Meloni versuchte auf der CPAC-Konferenz, ihrem Dilemma zu entkommen
Mit einer Position in der politischen Mitte des Atlantiks bemühte sie sich, weder Europa noch das trumpistische Amerika zu verärgern
von Gerhard Feldbauer, 23. Februar 2025
Entgegen den Erwartungen hat Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Wochenende an der Conservative Political Action Conference (CPAC), der Elite der amerikanischen und internationalen Rechten, an der traditionell Trump-Fans, Rechtsnationale und die religiöse Rechte zusammenkommen, per Videoschaltung teilgenommen. Dies, obwohl deren Star, der rechtsextreme Stratege Trumps, der Filmproduzent Steve Bannon, öffentlich mit dem Zeigen des "Führergrußes", des erhobenen rechten Armes, aufgetreten war, woraufhin der Liberalist Jordan Bardella, ebenfalls Tramp-Anhänger, seine Rede auf dem Trump-Parteitag in Washington absagte. Per Video hielt Meloni, kurz bevor The Donald selbst die Bühne betrat, eine Viertelstunde lang eine widersprüchliche Rede, in der sie gegen Linksliberalismus, Eliten, "Woke"-Ideologien, "Cancel Culture" oder "Mainstream-Medien" wetterte, berichtete ANSA am Sonntag. Ihre Stimme war seit Wochen nicht zu hören gewesen, und bislang hatte sie sich aus den Kontroversen herausgehalten, die durch die Eskalationen (und verbalen Übertreibungen) der neuen amerikanischen Regierung ausgelöst wurden und die Staatskanzleien halb Europas desorientiert haben.
"Ich wette, dass Präsident Trump, der ein starker und effektiver Führer ist, daran arbeiten wird, unser Bündnis zu stärken, indem er mit meiner Regierung und mit Europa zusammenarbeitet", zitierte die regierungsamtliche Nachrichtenagentur die Regierungschefin, die damit einmal mehr ihre Rolle als "Brücke" aufgrund der gemeinsamen Werte und gemeinsamen Kämpfe der "Konservativen" herausstellte. Sie plädierte für die Einheit des Westens, der sich neben Angriffen von innen auch gegen Angriffe von außen schützen müsse. In ihrer kontroversen Rede versuchte sie, ihrem Dilemma zu entkommen und erklärte: "Trump ist stark, er wird sich nicht von Europa distanzieren", wobei sie weder Wolodymyr Selenskyj noch Wladimir Putin namentlich erwähnte.
Damit versuchte sie, sich genau in der politischen Mitte des Atlantiks zu positionieren, um weder Europa noch das trumpistische Amerika zu verärgern. Sie wiederholte vor dem Publikum amerikanischer Konservativer jedoch, dass die Ukraine ein "angegriffenes" Land sei und dass wir "gemeinsam" daran arbeiten müssten, einen "gerechten und dauerhaften" Frieden aufzubauen mit einer "starken" Führung wie der Donald Trumps, der sich - anders als "unsere Gegner hoffen" - "nicht von Europa distanzieren" werde - dies auch deshalb, so versicherte sie, weil die Stimmen der Konservativen in den Regierungen immer stärker werden. Sie verleugnete nicht die Position, die Italien gegenüber Kiew von Anfang an eingenommen hat, legte aber in einem heiklen Balanceakt großen Wert auf die Rolle des Verbündeten in der Gewissheit, dass "wir mit Trump im Weißen Haus nie wieder erleben werden, was vor vier Jahren in Afghanistan passiert ist".
Meloni lobte auch die Rede von US-Vize JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, mit der der Republikaner vor gut einer Woche seine europäischen Verbündeten vor den Kopf gestoßen hatte. Vance habe zu Recht erklärt, "dass wir, bevor wir über Sicherheit diskutieren, wissen müssen, was wir verteidigen". Sie warnte ebenso vor einem Handelskrieg zwischen den USA und Europa. "Wir brauchen nicht zu sagen, wie verflochten unsere Volkswirtschaften sind und wie die unvorhersehbaren Ergebnisse eines Handelskonflikts anderen Großmächten in die Hände spielen würden, zitiert ANSA sie.
Melonis Dilemma zu Trumps Kurs in der Ukraine war am Wochenende vor der CPAC-Konferenz auch Thema in weiteren Medien. Der Mailänder Corriere della Sera schrieb, sie habe eine pragmatische Beziehung zu Brüssel aufgebaut, vor allem zu Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, doch diese "Brücken seien jetzt eingestürzt". Trumps Meinung, die Ukraine habe den Krieg begonnen und Präsident Wolodymyr Selenskyj sei ein "Diktator", habe Meloni die Sprache verschlagen. Anders könne man sich ihr Schweigen, das Fehlen einer Stellungnahme seitens der Regierungschefin Italiens, nicht erklären. Alles, was man von ihr hört, sei der Wunsch, "dass man bald zu einem Frieden zwischen Russland und Ukraine kommt".
Durchgesickert ist bis jetzt nur, dass sie ihre Minister bei einer Kabinettssitzung gebeten haben soll, sich mit Stellungnahmen zu Trump zurückzuhalten. "Da keiner weiß, wie das endet, halten wir uns bitte bedeckt", wurde sie zitiert. Zu Salvini gewandt habe sie hinzugefügt: "Bitte bringe mich nicht in Verlegenheit." Doch kaum hatte Salvini das Treffen verlassen, sagte er vor laufender Kamera: "Ich schätze Trump sehr. In ein paar Wochen hat er mehr zustandegebracht als Biden in vier Jahren." Einige Tage zuvor hatte Salvini Trump schon mit den Worten gelobt: "Wer es geschafft hat, in nur wenigen Tagen Putin, Selenskyj, Netanjahu und die arabischen Staaten an einen Tisch zu bringen, der verdient den Friedensnobelpreis." Im Corriere della Sera mahnte dessen Chefkommentator Antonio Polito, Meloni sollte das "internationale Standing" nicht verspielen, das sie sich zur allseitigen Überraschung in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet hat; schließlich habe es maßgeblich zu ihrem Beliebtheitswert unter den Italienern beigetragen. Im Moment scheine Meloni jedoch lieber in Deckung zu bleiben.
Am 24. Februar, dem dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, wird sie weder am G7-Gipfel teilnehmen noch zusammen mit Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Kiew reisen. Die römische La Repubblica betonte, es gehe auch um die konkrete Unterstützung der Ukraine, um weitere Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung. "Doch mittlerweile hat sich die ganze Front der Pazifisten gegen höhere Militärausgaben zur Sicherheit des EU-Raums ausgesprochen." Vizepremier Salvini zähle zu den "feurigsten Verfechtern dieser Sorte Pazifismus". Melonis Teilnahme an der CPAC wurde laut ANSA von der Opposition mit Elena Schlein vom PD an der Spitze scharf kritisiert.
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Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Februar 2025
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