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ITALIEN/052: Außenministerin Federica Mogherini wird Chefin der EU-Außenpolitik (Gerhard Feldbauer)


Renzi hat sich durchgesetzt

Seine Außenministerin Federica Mogherini wird Chefin der EU-Außenpolitik

von Gerhard Feldbauer, 1. September 2014



Nach wochenlangem Tauziehen hat Italiens Premier und amtierender EU-Vorsitzender, Matteo Renzi, gegen starke konservative Widerstände auf dem EU-Sondergipfel vergangene Woche die Nominierung seiner Außenmisterin Federica Mogherini als Chefin der EU-Außenpolitik durchgesetzt. Sie wird Nachfolgerin der Britin Catherine Ashton. Renzi betrachtet, wie die regierungsnahe "La Repubblica" wiedergibt, die Berufung seiner auch im Regierungsteam als Favoritin geltenden Außenmisterin als Stärkung der Position der Sozialdemokraten und seiner eigenen in der EU. Er erwartet davon auch einen Auftrieb für sein "Reformpaket" in Italien. Nicht zuletzt hofft Renzi, damit auch die immer wieder gegen ihn aufbegehrende linke Partei-Basis ruhig zu stellen, denn Mogherini wird dieser - wenn auch eher in gemäßigter Weise - zugeordnet.


Politischer Ausgleich hergestellt

Gegenüber den konservativen Vertretern mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem als Ratspräsidenten nominierten Polen Donald Tusk werde, so die vorherrschende Meinung in Rom, damit ein politischer Ausgleich hergestellt. Denn die Chefdiplomatin der EU wird gleichzeitig Stellvertreterin des Kommissionspräsidenten Juncker. Die noch ausstehende Zustimmung des EU-Parlaments gilt als sicher. Sonst hätte Staatspräsident Giorgio Napolitano die Nominierung der 41jährigen Politikerin der regierenden Demokratischen Partei (PD) wohl kaum eine "wichtige Anerkennung" der Rolle Italiens in der EU genannt. "La Repubblica" verbreitet Optimismus, dass die seit fast zwei Jahrzehnten in führenden Parteiämtern bewährte und für ihren Ehrgeiz bekannte Mogherini sich den "enormen Herausforderungen" gewachsen zeigen werde. Die gebürtige Römerin ist verheiratet und hat zwei Töchter.


Hinreichende Auslandserfahrungen

Ihre Parteikarriere begann die zum Verhältnis von Religion und Politik im Islam promovierte Politologin 1996 in der Jugendorganisation der damaligen Democratici di Sinistra (Linksdemokraten), die sich 2008 mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zur heutigen sozialdemokratischen PD zusammenschloss. 1999 wurde sie für drei Jahre Vizepräsidentin der European Community Organisation of Socialist Youth (Europäische Jungsozialisten). Mit der Wahl 2001 in den Parteirat der Linksdemokraten stieg sie in die hohe Parteipolitik ein, arbeitete in der Abteilung Außenpolitik, deren Leiterin sie bald wurde. Sie besetzte traditionelle Schwerpunkte italienischer Außenpolitik wie den Nahen Osten, wurde durch Studien zum Nato-Einsatz in Afghanistan, an dem Italien mit einem Truppenkontingent beteiligt ist, bekannt, pflegte die Kontakte zu den Sozialdemokraten in Europa und zu den Demokraten in den USA. Seit 2008 ist sie Mitglied der Abgeordnetenkammer, in der sie Expertin für Verteidigung, europäische und internationale Angelegenheiten ist. Als Renzi im Februar 2014 Premier wurde, berief er Mogherini zu seiner Außenministerin. Wenn die PD heute wieder ein verbessertes Verhältnis zur starken Friedensbewegung im Lande hat, die zu den über 40 Prozent Stimmen der Partei bei den EU-Wahlen im Mai beitrug, dann habe, wie in PD-Kreisen vermerkt wird, Federica Mogherini einen Anteil daran. Den Vorhaltungen in Brüssel, die neue EU-Außenbeauftragte habe zu wenig diplomatische Erfahrung fehle es also an Substanz, wird in der PD gekontert.


Realistische Akzente gegenüber Moskau

In Brüssel werden, vor allem von Polen und den baltischen Mitgliedern, misstrauisch realistische Akzente Mogherinis zur Krise in der Ukraine verfolgt und als "russlandfreundlicher Kurs" diffamiert. Sie unterstützt die von der Moskauer Gazprom betriebene Pipeline South Stream, über die russisches Erdgas unter Umgehung der Ukraine direkt nach Südeuropa transportiert werden soll, was auch der Energie-Sicherung Italiens dient. Nachdem Renzi im Juli seine halbjährige Amtszeit als EU-Vorsitzender angetreten hatte, reiste Mogherini zu ihrem ersten Staatsbesuch nach Moskau. Fotos, die sie mit Putin beim shake hands zeigten, wurden in Brüssel mit Empörung aufgenommen, ebenso, dass sie den Kreml-Chef für Oktober zu einem Mailänder Wirtschaftsgipfel einlud.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2014