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ITALIEN/281: Gesetz über Parlamentsreform umstritten - Sozialdemokraten wollen Referendum (Gerhard Feldbauer)


Rom

Gesetz über Parlamentsreform umstritten

Sozialdemokraten wollen Referendum

Sterne-Partei streitet über weiteren Weg

von Gerhard Feldbauer, 14. Oktober 2019


Am 10. Oktober war die Regierung der Fünf-Sterne-Partei (M5S) mit den Sozialdemokraten (Demokratische Partei - PD) einen Monat im Amt. M5S war vorher seit Juni 2018 mit der faschistischen Lega an der Regierung, hatte diese auf Druck ihrer Basis verlassen. Premier Giuseppe Conte - auch er stand an der Spitze der alten Regierung - nannte als wichtigstes Ergebnis der Arbeit das Gesetz über die Parlamentsreform, das mit der für eine Verfassungsänderung erforderlichen absoluten Mehrheit von Abgeordnetenhaus und Senat angenommen wurde. Danach werden dessen Mitglieder von derzeit 630 auf 400 bzw. von 315 auf 200 reduziert. Ein Milliarde Euro soll damit jährlich eingespart werden.

M5S hatte das Projekt nach ihrem Wahlsieg im März 2018 (mit 32,6 Prozent stärkste Partei) eingebracht und feiert es als seinen "historischen Erfolg". Der Mailänder Corriere della Sera vermerkt, die Reduzierung "gereicht M5S zum Vorteil, da sie ihre knapp mehrheitliche Position im Senat stärkt". Die PD war ursprünglich dagegen, stimmte jetzt zwar zu, möchte aber, da es um eine Verfassungsänderung geht, dass darüber zusätzlich in einem Referendum abgestimmt wird. Damit, begründete das PD-Sprachrohr La Repubblica, werde die Reform den "legitimen Konsens der Bürger" erhalten. Die PD setzt aber wohl eher auf eine Ablehnung.

Unter Conte dürfen Schiffe mit Flüchtlingen wieder italienische Häfen anlaufen. Der Premier besteht jedoch darauf, dass die Dubliner Regeln geändert werden, nach denen das Land, in dem ein Migrant das erste Mal europäischen Boden betritt, für das Asylverfahren zuständig ist.

Mit einer Klima-Verordnung, einem sogenannten "Green New Deal", will Italien in Brüssel punkten und, wie Conte auf The Hydrogen Challenge: 2019 Global ESG Conference erklärte, "eine führende Rolle übernehmen" und "Protagonist einer Energiewende" werden.

Eine Wende soll auch im Kampf gegen Steuerbetrüger vollzogen werden. Laut dem Präsident des Statistikamtes (ISTAT), Gian Carlo Blangiardo, haben Steuerhinterziehungen im Dreijahreszeitraum 2014-2016 eine Gesamtlücke von rund 109,7 Milliarden Euro ausgemacht. Künftig soll Steuerhinterziehung bereits ab 150.000 Euro mit Gefängnis geahndet, das Vermögen von Steuerflüchtlingen beschlagnahmt, die Digitale Steuererfassung eingeführt werden. Loyale Steuerzahler sollen, so bei Benutzung der Kartenzahlung, finanzielle Anreize erhalten.

Um dem Ruf seiner aus etwa einem Fünftel von der PD abgespalteten Parlamentariern gebildeten Italia Viva (Lebendiges Italien) als Rechtspartei entgegen zu wirken, hat ihr Gründer Ex-Premier und Ex-PD-Chef Renzi ihr ein "sozialistisches" Outfit verpasst. Sie tritt unter dem Symbol der einst im Korruptionssumpf untergegangenen Sozialistischen Partei PSI an und hat auch ein paar Rest-Sozialisten aufgefangen. Mit der Abwerbung der Senatorin Amaria Parente, einer früheren leitenden CISL-Gewerkschafterin und Vizepräsidentin des Senats-Ausschusses für Arbeit und Soziales, hat er seiner früheren Partei einen weiteren Hieb versetzt.

In der Sterne-Partei hat eine "Versammlung der Dissidenten" Anfang Oktober in der Hauptstadt der Toskana eine "Charta von Florenz" verabschiedet, die den Einfluss der Basis auf die Führung wiederherstellen will. Wie ANSA berichtete, wurde die Teilnahme an einer Regierung mit der Lega kritisiert und eine "Überwindung der Figur des politischen Führers" Luigi Di Maio gefordert. Aufschlussreich, dass auch eine "klare Kontrolle der Finanzen" der Bewegung verlangt wird.

Ein erster Test, wie die neue Regierung beim Wähler ankommt, dürften die Wahlen zum Präsidenten und zum Parlament der Region am 27. Oktober in Umbrien (Mittelitalien), die bisher von einer Mitte-Links-Koalition regiert wird, sein. Nach anfänglicher Ablehnung hat M5S dem PD-Vorschlag zur Nominierung eines gemeinsamen Kandidaten zugestimmt. Antreten wird der parteilose Unternehmer der Tourismus-Branche und Präsident von Federalberghi Umbria, Vincenzo Bianconi.

Salvini will mit der Lega, den Brüdern Italiens (FdI) von Georgia Meloni und Berlusconis Forza Italia (FI) in einer faschistischen Allianz antreten, um die "linke Hochburg " zu schleifen.

M5S hat am Wochenende in Neapel verspätet den 10. Jahrestag seiner Gründung (am 4. Oktober 2009) gefeiert. Mit seiner Teilnahme bekräftigte Premier Conte, dass die Sterne seine bevorzugte Partei sind. Die Veranstaltungen waren von Auseinandersetzungen über den weiteren Kurs der Partei gekennzeichnet, die durch die "Charta von Florenz" der Dissidenten ausgelöst wurden. Dahinter verberge sich laut ANSA "das aktuelle Dilemma der Bewegung", das darin besteht, dass ein Teil die Regierung mit der PD ablehnt. Di Maio kündigte an, einen starken Parteiapparat aufzubauen, um versuchte "Aufstände und Desertionen niederzuschlagen".

Mit der Bekundung "Wir sind postideologisch und das bedeutet, nach einem dritten Weg zu suchen", wandte sich Di Maio gegen Forderungen der Dissidenten/Basis, die Sternepartei links auszurichten. Die Linie laute, "viele Menschen einzubeziehen". Conte reagierte, "Wir müssen mit denen zusammenarbeiten, die da sind" und appellierte, mit "Transparenz und Fairness" zusammenzuarbeiten.

Der führende M5S-Mann Davide Casaleggio sprach sich dagegen aus und betonte, die "gegenwärtige Regierungsallianz solle stabiler sein als die vorherige". Dazu müssten "klare Signale einer Wende" gegeben werden. Zu den Regionalwahlen am 26. Oktober in Umbrien, wo ein gemeinsamer parteiloser Kandidat von M5S-PD antritt, korrigierte Di Maio, das bedeute "keine Allianz mit der PD". Kammerpräsident Fico bemerkte, "wer immer Recht haben wolle", begünstige "Spaltungen und Gegenspaltungen". Es bleibe aber laut ANSA beim "inneren Waffenstillstand an der Spitze".

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2019

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