohn von 9,80 Euro eine Wettbewerbsbeschränkung dar, um die marktbeherrschende Stellung der Deutschen Post AU gegenüber ihren Konkurrenten zu sichern. Dies sei mit dem vollständig liberalisierten EU-Postdienstleistungsbinnenmarkt nicht vereinbar.

Der EuGH hat sich in den bisherigen Urteilen bloß auf den geltenden EG-Vertrag berufen und z.B. die bereits geltende EU-Dienstleistungsrichtlinie für seine Argumentation gar nicht herangezogen. Der Vertrag von Lissabon enthält in den hier relevanten Bestimmungen zu Binnenmarkt und Wettbewerb keinerlei Änderungen gegenüber dem geltenden EG-Vertrag. Es geht also in der Tat um "grundlegende Fragen".


Fehlende EU-Kompetenz zum Streikrecht: "Das bedeutet aber nicht ..."

Artikel 137 Absatz 5 des EG-Vertrags klammert das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht aus dessen Anwendungsbereich aus. In den Urteilen entwickelt der EuGH aber eine Argumentation, warum der EG-Vertrag dennoch auf diese klar ausgeklammerten Bereiche Wirkung entfaltet. Im Viking Line Urteil (C-438-05, Rn. 46) hält er fest: "Allerdings hat der Gerichtshof in den Urteilen Schmidberger und Omega entschieden, dass die Ausübung der dort betroffenen Grundrechte, nämlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der Menschenwürde, nicht außerhalb der Bestimmungen des Vertrags liegt und dass sie mit den Erfordernissen hinsichtlich der durch den Vertrag geschützten Rechte in Einklang gebracht werden und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen muss."

Dies gelte auch insbesondere in Bezug auf das Binnenmarkts- und Wettbewerbsrecht und die Verpflichtung zur Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Die rechtlichen Hebel, mit denen das Gemeinschaftsrecht Einfluss auf die nationalstaatlichen Arbeitsbeziehungen ausübt, sind somit gerade nicht "soziale Rechte", sondern die fundamentalen unternehmerischen Grund- und Marktfreiheiten des Europäischen Binnenmarkts. Die Grundfreiheiten hätten laut EuGH direkte und horizontale Wirkung nicht nur für die Mitgliedstaaten, die den Vertrag geschlossen haben und deshalb durch ihn gebunden seien, sondern auch für private Akteure wie die Gewerkschaften. Das Verbot, die unternehmerischen Grundfreiheiten des Binnenmarktes anzutasten, gelte "insbesondere für alle Verträge (...), die die abhängige Erwerbstätigkeit kollektiv regeln sollen" (C-438-05, Rn. 56-66).

Der EuGH hält zwar erstmals fest, dass das "Recht auf Durchführung einer kollektiven Maßnahme einschließlich des Streikrechts" ein Grundrecht sei, "das fester Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist" (C-438- 05 Rn. 44).

Er erkennt auch an, dass "der Grundrechtsschutz ein berechtigtes Interesse ist, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung der Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem Gemeinschaftsrecht, auch kraft einer durch den EG-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit [...] bestehen" (C-438-05 Rn. 45). Und er räumt ein, dass auch der Schutz der unternehmerischen Grundfreiheiten gegen die Ziele der Sozialpolitik (Artikel 2 und Artikel 136 Absatz 1 EG-Vertrag) abgewogen werden müsse - und zwar nach den Grundsätzen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Könnten die mit einer kollektiven Aktion angestrebten Ziele mit "milderen" Mitteln und Maßnahmen erreicht werden, so ergäben sich Gründe für eine Beschränkung der Aktionen.

Bemerkenswert ist aber auch, dass die Berufung auf die Sozialpolitik der Gemeinschaft dem EuGH dazu dient, Arbeitskampfrecht und Tarifautonomie als eigenständige Zwecke beiseite zu schieben. Der EuGH betrachtet das Recht auf Durchführung kollektiver Maßnahmen (Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, Autonomie der Gewerkschaften), "lediglich als Mittel und Instrument zum Schutz der Arbeitnehmer" (Kocher 2008).

Ergebnis dieser Abwägung zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten, Grundfreiheiten und den Zielen der Sozialpolitik und der Prüfung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit(2) war in den vorliegenden Fällen stets: Die Arbeitskampfmaßnahmen verletzen die unternehmerischen Grundfreiheiten und sind mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.


Grundfreiheiten und Grundrechte: die fundamentale Schieflage des Gemeinschaftsrechts

Das Laval-Urteil verlangt von Schweden nicht weniger, als sein bisheriges nationales Modell industrieller Beziehungen aufzugeben, weil dieses mit der EU-Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern nicht vereinbar sei. Als Schweden 1995 der EU beitrat, hatte diese noch versichert, dass das nordische Modell der Kollektivverhandlungen durch das EU-Recht nicht angetastet würde. Artikel 6 des geltenden Vertrags über die Europäische Union bestimmt, dass die Union "die nationalen Identitäten ihrer Mitgliedstaaten respektiert" - die Rechtsprechung des EuGH kümmert dies nicht weiter.

Des Pudels Kern liegt aber hier: Ist es überhaupt statthaft, eine Abwägung zwischen Grundrechten und unternehmerischen Grundfreiheiten zu fordern?

Als sich der EuGH in den 1950er Jahren zum ersten Mal mit der Wahrung der Grundrechte auseinanderzusetzen hatte, lehnte er es kategorisch ab, sich mit dieser Frage zu befassen. Die Begründung: Der Gerichtshof sei für die Auslegung nationalstaatlicher Grundrechte nicht zuständig (EuGH, Rs. 1/58, Slg. 1958/59, 43, 64). In der Zwischenzeit hat der EuGH seine zurückhaltende Position revidiert und - wie es in der juristischen Sprache heißt - mit seiner judikativen Rechtsfortbildung, also durch Richterrecht, ein europäisches Grundrechtsschutzsystem entwickelt. Dieses Grundrechtsschutzsystem ist jedoch alles andere als grundrechtsfreundlich.

Zunächst ist evident, dass die "Entschlossenheit" des EuGH, seine Kompetenz zur Wahrung des Rechts (Art. 224 EGV) auch in punkto Grundrechtsschutz auszuüben, unmittelbar aus der Entwicklung seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten des Gemeinsamen Markts bzw. später des europäischen Binnenmarkts resultiert.

Um die steigende Intensität der gemeinschaftlichen (nichtstaatlichen) Hoheitsgewalt zu legitimieren, ordnete der EuGH 1969 in seiner Entscheidung "Stauder" die Grundrechte als "allgemeine Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung" ein, "deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat" (EuGH, Rs. 29/69, Slg. 1969, 419, Rn. 7). Die Grundrechte wurden so auf europäischer Ebene zu "allgemeinen Rechtsgrundsätzen" herabgestuft.

In seiner Entscheidung "Nold" stellt der EuGH zudem klar, dass diese Rechte (in diesem Fall ging es um Eigentumsrecht und Berufsfreiheit) "aber weit davon entfernt" seien, uneingeschränkten Vorrang zu genießen (EuGH, Slg. 1974, 491, 507). Damit war die nächste Präzisierung erfolgt: Auch wenn ein Grundrecht von den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten geschützt ist, soll es auf europäischer Ebene eingeschränkt werden können. Denn die Gewährleistung der Grundrechte muss sich nach EuGH "in die Struktur und die Ziele des Gemeinschaftsrechts" einfügen (Internationale Handelsgesellschaft, EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, 1125, 1135).

Dieses Grundrechtsverständnis des EU-Richterrechts wurde mit dem Vertrag von Maastricht (1992) in Art. 6 Abs. 2 EUV kodifiziert. Die Grundrechte, die die Union demnach achtet, sind nicht mit den Grundrechten der Mitgliedstaaten identisch, sondern lediglich an ihnen orientiert. Sie haben sich nach den Zielen der Union zu richten, unter denen die Schaffung des Binnenmarktes eine zentrale Stellung einnimmt.

