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ITALIEN/078: Scharfe Proteste gegen Jobs act drohen sozialdemokratische PD zu spalten (Gerhard Feldbauer)


Scharfe Proteste gegen Jobs act drohen sozialdemokratische PD zu spalten

Metallarbeiterchef Landini will Coalizione sociale bilden

von Gerhard Feldbauer, 25. Februar 2015


Die ersten Dekrete Premier Renzis zur Durchsetzung der Jobs act genannten Arbeitsmarktreform zur "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" mit weiteren sozialen Verschlechterungen stoßen auf entschiedene Proteste der Gewerkschaften, der Partei Linke und Umwelt (SEL) aber auch bei der linken Minderheit in Renzis Demokratischer Partei (PD). Der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft, Maurizio Landini von der Federazione Impiegati Operai Metallurgici (FIOM) hat die arbeiterfeindliche Politik Renzis "eine Gefahr für die Demokratie" genannt und aufgerufen, der Fronte des PD- und Regierungschefs mit dem Unternehmerverband Confindustria ein Coalizione sociale "aller Menschen, die um Leben zu können, eine Arbeit brauchen", entgegenzustellen. Ausdrücklich sprach der Chef der Metallarbeiter von einer "politischen Vertretung" der Arbeitnehmer.


Kollektive Entlassungen befürchtet

Nachdem der bisher durch Artikel 18 des Arbeitsgesetzes garantierte Kündigungsschutz wegfällt, wird seitens der Gewerkschaften, wie La Repubblica wiedergibt, in zahlreichen Unternehmen mit "kollektiven Entlassungen" gerechnet. Bereits jetzt hat die Arbeitslosigkeit mit 13,2 Prozent einen Höchststand erreicht. Bei den unter 24-Jährigen beträgt sie 43,3 Prozent. Die Aufhebung von 45 Branchentarifverträgen gibt den Unternehmern freie Hand, Arbeitsverträge mit ihren Beschäftigten nach gut Dünken abzuschließen, was heißt, ihre bisherigen Rechte einzuschränken oder auch einfach zu beseitigen. Bei Entlassungen aus "wirtschaftlichen Gründen" wird künftig kein Einspruch mehr vor den Sozialgerichten zugelassen. Drastisch gekürzt werden bisherige Abfindungen bei Entlassungen, die auf einen halben Monatslohn (bisher ein ganzer) je Beschäftigungsjahr reduziert und insgesamt auf sechs (bisher unbegrenzt) gekürzt werden. Ab 1. Mai 2015 soll auch die Arbeitslosenunterstützung neu geregelt werden, die nur erhält, wer jede angebotene Arbeit annimmt und auch bereit ist, sich umschulen zu lassen.


Spaltung in PD möglich

Pippo Civatti, der mit anderen Linken und moderaten Sozialdemokraten in der PD gegen den rechten Kurs des Premiers bereits eine "Fraktion der Dissidenten" formiert hat, begrüßte die Initiative Landinis ausdrücklich. Das gehe über den Rahmen üblicher Gewerkschaftsbündnisse hinaus, warnte die regierungsnahe Repubblica, die befürchtet, das könnte auch auf die PD übergreifen, in der die linke Minderheit die Dekrete offen ablehnt. Beobachter in Rom sehen in den Protesten der Gewerkschaften, der SEL und der PD-Linken einen deutlichen Widerhall des Vorgehens von Tsiprias in Athen. Selbst die Vorsitzende der PD-Fraktion in der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, kritisierte, wie das Blatt festhält, den von Renzi praktizierten Kommandostil, der in der PD zunehmend auf Kritik stoße. SEL-Vorsitzender Nicchi Vendola, Präsident der Regionalregierung von Apulien, verlangte Contre-Reformen (Gegenreformen), in denen der Kündigungsschutz neu geregelt und die Arbeiter und Gewerkschaftsrechte gesichert werden. Um den Widerstand einzudämmen, sollen von Entlassungen vorerst Beschäftigte der Staatsbetriebe und öffentlichen Unternehmen ausgeschlossen werden. Einige Maßnahmen sollen auch erst ab 2016 in Kraft treten.


Regierung nach rechts ausgerichtet

Der gewerkschaftsfeindliche Kurs wird von Renzi, gestützt auf die Regierungskoalition mit der neuen Rechtspartei (Neues Rechtes Zentrum - NCD), eines Ablegers der rechtsextremen Forza Italia (FI) Berlusconis, durchgesetzt. An der PD-Basis wird das als Ausrichtung der Regierung nach rechts gesehen und abgelehnt. NCD-Chef Angelino Alfano will jedoch bei der Allianz bleiben und wies Angebote Berlusconis zurück, die Regierung zu verlassen und sich einem Bündnis der FI und der Lega Nord anzuschließen, mit dem der Ex-Premier an die Macht zurückkehren möchte.

Die Zeichen dafür stehen allerdings ungünstig. Wie aus Kreisen der Staatsanwaltschaft verlautete, will diese gegen den Freispruch Berlusconis im sogenannten Ruby-Prozess (Sex gegen Bezahlung mit einer Minderjährigen und Amtsmißbrauch) in der zweiten Instanz in Berufung gehen. Das Urteil der Ersten Instanz lautete auf sieben Jahre Haft und lebenslanges Ämterverbot. Würde es letztinstanzlich bestätigt, wäre es das endgültige "aus" für den Ex-Premier. In dessen FI rechnet man mit dem Schlimmsten und möchte ihn endlich loswerden, um die Partei ohne ihn zu retten. Einer seiner früheren Getreuen, Raffaele Fitti, möchte dem Beispiel Alfanos folgen und aus der FI eine ähnliche "gemäßigte" Rechte formieren: Entweder im Bündnis mit der Lega Nord oder auch durch Fusion mit der NCD.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2015

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