Meloni in der Klemme
Trump ist ihre letzte Hoffnung, den Produktionsrückgang des Landes aufzuhalten
von Gerhard Feldbauer, 18. Februar 2025
Es war keine Überraschung, dass Italiens Ministerpräsidentin Meloni nicht an der Sicherheitskonferenz in München teilnahm und sich damit ein weiteres Mal um eine Stellungnahme zur Haltung der neuen Regierung im Weißen Haus unter Trump, die mit dem Auftritt seines Vizes Vance zur offenen Konfrontation mit der EU führte, herumdrückte. Die laut der Nachrichtenagentur ANSA angeblich als Begründung angeführte Grippe-Erkrankung wurde denn auch angezweifelt, so von dem einflussreichen Wirtschaftsblatt Fatto Quotidiano, das vermutete, dass "sehr schwerwiegende politische Gründe vorliegen".
Die Hintergründe hatte am Freitag ein Bericht des staatlichen Statistikamtes ISTAT verdeutlicht, demzufolge Trump ihre letzte Hoffnung sei, den Rückgang der Industrieproduktion des Landes aufzuhalten. Diese ist laut den Angaben im Dezember 2024 gegenüber den vorhergehenden 23 Monaten um 3,1 % zurückgegangen, was besagt, dass die Auslastung der italienischen Produktionskapazitäten unter 75 % gefallen ist. Würde Trump in seine den EU-Ländern angekündigten zusätzlichen US-Zöllen zwischen 10 und 25 % Italien einbeziehen, wäre das für das Bel paese, das für 66,4 Milliarden Euro in die USA exportiert, eine Katastrophe. Das Sternenbanner-Land ist für 43 in Italien hergestellte Produkte aus der Mode-, Möbel-, Metall- und Lebensmittelbranche, die über ein Viertel der italienischen Exporte in die USA ausmachen, der erste Markt. Unter ihnen befinden sich, wie ISTAT zu entnehmen ist, gerade die "Made in Italy"-Modeprodukte aus dem Schmuckbereich sowie der Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Accessoire-Industrie, die ein Minus von 18,3 % einstecken mussten, gefolgt vom Metallurgie- und Metallwarenbereich mit -14,6 %, dazu das uralte Rückgrat der europäischen Industrie, die auch in Italien besonders bedrohte Automobilindustrie. Deshalb verhielt sich Meloni im Gegensatz zu der in Brüssel mit Deutschland und Frankreich an der Spitze bezogenen Haltung im drohenden, von Trump geplanten Handelskrieg bisher ruhig und schwieg ebenso beharrlich zu dessen Expansionsgelüsten auf Grönland, Panama oder den Gaza-Streifen.
Besonders prekär wird es jetzt für Meloni, die sonst nicht verlegen ist, ihre Haltung Entwicklungstrends anzupassen, sich zum jüngsten Coup Trumps, der mit Putin über den Kopf der EU hinweg getroffenen Vereinbarung, mit Verhandlungen zur Beendigung des Ukrainekrieges unter Akzeptierung der von Moskau besetzten Gebiete zu beginnen, zu äußern. Welche Rolle dabei ein Besuch in Kiew, an dem sie laut dem Mailänder Il Giornale "trotz grippebedingter Beschwerden" festhalten will, spielen wird, bleibt offen. Jedenfalls steckt sie hier besonders tief im Dilemma, denn im Schatten des Ukrainekonflikts und der Verketzerung Russlands zum Aggressor Europas haben die 100 größten italienischen Rüstungsunternehmen von 2021 bis 2023 einen kumulierten Nettogewinn von 4,5 Milliarden erzielt.
Dabei soll es sich, wie aus einem Bericht der italienischen Mediobanca zur Militärindustrie hervorging, um eine Pyramide handeln, an deren Spitze die beiden staatlich kontrollierten Konzerne Leonardo und Fincantieri stehen, deren Gesamtumsatz 2023 auf 40,7 Milliarden Euro beziffert wird. Der Rüstungs- und Weltraumkonzern Leonardo ist Teil des Konsortiums, welches das Kampfflugzeug Eurofighter Typhoon entwickelt hat und produziert und als Entwicklungspartner an der Lockheed Martin F-35 beteiligt ist. Im Dezember 2024 schloss Leonardo ein Joint Venture mit der britischen BAE Systems und Japan Aircraft-Industrial Enhancement Co. (JAIEC) zur Entwicklung des neuen Kampfflugzeugs "Global Combat Air Programme", das "die Verteidigungsfähigkeiten der beteiligten Länder steigern soll", um, wie es hieß, "den zunehmenden Sicherheitsbedrohungen durch Russland und China zu begegnen".
Im Januar 2025 folgte ein Joint Venture von Leonardo mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall - "Leonardo Rheinmetall Military Vehicles (LRMV)" mit Sitz in Rom. Es wird neue Kampf- und Schützenpanzer von Rheinmetall - die Typen "Panther" und "Lynx" - weiterentwickeln und bauen, wovon die italienischen Armee mehrere hundert mit einem Volumen von bis zu 23 Milliarden bestellen will. Hier dürfte Melonis Freund aus ihrer Partei Brüder Italiens (FdI), Verteidigungsminister Guido Crosetto als früherer Seniorberater des Rüstungskonzerns Leonardo ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Ansonsten scheint bisher nur eins festzustehen: "Das transatlantische Bündnis geht schwer erschüttert aus der Münchner Sicherheitskonferenz hervor", wie DPA aus München berichtete.
Nachdem die Regierungschefin in letzter Minute am Montag nach Paris zu dem von Frankreichs Macron in aller Eile einberufenen EU-Gipfel zur Solidarität mit der Ukraine geflogen war, hat sie am Dienstag, zusammen mit ihrem Innenminister Matteo Piantedosi, in Rom einen Sicherheitsgipfel einberufen. Auf der Tagesordnung steht - im Gegensatz zu Paris - jedoch nicht die Solidarität mit der Ukraine, sondern - in Anlehnung an Trump - eine verschärfte Terrorismusbekämpfung und Migrationsabwehr. Anlass sind die jüngsten Terroranschläge in Villach und München. An dem Treffen werden laut Südtirol News auch sämtliche Quästoren und Regierungskommissare Italiens teilnehmen.
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Quelle:
© 2025 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Februar 2025
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