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ITALIEN/219: Regierungsbildung in Rom gescheitert (Gerhard Feldbauer)


Regierungsbildung in Rom gescheitert

Staatspräsident Mattarella beauftragt Senatspräsidentin mit weiteren "Sondierungen"

von Gerhard Feldbauer, 18. April 2018


In der vergangenen Woche ging auch die zweite einwöchige Sondierungsrunde Staatspräsident Sergio Mattarellas zur Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung ergebnislos zu Ende. Sie scheiterte erneut daran, dass sowohl der Chef der rassistischen Lega, Matteo Salvini, als auch Luigi Di Maio von der rechten Fünf-Sterne-Bewegung den Posten des Premiers beanspruchen. Di Maio pocht darauf, dass M5S mit 32 Prozent stärkste Partei wurde, Salvini, dessen Lega nur auf etwa 17 Prozent kam, dass er zur Allianz mit Berlusconi gehört. Das faschistisch-rassistische Bündnis erreichte 37 Prozent. Es waren, schrieb Fatto Ouotidiano am Montag, "Dialoge unter Gehörlosen".

Der Staatschef hat, wie die Nachrichtenagentur ANSA am Dienstag berichtet, nun die Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati, eine "Person mit institutionellem Profil", beauftragt, einen neuen Versuch zu starten. Neuwahlen, die nur er ansetzen könnte, hatte der Staatschef ausgeschlossen. Vom Tisch sind sie trotzdem nicht. Mit der Casellati übernimmt eine Vertraute Berlusconis aus der Forza Italia (FI) die neue Gesprächsrunde. Damit kommt Berlusconi in die Vorhand. Er strebt eine Allparteienregierung mit einer dritten Person außerhalb der Parteien an der Spitze an, wie nach seinem Rücktritt 2011. Damals war das der frühere EU-Kommissar Mario Monti.

Salvini hatte eine Teilnahme an der neuen Runde abgelehnt und Neuwahlen gefordert. Es wird abgewartet, ob er es wahrmacht. Berlusconi setzt dabei auf eine Beteiligung des Partito Democratico (PD). Der Wahlverlierer belegt mit 111 von 630 Sitzen in der Abgeordnetenkammer immerhin noch den dritten Platz. In der PD herrscht, vertreten durch den amtierenden Parteichef Maurizio Martina, mit Blick auf nicht ganz auszuschließende Neuwahlen, noch die Meinung vor, in der Opposition zu verbleiben, um beim Wähler zu punkten. Die Minister Emilio Orlando und Dario Francheschini halten aber, so La Repubblica, die Tür zu M5S offen. Ob die PD einer Regierung mit der FI zustimmen würde, wird nicht ausgeschlossen. Laut dem Corriere della Sera könnte Mattarella aber auch sowohl Salvini als auch Di Maio ausschließen und den Lega-Politiker Giancarlo Georgetti beauftragen.

Die Mainstreammedien berichten fast durchweg nur über die wechselnden Positionen beim Schacher um den Posten des Regierungschefs und eine Koalition. Der Rassismus der Lega wird negiert, kein Wort fällt zur an den Tag gelegten Heuchelei über Verantwortung gegenüber "dem Land", den Bruch der Versprechen im Wahlkampf und dass es um eine faschistisch-rassistische Regierung geht, von der noch Schlimmeres als in den neun Jahren unter Berlusconi zu erwarten ist. Völlig ausgeklammert wird, was auf Italien zukommt, ganz gleich, wer Premier wird. Mit Di Maio würde der faschistisch-rassistische Charakter einer Regierung mit der Lega nur verdeckt, was noch gefährlicher wäre.

Die legendäre Linke Rossana Rossanda warnte in der von ihr 1969 mit begründeten Zeitung Manifesto, dass Italien "wie nie zuvor total rechts" steht. Sie nannte als entscheidende Ursache, dass mit der Beseitigung der IKP 1990 "die tatsächliche Zerstörung der italienischen Linken, der wichtigsten europäischen, möglich geworden" sei. DINAMOpress, eine Website linker Basisaktivisten, verweist darauf, dass der Rassistenchef Salvini in Übereinstimmung mit M5S ankündigte, 600.000 angeblich illegale nichteuropäische Einwanderer zu vertreiben. Das wäre rund ein Fünftel der 3.714.137 nichteuropäischen Migranten, die sich 2017 in Italien aufhielten.

Was die angebliche illegale Einreise betrifft, so können in Italien Asylanträge erst nach der Einreise, also Aufnahme, gestellt werden. Das linke Informationsportal Controlacrisi erinnert daran, dass mit einer Koalition mit Rasssisten die Vertreibung der Migranten, die Flüchtlinge schon im Mittelmeer ihrem Schicksal überlassen will, zur Regierungspolitik erhoben werde.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2018

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