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ITALIEN/203: Einheitskongress der Linken in Rom warnt vor faschistischem Vormarsch (Gerhard Feldbauer)


Einheitskongress der Linken in Rom warnt vor faschistischem Vormarsch und appelliert, die Reihen zu schließen

Geplant ist Bildung eines linken Wahlkartells "Freie und Gleiche"

von Gerhard Feldbauer, 5. Dezember 2017


1.500 Delegierte haben am Wochenende in Rom auf einem Kongress "Vereinigte Linke!" beraten, wie sie sich zu den Wahlen aufstellen wollen. Unter ihnen befanden sich mit Senatspräsident Pietro Grasso, Massimo D' Alema, Luigi Bersano, Giuseppe (Pipo) Civati und Roberto Speranza führende frühere Politiker des Partito Democratico (PD), die die Partei aus Protest gegen den rechten Kurs der Kollaboration des Parteichefs und früheren Premier, Matteo Renzi, mit dem Chef der faschistischen Forza Italia (FI) Sivlio Berluscon, verlassen haben. Zu den Teilnehmern gehörte weiter Nicola Fratoianni, Vorsitzender der erst im Februar dieses Jahres gegründeten Sinistra Italiana (SI). Diese war von Mitgliedern der vorherigen Partei Linke und Umwelt (SEL) zusammen mit weiteren Linken und Kommunisten, die aus der Partei der Kommunistischen Wiedergründung PRC, einem Nachfolger der 1991 aufgelösten IKP, gebildet worden war. Auch der frühere SEL-Vorsitzende, Nicola Vendola, war vertreten. Die stärkste linke Gruppierung war die von Bersani, vor Renzo PD-Chef, und dem früheren Ministerpräsidenten von Mitte Links, D' Alema geführte Demokratische und Fortschrittsbewegung (MDP).

Grasso verkündete am Ende der Beratung als Ziel, nun statt nochmals eine neue Linke Partei zu bilden, ein Wahlkartell mit dem Namen "Freie und Gleiche" aufzustellen. Er betont, es gehe darum, der enttäuschten und empörten Protestbewegung ein neues Haus, in dem sie sich vertreten fühle, zu schaffen. Das sei ein allen offen stehendes Projekt, offen für aktive Bürger, die Gewerkschaften und die verschiedenen Schichten der Bevölkerung. Die Hälfte der Bürger wähle nicht mehr, ihnen solle ein Ausweg gezeigt werden, dem sie ihre Stimme geben.

Ein Zeitpunkt, wann das Wahlkartell offiziell vorgestellt wird, wurde nicht benannt. Es muss aber bald sein, denn es soll seinen Vorsitzenden wählen und den Kandidaten nominieren, mit dem es zu den Parlamentswahlen im Frühjahr antritt. Es wird erwartet, dass der derzeitige Senatspräsident sich dazu bereit erklärt, womit die gemeinsame Liste ein Zugpferd hätte, mit dem die Sperrklausel des neuen Wahlgesetzes von drei Prozent übersprungen werden könnte. Grasso äußerte sich dazu nicht. Der Kongress fand sicher nicht zufällig am 2./3. Dezember statt, ein Jahr vorher hatte vor allem die Linke am 4. Dezember 2016 Premier Matteo Renzi im Referendum zur Reform des Senats und Abschaffung als zweiter Parlamentskammer eine schwere Niederlage bereitet. Er trat danach als Partei- und Regierungschef zurück, schaffte aber in offenen Wahlen seine Wiederwahl zum PD-Chef und will als Spitzenkandidat zur Wahl antreten. Der Kongress rechnete scharf mit der angesichts einer wahrscheinlich fehlenden Mehrheit der PD von Renzi offen geplanten Regierungskoalition mit dem Chef der faschistischen Forza Italia (FI), Berlusconi ab. Bersani betonte die Notwendigkeit, eine einheitliche Linke und Linke Mitte zu formieren, um dem faschistischen Vormarsch Einhalt zu gebieten. Dazu müsste "das Volk so breit wie möglich" mobilisiert werden. Die römische La Repubblica gab Stimmen wieder, die bemerkten, dass die Gefahr einer Koalition mit der extremen Rechten nicht nur von Renzi drohe, sondern auch in einer Regierung von Lega-Führer Matteo Salvini mit M5S-Chef Beppe Grillo zu sehen sei.

Handicap der Versammlung war, dass das von dem parteilosen Linken und früheren Bürgermeister von Mailand, Giuliano Pisapia geführte Fortschrittslager Campo progressista an der Veranstaltung nicht teilnahm. Pisapia ist weiterhin bereit, mit der PD eine Wahlkoalition zu bilden, wenn Renzi zum Verzicht auf eine Kandidatur gezwungen wird.

Renzi wiederholte, wie die Nachrichtenagentur ANSA am Montag berichtete, seine alten Vorwürfe, die Linke werde dafür verantwortlich sein, wenn die Rechte mit Berlusconi und Salvini gewinne.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2017

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