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ITALIEN/271: Affäre um angebliche Gelder aus Moskau für die faschistische Lega schlägt Wellen (Gerhard Feldbauer)


Affäre um die angeblichen Gelder aus Moskau für die faschistische Lega schlägt Wellen

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Vize-Premier Salvini

von Gerhard Feldbauer, 12. Juli 2019


Die Affäre um die Gelder, die der Chef der faschistische Lega Italiens, Vize-Premier Matteo Salvini, angeblich aus Moskau erhalten haben soll, macht weiter Schlagzeilen in den Medien. Ausgelöst bzw. aufgedeckt wurde die "Affäre russia" durch das Online-Magazin BuzzFeed, das über ein Treffen von Lega-Politikern mit Kreml-Vertretern am 18. Oktober 2018 im Moskauer Hotel Metropol berichtete, in dem es darum gegangen sei, der Lega zur EU-Wahl aus Moskau Finanzhilfe zu leisten. Dem ist eine Tonbandaufnahme von dem Gespräch beigefügt. Der Bericht wurde von der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA und allen großen Medien ausführlich übernommen.

Salvini selbst befand sich zu dieser Zeit zu einem Besuch in Moskau und traf mit russischen Unternehmern zusammen. Die Rede ist von 69 Millionen Euro, die verdeckt über ein Abkommen über drei Millionen Tonnen Erdöl zu Vorzugskonditionen mit der staatlichen Energie-Gesellschaft ENI der Lega hätten zufließen sollen. An dem Treffen habe der Salvini-Vertraute, sein Rußlandexperte Gianluca Savoini, Präsident des italienisch-russischen Kulturvereins Lombardia-Russia, teilgenommen. Bereits im Februar hatte die italienische Wochenzeitschrift L'Espresso über solche Geheimverhandlungen berichtet. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat gegen Salvini und Savoini Ermittlungen wegen internationaler Korruption eingeleitet. Laut ANSA vom Freitag werden diese bereits seit Monaten geführt.

Die Lega hat ebenso wie die FPÖ eine Kooperationsvereinbarung mit Putins Partei Einiges Russland abgeschlossen, der zu Gute kommt, dass Salvini sich gegen die EU-Sanktionen gegen Russland ausspricht. Die meisten Medien verweisen auf Ähnlichkeiten mit dem "Ibiza-Gate", das im Mai zum Rücktritt des damaligen Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache geführt hatte. Die Enthüllungen scheinen zu bestätigen, dass es "obskure Beziehungen zwischen Russland und national-populistischen Parteien gibt", heißt es in La Repubblica vom Freitag. Der Sekretär der Demokratischen Partei, Nicola Zigaretti, hat die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Parlaments gefordert. Salvini weist alle Anschuldigungen zurück: "Ich habe keinen einzigen Rubel, Euro, Dollar oder Liter Wodka als Finanzierung von Russland erhalten". Er lehnt ein Erscheinen vor einer Untersuchungskommission ab und will BuzzFeed verklagen.

Savoini dementierte im Interview mit der römischen La Repubblica, dass es sich auf der Tonbandaufnahme um seine Stimme handle. Die rechte Fünf-Sterne-Partei (M5S), Lega-Partner in der Regierung, beschränkt sich darauf, die Einrichtung eines Parteienfonds zur Kontrolle zu fordern. Sie wolle sich, so der Mailänder Corriere della Sera, nicht vor den "Karren der PD spannen lassen" und die Affäre auch nicht "zum Wahlkampfthema machen". Das Blatt merkt an, dass die Affäre US-Präsident Trump gelegen komme, der ähnlichen Anschuldigungen ausgesetzt sei. Ministerpräsident Giuseppe Conte stellte sich auf die Seite Salvinis ("ich vertraue ihm"), betonte jedoch auch, die Justiz müsse sich mit der Angelegenheit befassen.

L'Espresso hatte zum Hintergrund auf einen 2012 bei der Lega aufgedeckten Finanzskandal verwiesen, bei dem es um Veruntreuung, Betrug, Geldwäsche, illegale Parteienfinanzierungen und enge Beziehungen zur kalabrischen Mafia 'Ndrangheta ging. Damals wurden 49 Millionen Euro aus staatlichen Zuschüssen unterschlagen und teils auf Konten ins Ausland verschoben. Der damalige Parteichef Umberto Bossi wurde 2017 wegen Betrugs in erster Instanz zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zur Rückzahlung dieser 49 Millionen Euro an die Staatskasse verurteilt, befand und befindet sich die Lega in einer prekären Finanzlage.

Laut jüngster ANSA-Nachrichten vom Freitag distanziert sich Salvini inzwischen von Savoini mit der Erklärung: "Ich habe ihn nicht eingeladen, ich weiß nicht, was er in Moskau gemacht hat."

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2019

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