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ITALIEN/110: Extreme Rechte bläst zum Sammeln - Überfälle auf Flüchtlingsunterkünfte (Gerhard Feldbauer)


Italiens extreme Rechte bläst zum Sammeln

Überfälle faschistischer Skinheads-Banden auf Flüchtlingsunterkünfte der Caritas in Italien entschieden verurteilt.

Von Gerhard Feldbauer, 1. Dezember 2015


In einer offensichtlich konzertierten Aktion haben Skinheads in der Lombardei, der Emilia, in Alto Adige (Südtirol) und weiteren Städten Norditaliens Flüchtlingseinrichtungen vor allem der Caritas-Hilfsorganisation Volontarius überfallen, Einrichtungen demoliert, Morddrohungen gegen Migranten verkündet. Ziel der Anschläge waren auch Sitze der regierenden Demokratischen Partei (PD). Wie La Repubblica, Südtirol News und andere Zeitungen berichteten, wurden Gebäude verunreinigt, Mordparolen verbreitet und gegen die angebliche Besserstellung von Migranten gegenüber Italienern protestiert. Vor Caritas-Sitzen wurden mit Kartonpappen in Grün-Weiß-Rot (den Farben der italienischen Tricolore) als Tote gestaltete Menschen niedergelegt und auf Flugblättern zur Vertreibung der Flüchtlinge aufgefordert. Südtirol News berichtete, dass die Polizeibehörden gegen die Attentäter ermittelten. Die Volontarius sind eine Organisation der katholischen Caritas, die sich besonders der Hilfe der Flüchtlinge in Italien widmet. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Hälfte der Immigranten in Italien christlichen Glaubens ist.

Das Tagesblatt Dolomiten veröffentlichte die Erklärung von Caritas-Direktor Paolo Valente, der die faschistischen Ausschreitungen entschieden verurteilte und betonte, "wir lassen uns dadurch nicht abbringen von unserem Auftrag, Menschen in Not zu helfen" und werden unsere Arbeit unverändert fortsetzen. "Die Aufnahme der Flüchtlinge und der Dialog zwischen den Religionen und Kulturen sind heute die einzige menschliche Antwort auf die Gewalt des Terrorismus und der Intoleranz", sagte der Repräsentant der katholischen Kirche. Es seien Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden, so dass "für die Flüchtlingsunterkünfte keine Gefahr" bestehe. Ihre Solidarität bekundeten auch Sektionen der PD, der Linkspartei SEL, Kommunisten, Gewerkschafter und Antifaschisten: Auf Versammlungen des Partisanenverbandes ANPI, der gerade seinen Umtausch der Mitgliederausweise durchführt, wurden die Überfälle als ein Ausdruck der vor allem von der rassistischen Lega Nord ausgehenden Ausländerfeindlichkeit verurteilt und gefordert, die in der Verfassung niedergelegten Grundsätze der Gleichheit entschieden zu verteidigen.

Die Skinheads in Italien, die sich auch als Naziskins bezeichnen, gelten mit ihrem extrem antisemitisch, rassistisch und außländerfeindlich ausgerichteten Terror als ein verlängerter Arme der Lega Nord. Er richtet sich auch gegen Kommunisten, die sozialdemokratische PD, gegen Homosexuelle und Drogenabhängige. Die Skinheads orientieren sich an deutschen Neonazis, halten Verbindungen zur deutschen NPD, huldigen Hitler, zeigen Hakenkreuze und den Führergruß. In Norditalien sind sie im Dachverband Fronte Skinheads zusammengeschlossen, dessen Mitgliederzahl auf mehrere Tausend geschätzt wird.

Gut in Erinnerung sind noch die rassistischen Ausschreitungen des Senators der Lega Roberto Calderoni, eines engen Parteifreundes des Lega-Chefs Matteo Salvini, der 2013 eine Kampagne lostrat, in der aufgerufen wurde, die damalige aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Ministerin Cecile Kyenge zu töten. Calderoni, der in der faschistoiden Regierung Berlusconi zweimaliger Minister war, rief auf, Flüchtlingsboote zu beschießen, diffamierte Einwanderer und Homosexuelle, die sich "zu den Kamelen in der Wüste" scheren und "mit den Affen tanzen" sollten. 2014 musste die Europäische Kommission untersuchen, ob Italien gegen die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse verstößt.

Noch heute ist unter der sozialdemokratischen PD-Regierung ein von Calderoni unter der Berlusconi-Regierung eingebrachtes und verabschiedetes "Sicherheitsgesetz" in Kraft, nach dem Migranten Aufenthaltsgenehmigungen nur für ein Jahr und an einen Arbeitsplatz gebunden erhalten. Wer die Arbeit verliert, ganz gleich aus welchen Gründen, gilt als Illegal eingereist, was eine Straftat darstellt und mit 5.000 bis 10.000 Euro bestraft werden kann. Wer "illegal eingewanderten Personen" Unterkunft gewährt oder eine Wohnung vermietet, muss mit bis zu drei Jahren Haft rechnen. Ärzte sind verpflichtet, Patienten ohne Papiere bei den Behörden zu denunzieren. Zur schärferen Überwachung von Einwanderern unterhalten die Lega und faschistische Organisationen wie die Forza Nuova vielerorts Bürgerwehren, die Migranten terrorisieren.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2015

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