Im Unterschied zu den Grundrechten waren die Grundfreiheiten von Anfang an Bestandteil der Gemeinschaftsverträge. In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH werden sie nach herrschender Meinung in der Rechtsliteratur einheitlich als Grundrechte (Freiheits-, Gleichheits- oder grundrechtsähnliche Rechte) umgedeutet. Der EuGH hat explizit die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Unectef, EuGH, Rs. 222/86, Slg. 1987, 4097, Rn. 14f.) und die Inländerbehandlung aufgrund der Niederlassungsfreiheit (Reyners, EuGH, Rs. 2/74, Slg. 1974, 631, 652) als Grundrechte bezeichnet.

In seiner neueren Rechtsprechung hat er anerkannt, dass es sich bei diesen Grundfreiheiten auch um subjektive Rechte handelt. Die Grundfreiheiten werden also zum einen als (geschriebene zwischenstaatliche) Grundrechte qualifiziert. Sie sind dabei als subjektive Rechte einklagbar, die nicht nur für natürliche, sondern auch für juristische Personen gelten. Zum anderen werden sie gegen die (nicht geschriebenen) Grundrechte abgewogen, die allerdings lediglich als nicht justiziable "allgemeine Rechtsgrundsätze" in der EU-Rechtsordnung in Betracht gezogen werden.


Grundrechte, Grundfreiheiten und nationale Verfassungsordnungen

In den Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten stehen hingegen die Grundrechte als höchstes Rechtsgut an der Spitze der Normenhierarchie. Im Rahmen der Rechtsordnung der EU werden die Grundrechte dagegen in ein hierarchisches Verhältnis mit den Grundfreiheiten gestellt. Die Grundfreiheiten, die zur Durchsetzung des Binnenmarktes als "tragender Grundsatz" der EU dienen (Schmidberger, EuGH, Rs. 112/00, Als. 2003, I-5659, 5713, Rn. 54), haben ein höheres Gewicht als die Grundrechte, die lediglich als "allgemeine Rechtsgrundsätze" vertragliche Geltung beanspruchen können.

Welche Dimension die Relativierung der Grundrechte auf europäischer Ebene tatsächlich erfährt, lässt sich anhand des seit den 1960er Jahren vom EuGH bekräftigten absoluten Vorrangs des europäischen Rechts vor dem Recht der Mitgliedstaaten erkennen. Eine Verwerfungskompetenz gegenüber den gemeinschaftswidrigen nationalen Gesetzen hat der EuGH zwar nicht, er braucht sie aber auch nicht. Denn alle nationalen Rechtsvorschriften inklusive der nationalen Verfassungen und der in ihnen enthaltenen Grundrechte, die dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehen, sollen laut EuGH in Kollisionsfällen nicht anwendbar sein.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich lange Zeit geweigert, den absoluten Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem deutschen Grundgesetz und damit seine eigene Ohnmacht anzuerkennen (Solange-I-Entscheidung 1974). Von dieser Haltung ist es schrittweise abgerückt und sah sich im Maastricht-Urteil 1993 schließlich in einem "Kooperationsverhältnis" zum EuGH, "in dem der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das BVerfG sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsschutzes beschränken kann" (BVerfGE 89, 155, 175). Mit dem so genannten Bananenmarkt-Beschluss von 2000 bekräftigte das BVerfG, dass alle "Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten, die eine Verletzung von Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend machen, (...) von vornherein unzulässig" sind, wenn sie nicht darlegen, "dass die europäische Rechtsentwicklung unter die erforderlichen Grundrechtsstandards abgesunken sei" (BVerfGE 102, 147ff.).

Angesichts dieser Rechtsprechungspraxis liegt auf der Hand: Je tiefer das abgeleitete europäische Recht in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eindringt, desto irrelevanter werden die nationalstaatlichen Grundrechte und die sie wahrenden Verfassungsgerichte. Die Tatsache, dass das BVerfG im Juli 2006 das Berliner Tariftreuevergabegesetz für grundgesetzkonform erklärt hat, hat im EuGH-Fall "Rüffert" keine Beachtung gefunden. Das BVerfG hat dabei eine Reihe von sozialpolitischen Zielen hervorgehoben, die den Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigen sollen. An diesen Grundrechtsschutzstandards hat sich der EuGH jedoch nicht orientiert und die Tariftreueverpflichtung des niedersächsischen Vergabegesetzes für gemeinschaftswidrig erklärt. Ein qualitatives und quantitatives Äquivalent des nationalstaatlichen Grundrechtsschutzes gibt es auf EU-Ebene derzeit schlicht nicht. Stattdessen wurde einer Entwicklung der Weg geöffnet, wonach Grundrechtsstandards zugunsten des als erstrangig fixierten Integrationsziels relativiert werden: der Schaffung eines gemeinsamen EU-Binnenmarkts.


EU-Entsenderecht: Sozialdumping eindämmen?

Die EU-Entsenderichtlinie (96/71/EG) kam 1996 nach langen Diskussionen seit Anfang der 1990er zustande. Viele Mitgliedstaaten forderten, dass etwas gegen Sozialdumping-Praktiken im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs unternommen werden müsse.

Die Richtlinie sieht deshalb die Definition eines harten Kerns von "Mindestarbeitsbedingungen" (Vorschriften zu Arbeitszeiten, Pausen, Arbeitssicherheit, Mindestlohn, Urlaub, Gesundheitsschutz) vor, die von den jeweiligen Mitgliedstaaten in eigener Hoheit erlassen werden und für inländische und entsendete Arbeitnehmer am gleichen Ort gelten. Sie ist eindeutig keine Harmonisierungsrichtlinie, sondern ein Instrument zur Koordinierung nationalstaatlicher Politiken durch sozialpolitische Mindestvorschriften.

Gemäß Artikel 3-7 der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten durch diese nicht daran gehindert, Arbeitsbedingungen vorzuschreiben, die für die (entsendeten) "Arbeitnehmer günstiger sind" als die Mindestvorschriften des EU-Entsenderechts. Demnach müsste z.B. auch von Entsendeunternehmen aus dem EU-Ausland verlangt werden dürfen, dass sie inländische Tariflöhne und nicht nur Mindestlöhne zu zahlen haben, wenn sie vorübergehend im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in einem anderen Mitgliedstaat tätig sind. Allerdings hat kaum ein Mitgliedstaat von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht und "für die Arbeitnehmer günstigere Vorschriften" in seinem nationalen Entsendegesetz verankert. Dies gilt insbesondere für die deutschen Bundesregierungen von Kohl über Schröder/Fischer bis Merkel.


Minimalstandards werden zu Höchstnormen

Die EuGH-Urteile zu Laval und Rüffert stellen die Absicht der EU-Gesetzgeber nun auf den Kopf: Aus den Mindestvorschriften der Entsenderichtlinie werden Maximalvorschriften, die nicht überschritten werden dürfen. Das Laval-Urteil beschneidet zunächst einmal die Handlungsspielräume von Gewerkschaften: Die Entsenderichtlinie verbiete "gewerkschaftliche Aktivität für andere als die in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie genannten Kernarbeitsbedingungen, sie verbietet gewerkschaftliche Aktivität für günstigere als bereits gesetzlich festgelegte Kernarbeitsbedingungen und sie verbietet gewerkschaftliche Aktivität für andere als die Lohnsätze der untersten Lohngruppe" (Joerges & Rödl 2008). Daraus ergibt sich: "Die Missachtung der demokratischen und repräsentativen Funktion autonomer Tarifverhandlungen durch den EuGH führt sowohl im Fall Viking als auch im Fall Laval zu einer Tarifzensur" (Kocher 2008).

Die Urteile zu Laval und Rüffert beschränken ebenfalls den sozialpolitischen Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten. Lediglich eine Verpflichtung auf gesetzliche Mindestlöhne und allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge sei zum Schutz von Arbeitnehmern statthaft und könne eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen. Die darüber hinausgehende Tariftreueverpflichtung im Fall Rüffert gilt als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit und darf deshalb nicht zur Bedingung von öffentlichen Aufträgen gemacht werden. Damit wird aber auch das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation zu Tariftreuevorschriften im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen (ILO-Konvention 94) ausgehebelt.

Im Rüffert-Urteil heißt es weiter, dass "Rechtsvorschriften wie das Landesvergabegesetz dadurch, dass sie die Zuschlagsempfänger und mittelbar deren Nachunternehmer verpflichten, das Mindestentgelt zu zahlen, wie es im Baugewerbe-Tarifvertrag vorgesehen ist, den Leistungserbringern, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, in dem die Mindestlohnsätze niedriger sind, eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung auferlegen, die geeignet ist, die Erbringung ihrer Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Eine Maßnahme wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, kann daher eine Beschränkung im Sinne von Art. 49 EG darstellen" (C-346/06 Rn. 37). Diese Aussage des EuGH ist zwar nicht Bestandteil der Leitsätze des Urteils - der deutsche Baumindestlohn ist vorerst weiterhin zulässig. TNT kann sich aber Hoffnung machen, dass der EuGH später einmal den deutschen Postmindestlohn mit einer ähnlichen Argumentation als "unverhältnismäßig" und als Hemmnis für die Niederlassungsfreiheit erklären könnte.


Gleichbehandlung - kein Grundsatz für Europa?

Mindestlöhne würden nach der EuGH-Rechtsprechung zu Laval und Rüffert zur Lohnobergrenze. Inländische Unternehmen, die sich an Tarifverträge halten müssen, würden gegenüber Entsendefirmen aus dem EU-Ausland diskriminiert. Das ist mit dem Verbot der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) als solches aber nicht zu begründen. Denn Artikel 50 EGV verlangt in punkto Dienstleistungsfreiheit einfach nur Gleichbehandlung: "(...) kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt." Daraus lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass Tariftreue-Gesetze oder wie im Fall Luxemburg die Anwendung nationaler Vorschriften zum Arbeitsrecht auf entsendete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs untersagt sind.

Erfordert der Schutz der unternehmerischen Grundfreiheiten tatsächlich, im freien Dienstleistungsverkehr Lohnkonkurrenz und Lohnungleichheit zu verordnen, oder gar Sozialdumping? Dem stehen im Gemeinschaftsrecht eigentlich diverse Diskriminierungsverbote (aufgrund der Staatsangehörigkeit, aufgrund von Geschlecht, Alter, Religion, Hautfarbe, Behinderung etc. - siehe Artikel 12 und 13 EGV) entgegen. Artikel 141 EGV verlangt die Durchsetzung des Prinzips "Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit für Frauen und Männer". Zusammen mit den Anti-Diskriminierungsartikeln ergibt das Gemeinschaftsrecht insofern ein starkes Argument für die Mitgliedstaaten, eine Politik zur Durchsetzung des Prinzips "Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit am gleichen Ort" zu verfolgen.


Die Lunte ist gelegt

Die Party zur Abschaffung "bürokratischer Hemmnisse" in einem liberalisierten EU-Dienstleistungsbinnenmarkt durch die Rechtsprechung des EuGH ist für die Gewerkschaften erst mal an einem Punkt angelaufen (Streikrecht, Tarifvertragsfreiheit, Tariftreuegesetze etc.), mit dem sie am wenigsten gerechnet hatten. Sie wähnten sich sicher, weil diese Fragen vom EG-Vertrag wie auch von der Dienstleistungsrichtlinie "grundsätzlich" herausgenommen seien. Die Attacken via EU und EuGH werden in den kommenden Jahren auch in anderen Bereichen weitergehen - von Umweltauflagen der Mitgliedstaaten bis zur Handwerksordnung. "Kostenbewusste Unternehmen" müssten ja ziemlich unintelligent sein, wenn sie es bei diesen formidablen Erfolgsaussichten nicht mit Klagen vor dem EuGH oder Beschwerden bei der Kommission versuchen würden.

