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ITALIEN/107: Proteste gegen "Heldenehrung" für Mussolinifaschisten (Gerhard Feldbauer)


Proteste gegen "Heldenehrung" für Mussolinifaschisten, die Franco bei der Niederschlagung der Spanischen Republik unterstützten

Von Gerhard Feldbauer, 10. November 2015


Das antifaschistische Italien hat empört auf eine Zusammenrottung spanischer und italienischer Faschisten in der vergangenen Woche in der spanischen Stadt Saragossa zum Gedenken an die Gefallenen des Interventionskorps Mussolinis zur Niederschlagung der Spanischen Republik reagiert. Die Associazione Italiana Combattenti Volontari Antifascisti di Spagna (A.I.C.V.A.S) verurteilte das Treffen entschieden als eine Provokation des antifaschistischen Italien und eine Verletzung der Verfassung, in der der antifaschistische Widerstand als Basis der Republik verankert wurde. Proteste kamen von Kommunisten, der Linkspartei SEL, von linken Sozialdemokraten des Partito Democratico, Gewerkschaftern, Persönlichkeiten des politischen Lebens.

Zu dem Rummel eingeladen hatte die spanische Falange, die Nachfolgeorganisation der faschistischen Partei Francos, in Zusammenarbeit mit der "Nationalen Stiftung Francisco Franco" und des "Italienischen Verbandes der Mussolini-Soldaten an der Seite Francos in Spanien" (ANCIS). Der 1949 von MSI-Faschisten gegründete Verband ist noch heute eine Hochburg der aus der Mussolini-Nachfolgerpartei MSI hervorgegangenen faschistischen Gruppierungen wie der Fratelli (Brüder) Italiens oder der Forza Nuova, die enge Beziehungen zur Falange unterhält. Nach einem Gottesdienst bei Madrid fand auf einem Militärfriedhof bei Saragossa eine "Heldenehrung" statt. Die Grabstätte war 1940 auf Befehl Mussolinis eingerichtet worden. Nach der italienischen Nationalhymne wurde die Hymne der spanischen Faschisten "Cara al sol" angestimmt, während der die Teilnehmer mit erhobenem rechten Arm den faschistischen Gruß salutierten. Laut Einladung der Falange fand die Reise der italienischen Faschistenverehrer unter der Schirmherrschaft der Botschaft Italiens in Spanien statt, deren Konsulat in Madrid auch zu einem Empfang geladen hatte. In einer Petition forderte der "Verein der Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939" den Botschafter in Madrid und den Innenminister Premier Renzis, Paolo Gentilomo, zu einer Stellungnahme zu dem skandalösen Vorgang auf.

Hitlerdeutschland transportierte 1936 mit einem Verband Ju 52 als erstes 15.000 Mann Elitetruppen der Putschisten von Marokko nach Cadiz und unterstützte danach mit 20.000 Mann der Legion "Condor" Franco. Bei dem Überfall der Flieger Görings auf Guernica y Luno im April 1937 "ist die ganz Stadt mit ihren 7.000 Einwohnern und 3.000 Flüchtlingen langsam und systematisch in Stücke zerschlagen worden", schrieb damals der Spanienkorrespondent der Londoner Times. Pablo Picasso hat ihr sein berühmtes Gemälde sowie 18 Radierungen gewidmet. Zu der Condor-Legion gehörte der Jagdflieger Oberleutnant Johannes Trautloft, den Franco mit dem Spanienkreuz in Gold dekorierte. Der Ritterkreuzträger Hitlers baute als Generalleutnant und Vizeinspekteur die Bundesluftwaffe auf und erhielt zu seinen faschistischen Orden noch das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern.

Mussolini-Italien schickte ein Interventionskorps nach Spanien, dass auf 150.000 Mann mit 8.000 Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, 800 Kampfflugzeugen und 90 Kriegs- und Transportschiffen anwuchs. Unter den der Spanischen Republik zu Hilfe kommenden 40.000 bis 50.000 Antifaschisten aus 54 Ländern, die meist in den Internationalen Brigaden kämpften, befanden sich 3354 Italiener. Befehlshaber aller Inter-Brigaden war der Kommunist Luigi Longo. Die empörten Proteste in Italien sind verständlich, wenn man daran erinnert, dass diese Italiener ruhmreiche Seiten des antifaschistischen Kampfes schrieben. Am 13. November prägte Carlo Roselli, einer der Führer der Giustizia e Libertà in Radio Barcelona die prophetische Losung "Heute in Spanien, morgen in Italien". Sie wurde zum Schwur, mit dem die italienischen Antifaschisten, die die legendäre Garibaldi-Brigade bildeten, in den Kampf zogen. Bei der Verteidigung von Madrid im November 1936, Bei Guadalajara nördlich der Hauptstadt im März 1937, bei Brunette westlich von Madrid im Juli 1937 trafen die Italiener direkt auf die Mussolini-Truppen, die vernichtende Niederlagen erlitten. Über die Hälfte der italienischen Antifaschisten gab ihr Leben bei der Verteidigung der Spanischen Republik, darunter auch Carlo Roselli, der zusammen mit seinem Bruder Nello am 9. Juli 1937 während eines Einsatzes in Frankreich von Agenten des Geheimdienstes Mussolinis in Bagnoles-de-l'Orne (Normandie) ermordet wurde.

Fast drei Jahre widerstand Volksfront-Spanien der von Hitler und Mussolini unterstützten klerikalfaschistischen Reaktion. Sie fiel im März 1939 der von London und Paris inszenierten sogenannten Nichteinmischungspolitik zum Opfer, unter deren Druck auch die Inter-Brigaden, das Rückgrat der Verteidigung, auf Beschluss der Regierung das Land verlassen mussten. Ein konterrevolutionärer Umsturz lieferte Madrid am 28. März 1939 dem Mörderregime des Caudillo aus.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2015

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