Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/158: Millionen Italiener verbringen das Natale in bitterster Armut (Gerhard Feldbauer)


Millionen Italiener verbringen das Natale in bitterster Armut

Unter den seit 2013 regierenden Sozialdemokraten hat sich ihre Misere weiter verschlechtert

von Gerhard Feldbauer, 24. Dezember 2016


Für Millionen Italiener wird Babbo Natale, der Weihnachtsmann, nichts im Sack haben. Nach einem Bericht des Statistischen Amtes ISTAT lebten zu Beginn des Jahres 17,469 Millionen (28,7 Prozent) der 60 Millionen Einwohner in bitterster Armut. Die meisten unter dem Existenzminimum, das für eine Person auf 650, für Ehepaare 1.050 Euro monatlich fixiert ist. Etwa 7,6 Millionen vegetieren mit etwa 300 Euro monatlich dahin. Unter ihnen befinden sich, vor allem im Mezzogiorno, dem Landessüden, Hunderttausende Kinder, die schon mit zehn Jahren wie Erwachsene schuften müssen, oft nur für ein paar Cent die Stunde. 15,9 Prozent aller italienischen Kinder bis zu 17 Jahren leben in Armut. Diese betreffe "heute im Gegensatz zu früher die ganze Gesellschaft und nicht nur einzelne Gruppen", vermerkte ein Bericht der Caritas Italiana dazu. Über die Zahl der Ärmsten, die in den Slums der Vorstädte leben, ist nichts bekannt, genauso wenig über die der Obdachlosen.

Am Los dieser Menschen wird sich auch an den Feiertagen nichts ändern, so sehr sich auch Hilfsgemeinschaften wie die in vielen Städten und Gemeinden tätigen Sozialzentren bemühen, ihr Schicksal etwas zu mildern. Sie werden von Caritas finanziert, sind auf Spenden angewiesen, erhalten etwas aus den Kassen der Gemeinden. Aber die Mittel, so Armando Semanasanta aus Neapel, reichen bei weitem nicht, um für alle eine bescheidene Weihnachtsfeier mit einem kleinen Panettone, dem deutschen Stollen ähnlich, oder dem beliebten Zampone, dem gefüllten Schweinsfuß, auszurichten. In der "Stadt des Elends", wie "bella Napoli" genannt wird, reicht es gerademal für 6.000 Menschen. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", so Armando. Selbst in Rom sind es nur 10.000. Jährlich werden in der Hauptstadt gerademal 110.000 aus Suppenküchen versorgt.

Ergreifend die Wünsche von armen Kindern für das Weihnachtsfest. Da geht es um einen Shirt, ein kleines Spielzeug, oft nur um eine Süßigkeit. La Repubblica veröffentlichte den "Brief an Jesus" eines achtjährigen Mädchens aus Brindisi im südlichen Apulien, in dem es bittet, dass "seine Mama nicht entlassen wird". Die 35jährige Frau ist die Alleinverdienerin der Familie und gehört zu 131 Arbeitern der Maschinenfabrik Santa Teresa, denen zum 31. Dezember gekündigt wurde.

Die Hoffnungen der Ärmsten, unter den seit 2013 regierenden Sozialdemokraten des Partito Democratico (PD) werde sich für sie etwas verbessern, haben sich auch 2016 nicht erfüllt. Italien gibt weniger als fünf Prozent seines Bruttosozialprodukts für soziale Leistungen aus. Premier Renzi, seit Februar 2014 im Amt, habe viel versprochen und wenig gehalten, schrieb die linke Unita kürzlich. 500 Millionen Euro enthielt der Haushalt 2016 für die Linderung der Armut. Aber auch eine Aufstockung auf eine Milliarde für 2017 sei völlig unzureichend, hielt der Caritas-Rapport fest. Der Posten müsse auf Wenigstens zwei Milliarden Euro erhöht werden. Auch die Anhebung der Mindesteinkommen auf 320 Euro monatlich für eine Million Beschäftigte ist noch nicht realisiert worden. Die Jobs act genannte Arbeitsmarktreform mit der Beseitigung des Kündigungsschutzes für Millionen Arbeiter hat die Arbeitslosenquote auf 14,34 Prozent (November) anwachsen lassen, darunter bei Jugendlichen auf fast 44. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer Januar 2017 schrittweise auf 25 Prozent wird beim Einkauf wieder alles teurer. Zur Negativ-Bilanz 2016 zählt ferner, dass die Armut jährlich unzählige Italiener in die Immigration treibt. Wie die Fondazione Migrantes im Oktober 2016 meldete, lebt derzeit einer von zwölf Italienern im Ausland. 2015 mussten wieder 107.529 Italiener auswandern, 10.000 mehr als im Vorjahr. Darunter waren 40.000 Jugendliche. Insgesamt stieg die Zahl der aus ihrem Heimatland Vertriebenen damit auf 4.811.163 an.

Die sozialen Kahlschläge haben viele Wähler aus den Arbeiterschichten Renzi beim Referendum über die Abschaffung des Senats als zweiter Parlamentskammer mit einem "no" heimgezahlt, worauf er zurückgetreten ist. Dass sich unter dem neuen Premier Gentiloni, der sich einmal zu den Linken zählte, am sozialen Elend etwas ändert, wird bezweifelt.

*

Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang