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INNEN/362: Erste EU-Trio-Präsidentschaft der Innen- und Justizminister (BMI)


Bundesministerium des Innern - Pressemitteilung vom 14. Januar 2007

Erste EU-Trio-Präsidentschaft der Innen- und Justizminister hat ihre Arbeit aufgenommen

Gemeinsames Arbeitsprogramm Deutschlands, Portugals und Sloweniens


Erstmals haben sich mit Deutschland, Portugal und Slowenien drei EU- Mitgliedsstaaten, deren Präsidentschaften aufeinander folgen, auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die nächsten 18 Monate verständigt. Diese Triopräsidentschaft hat am 1. Januar 2007 mit dem Vorsitz Deutschlands begonnen, dem Portugal und Slowenien folgen werden.

Vor der am Abend beginnenden informellen Ratstagung der EU-Justiz- und Innenminister sind die Repräsentanten der Triopräsidentschaft, die Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble, Antonio Costa und Dragutin Mate sowie die Justizminister Brigitte Zypries, Alberto Bernardes Costa und Lovro Sturm zu einer Arbeitsbesprechung zusammengetroffen, an der auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Franco Frattini, teilgenommen hat.

"Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union gibt es eine Triopräsidentschaft. Sie ist für uns eine besondere Chance und Verpflichtung", sagte Bundesinnenminister Schäuble. "Diese neue Form der Zusammenarbeit bietet die Möglichkeit, im Interesse aller Mitgliedstaaten eine ausgewogene europäische Politik zu gestalten. Sie verbindet Staaten unterschiedlicher Größe aus verschiedenen Regionen Europas und sichert so die politische Kontinuität in einer größer gewordenen Europäischen Union", fügte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hinzu.


Die wesentlichen Ziele der Triopräsidentschaft für die nächsten 18 Monate:

Stärkung von Frontex und Anschluss an das Schengener
Informationssystem

Ein wichtiges Ziel der ersten Triopräsidentschaft besteht darin, die europäische Grenzschutzagentur Frontex zu stärken, um so den Schutz der Außengrenzen zu verbessern. Die Grenzöffnung zu den neuen Mitgliedern ist auch abhängig von deren zügigem Anschluss an das Schengener Informationssystem, für das wir uns sehr einsetzen werden. Nicht zuletzt durch die beherzte, von Slowenien tatkräftig unterstützte Initiative Portugals für ein reformiertes Schengener Informationssystem ("SIS one 4 all") ist es den europäischen Innenministern im Rat Anfang Dezember gelungen, dass dies voraussichtlich Ende 2007 technisch möglich sein sollte. Dies ermöglicht, es bei Erfüllung aller weiteren Voraussetzungen, die Kontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Union zum 31. Dezember 2007 abzuschaffen, - Die sichere Tür ist die, die man offen lassen kann.


Verbesserung der Polizeizusammenarbeit und der Terrorabwehr

Deutschland, Portugal und Slowenien wollen den Kampf gegen Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität in der Europäischen Union voranbringen. Dazu müssen wir die polizeiliche Zusammenarbeit verbessern. Unser Ziel ist zum einen, vorhandene Einrichtungen wie die europäische Polizeibehörde Europol zu stärken. Durch Europol ist es beispielsweise in einer gemeinsamen Aktion gegen Kinderpornographie gelungen, in 12 EU-Ländern gleichzeitig Hausdurchsuchungen durchzuführen und mehrere Personen festzunehmen. Wir wollen, dass Europol künftig für die Bekämpfung aller schweren grenzüberschreitenden Straftaten zuständig ist. Außerdem soll Europol wirksame Hilfe bei der frühzeitigen Zerschlagung terroristischer Netzwerke leisten, indem zum Beispiel verstärkt Aktivitäten terroristischer Vereinigungen im Internet beobachtet werden.


Stärkung der Bürgerrechte

Zur Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gehört auch der Schutz und die Sicherung der Bürgerrechte. Eine erfolgreiche justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen setzt voraus, dass jeder Mitgliedsstaat Vertrauen in die Rechtsordnung der anderen EU-Mitgliedstaaten hat. Dieses Vertrauen wollen wir dadurch stärken, dass bestimmte Mindestrechte im Strafverfahren festgelegt werden, die den Betroffenen in allen Mitgliedstaaten bei Ermittlungs- und Gerichtverfahren zustehen. Deshalb sollen in einem Rahmenbeschluss Mindestgarantien festgelegt werden, wann einem Beschuldigten ein Dolmetscher oder Verteidiger zur Verfügung gestellt wird und wie sichergestellt werden muss, dass ein Beschuldigter über seine Rechte belehrt wird.

Die Triopräsidentschaft will zudem einen neuen Anlauf unternehmen, die festgefahrenen Verhandlungen über den Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wiederaufzunehmen. Ziel ist es, eine Mindestharmonisierung der Strafvorschriften der Mitgliedsstaaten zu erreichen. Dabei geht es vor allem um die Strafbarkeit des Verbreitens von rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen, zum Beispiel die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt und Hass oder das Leugnen oder Verharmlosen von Völkermord aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Motiven.


Bekämpfung der illegalen Migration

Ein weiterer großer Schwerpunkt wird ein globaler und ausgewogener Ansatz zur Migration sein. In diesem Zusammenhang ist die Bekämpfung von illegaler Migration und Menschenhandel von besonderer Wichtigkeit. Wir müssen hier im Dialog mit den Herkunftsstaaten einen Weg finden, um die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern, legale Zuwanderung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Arbeitsmarksituation in den Mitgliedstaaten planvoll zu steuern und illegale Einwanderung auf europäischer Ebene entschieden zu bekämpfen. Menschenschmuggler dürfen nicht am Elend der Leute verdienen. Die für November 2007 in Portugal geplante Ministerkonferenz zwischen den EU- Mitgliedstaaten und den Mittelmeeranrainerstaaten (EUROMED) zu Migrationsfragen wird ein wertvolles Instrument sein, um den Dialog mit Drittstaaten zu intensivieren.


Interkultureller Dialog

Integration und interkultureller Dialog sollen ebenfalls ein Schwerpunkt unserer Triopräsidentschaft sein. Ganz besonders wollen wir mit den über 15 Millionen Menschen islamischer Religionszugehörigkeit, die in Europa leben, besser ins Gespräch kommen. Hier können die Mitgliedstaaten voneinander lernen. Im Mai 2007 werden wir eine europäische Integrationskonferenz zum gegenseitigen Austausch bester Praktiken zu Fragen der Integration und des interkulturellen Dialogs veranstalten. Auf die Fragen, wie wir Sicherheit gewährleisten, Zuwanderung steuern und Migranten integrieren sollen, kann Europa Antworten geben, die uns national nicht möglich wären.


Mehr Rechtssicherheit für Bürger

Europas Bürgerinnen und Bürger bewegen sich im Alltag ganz selbstverständlich über Ländergrenzen hinweg und erwarten dafür einen sicheren und vorhersehbaren Rechtsrahmen. Jeder, der einen Vertrag mit Auslandsbezug abschließt, muss wissen, nach welchem Recht entschieden wird, wenn es Streit über die Vertragsauslegung gibt. Ebenso muss geregelt sein, was gilt, wenn es um deliktische Ansprüche geht, wenn etwa ein Bürger aus einem Mitgliedsstaat bei einem Verkehrsunfall in einem anderen Mitgliedsstaat verletzt wurde. Deshalb werden wir die Arbeiten an den ROM-I- und Rom II-Verordnungen zügig voranbringen.

Auch die Zahl der familiären Verbindungen über die Grenzen hinweg steigt. Ehepartner müssen wissen, welches Recht im Fall ihrer Scheidung und für die Scheidungsfolgen anzuwenden ist. Die Frage, welches Recht angewendet wird, soll nicht davon abhängen, in welchem Mitgliedstaat sich die Ehepartner scheiden lassen. Dabei geht es nicht um eine materielle Harmonisierung, sondern vielmehr darum, Regelungen zur internationalen gerichtlichen Zuständigkeit, zur Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und zur Vereinheitlichung der sog. Kollisionsnormen zu erlassen. Kollisionsnormen sind Vorschriften, die bestimmen, welches nationale Recht auf einen konkreten Fall mit Auslandsbezug Anwendung findet. Die Triopräsidentschaft fördert deshalb die Arbeiten an der Rom-III- Verordnung.


Stärkung der Justiz und der praktischen Zusammenarbeit / ejustice

Je durchlässiger die Grenzen in Europa werden, desto enger muss auch die grenzüberschreitende praktische Zusammenarbeit in der Justiz werden. Das gilt vor allem für die Strafverfolgung.

Die Triopräsidentschaft hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, einen Rahmenbeschluss zur grenzüberschreitenden Bewährungsüberwachung voranzubringen.

Zudem soll der Austausch von Strafregisterauszügen verbessert werden. Basierend auf den Erfahrungen des Modellprojekts, das Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien begonnen haben, soll mit einem Rahmenbeschluss eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um Strafregisterauszüge nicht mehr wie bisher per Papier, sondern elektronische Datensätze zwischen den Mitgliedstaaten auszutauschen. Auf diese Weise sollen Informationsdefizite bei der Strafverfolgung und bei der Einschätzung eines Straftäters reduziert werden. Ziel ist ein System der vernetzten nationalen Register, ohne dass eine neue zentrale Registereinheit für ganz Europa aufgebaut werden muss.

Die Triopräsidentschaft hat sich darüber hinaus zum Ziel gesetzt, auch auf anderen Feldern der justiziellen Zusammenarbeit die Möglichkeiten der Informationstechnologie noch besser zu nutzen. In einem europäischen Raum der Freiheit der Sicherheit und des Rechts mit durchlässigen Grenzen und vielfältigen grenzüberschreitenden Aktivitäten dürfen der Zugang zur Justiz und deren Effektivität nicht an "informationstechnologischen EU-Binnengrenzen" scheitern. Ziel ist es, weitere praktische Fortschritte beim Einsatz der IT in grenzüberschreitenden Justizverfahren zu erreichen und die Arbeit an europäischen Standards zu strukturieren.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 14. Januar 2007
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den 15. Januar 2007