Wovor die LINKE im Rahmen der Auseinandersetzung um die Verabschiedung der Dienstleistungsrichtlinie stets gewarnt hatte (Dräger 2006) - das Abräumen sozialer Anforderungen und Vorschriften der Mitgliedstaaten durch Gang zum EuGH -, ist Realität geworden und nur ein erster Auftakt. Wenn man EU und EuGH so wie bisher weitermachen lässt, dann steht eine entscheidende Vertiefung der "neoliberalen Revolution" an, wie wir sie seit Einführung des EG-Binnenmarkts und dem Vertrag von Maastricht noch nicht erlebt haben.


Negative Integration und Diktatur der Bourgeoisie

Deren historischer Vordenker Friedrich von Hayek wetterte zwar stets gegen einen "europäischen Superstaat". Dem Weg, den Europa spätestens mit dem Binnenmarktprojekt und dem Vertrag von Maastricht bis hin zu den jüngsten EuGH-Urteilen eingeschlagen hat, würde er aber mit Sicherheit applaudieren. Denn nirgendwo sonst wurde einer seiner Leitgedanken aus seinem Werk "Der Weg zur Knechtschaft" (1944) so konsequent umgesetzt, wie in der und durch die EU: Das internationale Vertragsrecht sei ein wirksamer Hebel, um innerstaatliche Angelegenheiten in einem Sinne zu regeln, dass demokratisch legitimierte Eingriffe zur Zähmung des freien Spiels der Marktkräfte blockiert werden. Dazu brauche es "eine Macht, die verschiedene Nationen in Schranken halten kann (...) eine Reihe von Regeln, die festlegen, was ein Staat tun kann, und eine Behörde, die autorisiert und in der Lage ist, diese Regeln durchzusetzen" (Hayek 1944, zitiert nach Gowan 2005).

Genau diese Funktion erfüllt die EU spätestens seit dem Vertrag von Maastricht. Der Vertrag und die aus ihm abgeleiteten EU-Liberalisierungsrichtlinien fußen auf einem Konzept der "negativen Integration". Sie schaffen ein eisernes Korsett, das den Mitgliedstaaten in punkto demokratischer Gestaltung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik im Geiste des sozialen Fortschritts deutliche Stoppschilder entgegensetzt.

Nach der Logik der EuGH-Urteile ist es nur allzu wahrscheinlich, dass demnächst auch nationale oder grenzüberschreitende Streiks bei Bahn und Straßentransport als Behinderung des freien Güterverkehrs im Binnenmarkt zensiert werden. Es läge auch ganz auf der Linie des Viking Line-Urteils, Arbeitskampfmaßnahmen gegen Standortverlagerungen künftig zu beschränken - denn die Umflaggung eines Schiffes ist das gleiche wie die Verlagerung einer Produktionsstätte, beide sind durch die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags geschützt.

Niemand sollte sich über die grundlegende Bedeutung dieser Vorgänge täuschen: Dies ist eine europäische "Konterrevolution von oben" mit dem Ziel, Gewerkschaften und Mitgliedstaaten in Bezug auf den sozialen Fortschritt Fesseln anzulegen. Also: der europäische Weg zur Knechtschaft - für die Lohnabhängigen. Anders formuliert: die Vertiefung der "Diktatur der Bourgeoisie" (Karl Marx) via Europa.


Wie weiter nach dem irischen "Nein"?

Als Antwort auf die EuGH-Urteile spielt in der gewerkschaftlichen Diskussion die Forderung nach einer "sozialen Fortschrittsklausel" eine wichtige Rolle. Als Sofortmaßnahme könnte eine solche Klausel weitere Bestrebungen des EuGH ausbremsen - aber nur, wenn sie entsprechend klar und eindeutig formuliert ist und nur wenn sie im EU-Primärrecht verankert wird. In der Form eines Sozialprotokolls oder einer inter-institutionellen Vereinbarung zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament, wie es die Sozialdemokratie erwägt, ist die Bindungswirkung für den EuGH zu schwach.

Die Tragweite der Probleme ist aber viel größer: Der grundgesetzlich garantierte Schutz der Menschenwürde darf in Deutschland überhaupt keiner Einschränkung unterliegen - sie ist bekanntlich "unantastbar". Der EuGH sagt: Doch, sie ist antastbar - indem sie mit den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts "in Einklang" gebracht werden muss! Umgekehrt muss darauf bestanden werden: Wo immer die Ausübung von Grundrechten mit den Grundfreiheiten des Binnenmarkts kollidiert, muss der Vorrang der Grundrechte gelten. Und im Verfassungsverständnis der Bundesrepublik Deutschland als "demokratischer und sozialer Rechtsstaat" gilt auch, dass der Sozialstaat, die nationalstaatliche Sozialpolitik und die grundgesetzliche Verfassungsordnung im Konfliktfall Vorrang vor den Binnenmarktfreiheiten haben müssen. Wäre es anders, müssten wir unsere Verfassungsordnung aufgeben. Dieser grundlegende verfassungspolitische Konflikt - Grundrechts- und Sozialstaatsordnung versus Grundfreiheiten und Gemeinschaftsrecht - ist es, der endlich thematisiert werden muss. Die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags muss dafür ausgesetzt werden.

Das "Nein" der Iren ermöglicht es, jetzt Grundsatzfragen aufzuwerfen: Das ganze Fundament der bisherigen EU-Integration steht zur Debatte - im Sinne einer Neubegründung und Neugründung Europas. Frank Bsirske fordert zu Recht: "Wir brauchen eine Alternative: ein Europa mit einem sozialen Gesellschaftsvertrag."


Janeta Mileva arbeitet als Referentin für Europapolitik bei der Bundestagsfraktion DIE LINKE in Berlin. Klaus Dräger arbeitet als Fraktionsmitarbeiter der Linksfraktion (GUE/NGL) im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Fragen des Europäischen Parlaments in Brüssel


Anmerkungen

(1) Den Urteilsspruch können wir wegen des Redaktionsschlusstermins hier nicht bewerten.

(2) Im Fall Viking Line überließ der EuGH die Verhältnismäßigkeitsprüfung noch dem zuständigen britischen Gericht. Er gab diesem aber Hinweise auf den weg, dass die Streikankündigung ungerechtfertigt sei, weil der Arbeitgeber angeboten habe, einen Teil der finnischen Seeleute weiter zu beschäftigen. Im Fall Laval nahm der EuGH die Verhältnismäßigkeitsprüfung komplett selbst vor, was er zuvor noch nie getan hafte.

Literatur

Dräger, Klaus (2006): Der große Bluff - Wie Europas Eliten versuchen, die EU-Dienstleistungsrichtlinie geräuschlos durchzusetzen; in: Sozialismus, Heft 9.

Gowan, Peter (2005): The State of the Union - the global context, 2005, paper presented at the 11th workshop on Alternative Economic Policy in Europe, Brussels, September 23-25.

Höpner, Martin (2008): Das soziale Europa findet nicht statt; in: Mitbestimmung, Heft 5.

Joerges, Christian, u. Rödl, Florian (2008): Von der Entformalisierung europäischer Politik und dem Formalismus europäischer Rechtsprechung im Umgang mit dem "sozialen Defizit" des Integrationsprojekts; ZERP-Diskussionspapier 2.

Kocher, Eva (2008): Kollektivverhandlungen und Tarifautonomie - welche Rolle spielt das europäische Recht?; AuR, Heft 1-2.

Wendeling-Schröder, Dr. Ulrike (2008): Streikrecht und gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheiten; AiB 4/2008


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Quelle:
Sozialismus Heft 7-8/2008, Seite 28-33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2008