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ITALIEN/437: Gnadenakt für Alfredo Cospito gefordert - Meloni bekräftigt "harte Linie" (Gerhard Feldbauer)


Gnadenakt für den Anarchisten Alfredo Cospito gefordert

Meloni bekräftigt "harte Linie"

von Gerhard Feldbauer, 3. Februar 2023


Die Auseinandersetzung zwischen dem sozialdemokratischen PD und der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) über die Behandlung des seit etwa 100 Tagen in den Hungerstreik getretenen 55-jährigen Anarchisten Alfredo Cospito, der seit über zehn Jahren auf Sardinien eine lebenslange Haftstrafe unter verschärften Bedingungen verbüßt und dagegen protestiert, spitzt sich zu. Es geht um die Aufhebung des "Artikels 41-bis" des Strafgesetzes, die laut Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA PD, M5S u. a. Linke fordern und die Justizminister Carlo Nordio von Melonis faschistischen Brüdern Italiens ablehnt. In der Parlamentsdebatte hat der Vizepräsident des Senats, Giovanni Donzelli von FdI, den PD bezichtigt, Terroristen und die Mafia zu unterstützen. Der PD habe damit "der Mafia einen Abgrund geöffnet", legte FdI-Senator Alberto Balboni nach. Die Fraktionsvorsitzende des PD in der Abgeordnetenkammer, Debora Serracchiani, kündigte an, gegen diese Diffamierung werde ihre Partei "vor Gericht gehen" und den Rücktritt von Giovanni Donzelli fordern. PD und M5S wollen außerdem gegen die faschistische Regierung von Giorgia Meloni einen Mißtrauensantrag einbringen.

Cospito lehnte als Anführer einer Gruppe "Federazione Anarchica Informale - Fronte Rivoluzionario" nach den Lehren Michael Bakunins (1814-1876), des Begründers des Anarchismus, in Italien Bakunismus genannt, jede Form von Macht ab und war der Meinung, dass Staat und Kapitalismus zu bekämpfen seien, auch mit Gewalt. 2012 hatte er den italienischen Manager des Atom- und Rüstungsunternehmens Ansaldo nucleare, Roberto Adinolfi, aus Protest gegen die Verwendung der Atomenergie überfallen und ihm dabei nach Praxis der "gambizzazione" ("gamba" auf italienisch Bein) der linksextremen Brigate Rosse als Drohung bzw. Warnung gezielt in die Beine geschossen. Er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe zu den Bedingungen des "Artikels 41-bis" des italienischen Strafvollzugsgesetzes verurteilt. Mit einem "Sonderüberwachungssystem" ist es das härteste Gefängnisregime in Italien, das bis dahin nur für die Bestrafung von schweren Mafia-Verbrechen oder Terroranschlägen zur Anwendung kam. Die Ursprünge gehen auf ein Gesetz zurück, dass am 26. Juli 1975 während der Spannungsstrategie angenommen wurde, in der die CIA die radikalen Linken für den Terror manipulierte, während sie die IKP dafür verantwortlich machte, was heute auf den PD ausgedehnt wird.

Auch wenn Cospito zur medizinischen Betreuung in ein dafür geeigneteres Gefängnis in Mailand verlegt wurde, drohe ihm jetzt "ein langsamer, wenn auch selbstverschuldeter Hungertod, schrieb Contropiano am Mittwoch in seinem Online-Portal. Das linke Magazin erinnerte daran, dass vor sechs Jahren ein 74jähriger politischer Gefangener auf Sardinien im Hungerstreik so dem Tod ausgeliefert wurde.

Cospito protestiert schon seit Jahren gegen diese Haftbedingungen und wird von Anarchisten und linken Intellektuellen unterstützt, die diese Zustände nicht mehr haltbar nennen und eine Lockerung des "carcere duro" - des harten Gefängnisses - fordern. In Rom wurden gegen diese Proteste die Sicherheitsvorkehrungen für heikle Ziele und Orte erhöht.

Cospito hat auch formal Berufung eingelegt. Sie ist erst für März vorgesehen und es bleibt, wenn er den Hungerstreik fortsetzt, fraglich, ob er das noch erlebt. Unbeeindruckt davon bekräftigt laut ANSA Ministerpräsidentin Meloni ihre "harte Linie" - der "Staat lasse sich nicht auf Gespräche mit jenen ein, die ihn bedrohen". Laut dem linken Manifesto mehren sich dagegen die Stimmen, die einen Verzicht auf "41-bis" fordern. Selbst der Anwalt des vor Jahren von Cospito niedergeschossenen Roberto Adinolfi forderte einen Gnadenakt. "41-bis" sei eine Regel, die abgeschafft gehöre. Wie Manifesto am Donnerstag berichtete, haben die Vertreter der nach dem Sozialisten Lelio Basso genannten Foundation, Juan Patrone und Franco Ippolito, das 41-bis-Gesetz ein "verfassungswidriges Monster" genannt und werden dagegen am 13. Februar beim Verfassungsgericht einen Streithilfeantrag stellen.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 3. Februar 2023

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