Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/425: Kriegsgegner fordern unter der Taube Picassos "sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine" (Gerhard Feldbauer)


Kriegsgegner fordern unter der Taube Picassos "sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine"

von Gerhard Feldbauer, 7. November 2022


Italiens Kriegsgegner fordern "einen sofortigen Waffenstillstand", um den "Konflikt in der Ukraine zu beenden". Dafür gingen am Samstag von Rom bis Mailand, von Turin bis Neapel unter dem Friedenszeichen des Regenbogens, Fahnen mit der stilisierten weißen Taube Picassos und dem Gesang des legendären Partisanenliedes "Bella Ciao", wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtete, nach Angaben der Organisatoren mehr als einhunderttausend Menschen auf die Straßen, während Polizeiangaben 40.000 nannten. Veranstalter waren die Gewerkschaften und über 500 Organisationen, Verbände und Gruppen, darunter das Disarmament Network, der größte Kulturverein Arci, der Partisanenverband ANPI, deren Aufrufen Menschen unterschiedlicher politischer Ansichten - von Christen und Pazifisten über Grüne, der Sternepartei (M5S) bis zu Sozialdemokraten und Kommunisten - folgten.

Während in Mailand auf einer Kundgebung des "Dritten Pol" des Leiters der Zentrumspartei Azione, Carlo Calenda, mit etwa 5000 Menschen auch Transparente "gegen die russische Aggression" gezeigt wurden, dominierten in Rom die Forderungen nach dem Ende des Krieges in der Ukraine, für ein "Europa des Friedens" mit dem Appell an die EU, ihre Mitglieder sowie die Vereinten Nationen, "die Verantwortung für Verhandlungen zu übernehmen". In Rom führten die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio und Pfadfinder gemeinsam mit Gewerkschaftern eine Prozession an. M5S-Chef, Ex-Premier Giuseppe Conte, stand zusammen mit dem Vorsitzenden der CGIL-Gewerkschaft Maurizio Landini im Handschlag auf der Tribüne und sagte, "wir sind die schweigende Mehrheit des Landes", die Friedensverhandlungen fordert, und er warnte den Verteidigungsminister Crosetto der faschistischen Regierung Melonis, wenn er sich für neue Waffenlieferungen in die Ukraine entscheide, werde das zur "Konfrontation im Parlament" führen. Landini appellierte zum "Verzicht auf den Krieg, weil das Risiko eines nuklearen Konflikts real ist".

Die von Potere al Popolo (Die Macht dem Volke) zu den Wahlen gebildete Volksunion war vertreten, um gegen den Krieg in der Ukraine, gegen den Krieg gegen die Armen, gegen den Krieg gegen Migranten zu protestieren, um zu verhindern, dass wir alle zu Krieg und blindem europäischen und atlantischen Gehorsam "erzogen" werden, hieß es in ihrem Aufruf. "Die Meloni-Regierung folgt der Linie der Draghi-Regierung der totalen Angleichung an die Diktate der USA und der NATO." Die Eskalation des Krieges in der Ukraine mit der täglich wachsenden Zahl der Opfer laufe immer mehr Gefahr, sich in einen nuklearen Konflikt zu verwandeln. Dieser Krieg müsse beendet und auf dem Verhandlungsweg eine diplomatische Lösung durchgesetzt werden.

Der an einem Protestmarsch teilnehmende Sekretär des sozialdemokratischen Partito Democratico, Enrico Letta, den Demonstranten einen "Kriegstreiber" nannten, erklärte, er halte es für richtig, "für den Frieden in der Ukraine, für das Ende dieses Krieges und die Beendigung der Invasion Russlands" zu marschieren.

Die Proteste verdeutlichen, dass die Frage des imperialistischen Krieges, den NATO und EU in der Ukraine gegen Russland führen, an dem Draghi mit seiner Unterstützung zu Fall gekommen ist und den Meloni unvermindert fortsetzen will, in den Mittelpunkt der sozialen Klassenauseinandersetzung tritt. Der Vergleich mag hinken, aber die Traditionen der Linken Italiens, die darin bestehen, dass die Kriegsgegner im Ersten Weltkrieg gegen die Kriegskredite stimmten und im Zweiten im September 1943 aus dem Krieg gegen die UdSSR ausschieden, dürften eine Rolle spielen. Es ist ein Hoffnungsschimmer, wenngleich die sowohl 1914/18 als auch 1943 starke mobilisierende Kraft der revolutionären Sozialisten bzw. Kommunisten heute fehlt oder noch fehlt. Aber es kann für sie die Chance sein, sich stärker zu Wort zu melden. War doch unter den Anführern der Proteste der Vorsitzende der Sinistra Italiana (SI), Nicola Fratoianni, der erklärte, "wir müssen in den ermüdenden Aufbau eines diplomatischen Auswegs investieren". Er ist ein früherer Kommunist der Rifondazione Communista (PRC) und arbeitet weiter mit ihr zusammen, wovon die Teilnahme nicht weniger ihrer Mitglieder wie auch die der anderen KPs zeugte.

*

Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 8. November 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang