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ITALIEN/081: Berlusconi - Rückkehr in die Politik wenig wahrscheinlich (Gerhard Feldbauer)


Sieg und Niederlage für Berlusconi

Rückkehr in die Politik wenig wahrscheinlich

von Gerhard Feldbauer, 12. März 2015


Silvio Berlusconi ist im Berufungsverfahren der Staatsanwaltschaft vom Obersten Kassationsgericht in Rom in letzter Instanz im sogenannten Ruby-Prozess von der Anklage frei gesprochen worden, 2010 als Premier auf den berüchtigten Bunga Bunga Sexpartys in seiner Mailänder Villa Arcore die damals minderjährige Marokkanerin Karima al Mahrough, die sich Ruby Rubacuore (Herzensbrecherin) nannte, für Sex bezahlt zu haben. Ein weiterer Anklagepunkt lautete, Berlusconi habe einen Polizeibeamten angewiesen, die anschließend wegen Diebstahls festgenommene Ruby freizulassen, weil sie eine Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak sei. Die erste Instanz hatte sieben Jahre Haft und ein lebenslanges Ämterverbot verhängt. Die Richter befanden am Dienstag, die Beweislage als nicht ausreichend für eine Verurteilung.


In FI wird neue Niederlage befürchtet

Am gleichen Tag musste die Forza Italia (FI) des Ex-Premiers in der Abgeordnetenkammer bei der Abstimmung über die Auflösung des Senats als zweiter Kammer eine neue Niederlage einstecken. Die Demokratische Partei (PD) erhielt für ihren Antrag eine Mehrheit von 351 der 600 Stimmen. Im demnächst anstehenden Votum im Senat ist die PD auf die Stimmen der Protestbewegung M5S oder der FI angewiesen. M5S-Chef Beppe Grillo hat angekündigt, an der Abstimmung nicht teilzunehmen, Berlusconi will seine FI wieder dagegen stimmen lassen, was in der Partei umstritten ist. Denn Premier Matteo Renzi hat bereits erklärt, dann ein Referendum einzuberufen, was zu einer neuerlichen Abfuhr für Berlusconi werden könnte. Die Partei, die bei den Parlamentswahlen 2013 noch auf etwa 30 Prozent kam, ist in jüngsten Umfragen auf unter 15 Prozent gesunken.


Prozessreigen noch nicht zu Ende

Für den Ex-Premier ist der Prozessreigen noch nicht zu Ende. Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen angeblicher Zeugenbestechung im Ruby-Prozess. Der "Corriere della Sera" spricht von 45 Fällen. In Neapel wird er angeklagt, 2006 einen Senator mit einer Million Euro bestochen zu haben, zu seiner Partei überzuwechseln, womit dann die Regierung der Linken Mitte Romano Prodis gestürzt wurde.

Der von Berlusconi in Siegerpose verkündeten "Rückkehr auf den Campo" (Das Schlachtfeld) werden deshalb in Rom wenig Chancen eingeräumt. Zumal ihm ein 2012 verabschiedetes Antikorruptionsgesetz, das nach dem damaligen Justizminister benannte Legge Sererino, wegen seiner Verurteilung der Unterschlagung von Steuergeldern zu vier Jahren Haft bis 2019 untersagt, zu Wahlen zu kandidieren. Die auf ein Jahr reduzierte Strafe hat er zwar im Sozialdienst gerade beendet, das Verbot bleibt jedoch in Kraft. Berlusconi will jetzt seine Aufhebung einklagen.


Rolle der P2 im Leben Berlusconis rückt wieder ins Rampenlicht

In diesem Kontext stößt es in Rom auf Unverständnis, dass die linksliberale und der Regierung nahestehende "Repubblica" am Donnerstag großaufgemacht auf Seite Eins über die Jubelfeiern des faschistoiden Berlusconi berichtet, der plötzlich die Justiz, deren Vertreter er früher mit Terroristen verglich, die seine Regierungen stürzen wollten, sie als Taliban und Eiterbeulen der Gesellschaft unflätig beschimpfte, jetzt die Richter, die ihn freisprachen, für ihre Gerechtigkeit lobt.

Nach dem Freispruch tritt wieder die Rolle der P2 im Leben Berlusconis ins Rampenlicht und damit die Frage, ob der Einfluss dieser faschistischen Putschloge, in der der Ex-Premier nicht einfach Mitglied Nr. 1816 war, sondern ihrer Führung, dem Dreierdirektorium, angehörte, auf den Justizapparat bis heute anhält. Befanden sich doch bei ihrer Aufdeckung im März 1981 unter den als Mitgliedern eingeschriebenen Hunderten höchsten Repräsentanten der Gesellschaft (Geheimdienstgenerälen, Ministern, Wirtschaftsmanagern, Chefredakteuren) auch 18 hohe Vertreter der Justiz. Im Prozess gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti (1992-1999) wegen Komplizenschaft mit der Mafia und Anstiftung zum Mord) kam ans Licht, dass der Richter Corrado Carnevale, Vorsitzender des Obersten Kassationsgerichtes, in Hunderten von Verfahren Freisprüche durchsetzte bzw. erlassene Urteile annullierte, was ihm den Beinamen "Urteilskiller" einbrachte.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2015

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