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ITALIEN/217: Fünf Sterne-Partei will mit rassistischer Lega Regierung bilden (Gerhard Feldbauer)


Hektisches Durcheinander vor der Konstituierung beider Kammern des Parlaments in Rom

Fünf Sterne-Partei will mit rassistischer Lega Regierung bilden

von Gerhard Feldbauer, 17. März 2018


Luigi Di Maio, Premierskandidat der Fünf Sterne-Bewegung (M5S), und der Führer der rassistischen Lega, Matteo Salvini, verhandeln derzeit, um eine gemeinsame Regierung zu bilden, meldete die römische La Repubblica am Freitag. Sie wollen Einfluss nehmen auf die am 23. März anberaumte Konstituierung des Senats, des Abgeordnetenhauses und die Wahl der Präsidenten beider Kammern. Erst danach wird Staatspräsident Sergio Mattarella die Meinungen der Vertreter der Parteien über die Erteilung eines Auftrags zur Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung hören und über einen Auftrag entscheiden. Die beiden Sieger der Wahlen am 4. März die faschistisch-rassistische Allianz - aus der Forza Italia (FI) Berlusconis, der Lega Salvinis und der Brüder Italiens (FdI) von Giorgia Meloni - und die rechtslastige Fünf Sterne-Partei haben mit jeweils etwa einem Drittel der Mandate keine regierungsfähige Mehrheit erreicht.

Zunächst hatte Di Maio dem großen Wahlverlierer, der bisher regierenden Partito Democratico (PD) mit sozialdemokratischem Anstrich, angeboten, in eine von ihm geführte Regierung einzutreten. Die 19 Prozent, auf die die PD absackte, würden für eine Mehrheit reichen. An der Sterne-Basis hätte das Zustimmung gefunden, denn laut Wahlanalysen sind 1,4 Millionen enttäuschte PD-Wähler zu M5S gewechselt. Dazu wäre möglicherweise Matteo Renzi bereit gewesen, dem es nichts ausgemacht hätte, das von Di Maio im Wahlkampf propagierte Konzept eines "reddito di cittadinanza" mit zu vertreten. Als "Bürgergeld für alle" ausgegeben, verbirgt sich dahinter nichts anderes als ein italienisches Hartz IV-Modell. Doch am Wochenanfang hat der PD-Vorstand endlich den Rücktritt seines Chefs und Ex-Premiers Renzi, der mit seiner arbeiterfeindlichen Politik die katastrophale Wahlniederlage entscheidend verursachte, durchgesetzt. Der bis zur Neuwahl amtierende bisherige Landwirtschaftsminister Maurizio Martina wies mit einer Mehrheit des Vorstands M5S jedoch ab.

Beobachter meinen, die Ablehnung der PD, die Parteigründer Beppe Grillo scharf bekämpft, diene Di Maio nur als Vorwand, nun mit der Lega zu koalieren. Erster Streitpunkt ist, dass sowohl Di Maio als Salvini den Posten des Premiers beanspruchen. Salvinis Anspruch bedeutet, wie die Nachrichtenagentur ANSA hervorhebt, "den Bruch mit Berlusconi", der den derzeitigen EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani auf den Chefsessel im Palazzo Chigi (Amtssitz des Premiers) hieven will. Salvini habe sich mit Di Maio darauf geeinigt, zunächst "die Präsidentschaft der beiden Kammern in Bezug auf die Abstimmung (über die Bildung einer Regierung) zu erörtern".

Während die Kuhhändel über eine künftige Regierung die Schlagzeilen der Mainstream-Medien beherrschen, werden die Reaktionen an der Basis der Linken über die katastrophale Wahlniederlage der PD verschwiegen. DINAMOpress, eine Website von linken Basisaktivisten, berichtete, dass anlässlich des 8. März auf Demonstrationen und Kundgebungen in 40 Städten ,von Mailand über Rom bis Palermo, Tausende davor warnten, "was auf uns zukommt", wenn Faschisten und Rassisten an die Regierung kommen. In einer Wahlanalyse, die man sonst nirgendwo findet, zeigte DINAMOpress auf, wie auch die Linke der verschiedensten Schattierungen oft tatenlos der Verbreitung von Rassenhaß und Ausländerfeindlichkeit zuschaute, die sozialen Fragen vernachlässigte und den Abbau von Arbeiterrechten hinnahm. Das linke Il Manifesto nannte die Abstimmung ein Ergebnis "der politischen und sozialen Krise der Linken". Die kommunistische Online-Zeitung Contropiano sieht als tiefere Ursachen, dass auch "die Linke" auf Termini wie "Klasse" verzichtete, die als "veraltet" abgetan werden: "Die Arbeiterklasse gibt es nicht mehr", es gibt nur noch "die Masse". Die Unternehmer, die Besitzenden und ihre Dienstherren beachteten diese Prozesse "mit aller Sorgfalt" und nutzten sie "für ihre eigenen Zwecke".

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2018

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